Albanien
08.04.2024
RSF-Konferenz in Albanien: Zeit zu handeln!
Im Anschluss an ein Treffen mit albanischen Medienschaffenden werden Reporter ohne Grenzen (RSF) und der albanische Medienrat konkrete Vorschläge an nationale und europäische Institutionen senden. Gearbeitet wird unter anderem zu den Themen Sicherheit von Reporterinnen und Reportern, vertrauenswürdiger Journalismus sowie Online-Zensur. Diese Vorschläge werden das Ziel Albaniens unterstützen, in die Europäische Union (EU) aufgenommen zu werden. Hierfür ist Medienfreiheit eine wichtige Voraussetzung.
„Der EU-Beitrittsprozess bietet eine einzigartige Gelegenheit für einen Wandel. Doch der Weg ist noch weit, denn unsere Konferenz in Tirana und der Austausch mit den Berichterstattenden vor Ort machte deutlich: In Albanien vergeht keine Woche ohne eine Attacke auf die Pressefreiheit und das Recht auf Information. Es ist dringend erforderlich, nun zu handeln und von den Eigentümerinnen und Eigentümern einflussreicher Medienplattformen endlich Transparenz und Sorgfalt einzufordern, um wieder mehr Vertrauen in den albanischen Journalismus aufzubauen“, sagte Katharina Viktoria Weiß, die als Pressereferentin mit EU- und Balkan-Schwerpunkt für RSF die Diskussion in Tirana beobachtete.
Täglich neue Übergriffe auf die Pressefreiheit
Während Journalistinnen und Journalisten der wichtigsten albanischen Medien am Morgen des 3. April zu einer Konferenz über das Recht auf Information zusammenkamen, wurde ein weiterer Angriff auf ein lokales Medium bekannt: Am 2. April wurden die Inhalte des Citizens Channel systematisch von Facebook entfernt. Die digitale Plattform ist für viele albanische Medien unverzichtbar, da sie hier die größte Leserreichweite haben.
Es wurden Inhalte des Senders, die bis zum Jahr 2021 zurückreichen, von der Seite genommen. Die journalistischen Beiträge waren systematisch als „Spam" gemeldet worden, weil sie angeblich gegen die Regeln des sozialen Netzwerks verstießen. Laut der Nichtregierungsplattform SafeJournalists Albania "scheint es sich bei dieser Kampagne um einen koordinierten Versuch zu handeln, die Stimme [des Citizens Channel] zum Schweigen zu bringen, insbesondere nachdem [das Medium] einen Artikel veröffentlicht hatte, der den Bau des Nationaltheaters und die Erteilung von Genehmigungen für Hochhäuser durch die Stadtverwaltung von Tirana kritisierte.“
Die Online-Zensur durch digitale Plattformen wird oft durch eine undurchsichtige und strenge Moderationspolitik verursacht. Dieser Umstand wurde von den Journalistinnen und Journalisten auf der Konferenz am vergangenen Mittwoch als eines der Haupthindernisse für die unabhängige Medienlandschaft in Albanien genannt.
Die Journalism Trust Initiative (JTI) als Lösungsvorschlag
Nach der sehr ehrlichen und ausführlichen Diskussion auf der Konferenz werden RSF und der Medienrat nun Verbesserungs-Vorschläge ausarbeiten, welche dann den albanischen Medien zur Stellungnahme vorgelegt werden. Das Ziel von RSF ist es, im Juni 2024 konkrete politische Empfehlungen zu veröffentlichen, die sich an nationale und europäische Institutionen richten.
Zu den besprochenen Lösungen gehört die Journalism Trust Initiative (JTI), ein RSF-Projekt. Die Zertifizierung durch JTI prüft die Transparenz der Nachrichtenmedien und unterstreicht die Einhaltung höchster journalistischer Standards. Mehr als 1.200 Medien in 80 Ländern haben sich dem Projekt bereits angeschlossen, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Journalismus wiederherzustellen.
"Während Qualitätsjournalismus immer häufiger Propaganda weicht, ist die von RSF entwickelte Journalism Trust Initiative ein Leuchtfeuer der Hoffnung. Als internationaler Standard für Hochwertigkeit und ethische Berichterstattung wird JTI für die Öffentlichkeit im Allgemeinen und für Albanien im Besonderen von großem Nutzen sein. Ich kann es kaum erwarten, dass albanische Medien zertifiziert werden, damit die albanische Öffentlichkeit zwischen vertrauenswürdigen und unethischen Zeitungen und Sendern unterscheiden kann“, sagte Koloreto Cukali, Vorsitzender des albanischen Medienrates.
EU-Integration als Chance
In seiner Eröffnungsrede auf der Konferenz betonte der Leiter der EU-Delegation in Albanien, Silvio Gonzato, dass eine große Mehrheit der Albanerinnen und Albaner den Beitritt ihres Landes zur EU wünscht. "Das ist eine politische Tatsache, welche die Regierung nicht ignorieren kann. Mit dem Beitritt zur EU wird Albanien Mitglied einer Werte- und Rechtsgemeinschaft. Der Aufnahmeprozess wird zu mehr Transparenz und größerer Medienfreiheit führen", so der Botschafter.
Abgesehen von der gefährlichen Moderationspolitik der digitalen Plattformen werden die Empfehlungen folgende von den albanischen Medienschaffenden aufgeworfene Fragen behandeln:
- verschiedene Aspekte rund um die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten, von physischen Angriffen über Verleumdungskampagnen bis hin zu Knebelklagen (SLAPPs);
- unzureichende Umsetzung der Rechtsvorschriften zum Zugang zu Informationen und den Schutz der Vertraulichkeit von journalistischen Quellen;
- das Fehlen nachhaltiger Einnahmemodelle der Medien in Verbindung mit einer verzerrten Unabhängigkeit sowie Problemen bei der Durchsetzung von Urheberrechten und einem undurchsichtigen Anzeigenmarkt;
- Konzentration der großen Medien in den Händen von Einzelpersonen, die sie als Instrumente der politischen und wirtschaftlichen Einflussnahme nutzen, verbunden mit geringer Transparenz über die Eigentumsverhältnisse und die Finanzierung der Plattformen;
- geringe Unabhängigkeit der Medienaufsichtsbehörde und der öffentlichen Medien;
- Verstöße gegen die journalistische Ethik und gegen das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Medien.
Albanien steht auf der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 96 von 180 Ländern.
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