Aus: Fotos für die Pressefreiheit 2022

Lage der Pressefreiheit in Belarus

Fotos für die Pressefreiheit 2022

Mit der Entführung des oppositionellen Bloggers Roman Protassewitsch erreichte die Repression gegen unabhängige Medien in Belarus einen neuen Höhepunkt. Auch ausländische Medien wurden blockiert. Viele Journalisten flohen ins Ausland. Nun ist sogar die Nutzung von unliebsamen Sozialen-Medien-Kanälen strafbar.

Am 23. Mai 2021 zwang ein belarussischer Kampfjet eine Ryanair-Maschine auf dem Weg von Athen nach Vilnius zur Landung in Minsk. In dem Flugzeug saßen der im Exil lebende Journalist Roman Protassewitsch und seine Partnerin Sofia Sapega. Vor den Augen der Welt wurde das Paar am Flughafen verhaftet, beide befinden sich bis heute unter Hausarrest. Dem Gründer des oppositionellen
Telegram-Nachrichtenkanals Nexta wird vorgeworfen, Massenproteste ausgelöst zu haben und an terroristischen Aktivitäten beteiligt gewesen zu sein. Kurz nach seiner Festnahme legte Protassewitsch im Staatsfernsehen ein Geständnis ab. Vermutlich war er zuvor gefoltert worden.

Mit der Entführung des prominenten Regierungskritikers hat die Repression gegen unabhängige Medien in Belarus einen neuen Höhepunkt erreicht: In keinem anderen europäischen Land leben Medienschaffende so gefährlich. Machthaber Alexander Lukaschenko hat seinen harten Kurs gegen jegliche unabhängige Berichterstattung noch einmal verstärkt. Das Regime kontrolliert das Fernsehen, fast alle Printmedien und geht gezielt gegen die wenigen noch unabhängigen Medienhäuser vor. Mehrere hundert Medienschaffende wurden verhaftet. Reporter ohne Grenzen (RSF) und die Weltorganisation gegen Folter (OMCT) haben im August 2021 einen detaillierten Bericht zu siebzig Fällen von Folter in Gefängnissen vorgelegt.

Am 27. August 2021 ließ die Regierung die Belarussische Journalistenvereinigung BAJ auflösen, den einzigen unabhängigen Verband für Journalistinnen und Reporter in Belarus und eine der bekanntesten Medienorganisationen Osteuropas. Zuvor hatte das belarussische Staatsfernsehen die BAJ wegen angeblichen Betrugs und illegaler Finanzierung aus dem Ausland verunglimpft. RSF protestierte gegen die Auflösung der Partnerorganisation und forderte die internationale Gemeinschaft auf, belarussische Journalisten im Exil besser zu unterstützen.

Unabhängige Medien sind in Belarus ohnehin nur noch online zu finden, fast alle operieren aus dem Ausland. Doch auch der Zugang zu Informationen über das Internet ist zunehmend schwierig. Viele Nachrichtenportale sind blockiert, darunter die Online-Seiten des Fernsehsenders Current Time und der politischen Wochenzeitschrift Novy Tschas. Deren Redaktion und mehrere Wohnungen von Mitarbeitern wurden durchsucht. Der Vorwand: Diese Medien verbreiteten extremistisches Material. Selbst das Online-Angebot des Auslandssenders Deutsche Welle ist seit dem 28. Oktober 2021 in allen 32 Sprachen gesperrt, nicht jedoch deren Soziale-Medien-Kanäle. Ein Medientrainer des Senders, Andrej Alexandrow, ist seit Januar 2021 wegen angeblichen Hochverrats inhaftiert. Dass Lukaschenko mittlerweile sogar internationale Medien blockiert, bedeutet eine neue Dimension der Zensur.

Daher weichen immer mehr Journalisten auf Soziale Medien aus. So auch das Onlineportal tut.by: Wenige Tage vor der Verhaftung von Protassewitsch hatten Sicherheitskräfte die Hauptredaktion und fünf Regionalbüros der populären-Nachrichtenseite gestürmt. Seither sitzen die Chefredakteurin Maryna Solatawa und 14 weitere Mitarbeiter in Haft. Einige ihrer Kollegen haben im Ausland das Nachfolgeportal zerkalo.io gegründet. Die Seite wurde in Belarus umgehend gesperrt, ist dort aber über VPN weiter zu erreichen. Zudem folgen dem Portal Hunderttausende über Soziale Medien, vor allem auf Telegram. Doch das Regime hat die Mediengesetze weiter verschärft und rund 100 Kanäle des Messengerdienstes für extremistisch erklärt. Laut einem neuen Dekret können nun auch alle Nutzer diese Kanäle strafrechtlich verfolgt werden.

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