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Ägypten

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 170 von 180
Ägypten 30.05.2014

Al-Sisi muss endlich Pressefreiheit garantieren

Journalistendemonstration in Kairo
Ägyptische Journalisten demonstrieren für mehr Schutz. © picture alliance

Reporter ohne Grenzen fordert vom Sieger der Präsidentenwahl in Ägypten, Abdel Fattah Al-Sisi, glaubwürdige Garantien für die Pressefreiheit. „Journalisten sind in Ägypten ständigen Drohungen, Schikanen und Angriffen ausgesetzt, viel zu viele sitzen wegen ihrer Arbeit im Gefängnis“, kritisierte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Als Präsident sollte Al-Sisi endlich ein Klima schaffen, in dem kritische Journalisten und Medien ohne Angst berichten können. Die Dämonisierung von Kritikern als Spione oder Sympathisanten von Terroristen muss ein Ende haben.“

Gut drei Jahre nach der Revolution von 2011 ist von der damaligen Aufbruchsstimmung der Medien in Ägypten nichts mehr zu spüren. Seit dem Beginn von Al-Sisis De-facto-Herrschaft mit dem Putsch vom 3. Juli 2013 sind sechs Journalisten bei ihrer Arbeit getötet worden, viele weitere wurden verletzt. Mindestens 65 Journalisten saßen für kürzere oder längere Zeiträume im Gefängnis. Derzeit sind mindestens 16 Journalisten in Haft.

Die staatlichen und staatsnahen Medien machen unverhohlen Stimmung für Al-Sisi und den vom Militär vorgegebenen politischen Kurs. Auch im Wahlkampf räumten wichtige ägyptische Medien Al-Sisi deutlich mehr und positivere Berichte ein als seinem Konkurrenten Hamdin Sabahi. Während der Abstimmung wurden Medienvertreter nach Angaben der ägyptischen Journalistengewerkschaft in Dutzenden Fällen bei der Berichterstattung behindert, mehrere wurden kurzzeitig festgenommen.

Al-Sisi persönlich hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er Selbstzensur für erstrebenswert hält. Keine drei Wochen vor der Wahl bestellte er rund 20 Chefredakteure zum Rapport und erläuterte ihnen, dass die Pressefreiheit einstweilen hinter der nationalen Sicherheit zurückstehen müsse.


Klima der Einschüchterung und Gewalt

Beispielhaft für den derzeitigen Zustand der Pressefreiheit in Ägypten steht der Prozess gegen die Al-Jazeera-Journalisten Peter Greste, Mohamed Adel Fahmi und Baher Mohamed, die seit einer Razzia am 29. Dezember in Haft sind. Ihnen drohen wegen angeblicher Verbreitung „falscher“ Nachrichten sowie Mitgliedschaft in bzw. Unterstützung einer „Terrororganisation“ – gemeint ist die Muslimbruderschaft – zwischen sieben und 15 Jahre Haft.

Ein weiterer Al-Jazeera-Journalist, Abdullah Al-Shami, sitzt seit dem 14. August 2013 ohne Anklage im Gefängnis. Er wurde festgenommen, als er für den Nachrichtensender über die Auflösung eines Protestcamps von Mursi-Anhängern berichtete. Seit dem 21. Januar ist Al-Shami aus Protest gegen seine willkürliche Haft im Hungerstreik; sein Gesundheitszustand ist mittlerweile lebensbedrohlich.

Auch viele andere der derzeit inhaftierten Journalisten wurden festgenommen, als sie über Demonstrationen berichteten. Nun warten sie teils seit Monaten auf ihre Anklage: zum Beispiel der junge Fotograf Mahmoud Abu Zied (festgenommen am 14. August 2013), die Reporter Said Shihate und Ahmed Gamal von der Website Yaqin (festgenommen am 30. Dezember) und der Reporter Karim Shalabi vom Nachrichtenportal El-Masdr (festgenommen am 25. Januar).

Zugleich diffamieren Regierung, staatliche und staatsnahe Medien ausländische Journalisten und andere Kritiker pauschal als Spione. Das Ergebnis ist ein Klima der Einschüchterung und Gewalt: Immer wieder erhalten kritische Journalisten mehr oder wenige subtile Drohungen. Regelmäßig werden Journalisten und Kamerateams auf den Straßen von aufgebrachten Menschenmengen bedrängt und angegriffen.


Forderungen an den neuen Präsidenten

Vor diesem Hintergrund fordert Reporter ohne Grenzen den künftigen ägyptischen Präsidenten auf, willkürliche Festnahmen und Misshandlungen von Journalisten zu unterbinden. Die Justiz muss die inhaftierten Journalisten unverzüglich freilassen. Medienschaffende dürfen nicht mehr vor Militärgerichte gestellt und in Gerichtsverfahren müssen grundlegende Prozessregeln wie Zugang zu Anwälten und Einsicht in die Anklage eingehalten werden. Die Todesumstände der getöteten Journalisten müssen unabhängig untersucht und die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen werden. Die Sicherheitsbehörden müssen aufhören, Journalisten und ihre Redaktionen zu überwachen und zu gängeln.

Längerfristig sind Reformen an Verfassung und Gesetzen nötig, um einen gesetzlichen und regulatorischen Rahmen zu schaffen, der unabhängige Medien und freie Berichterstattung ermöglicht. Die staatlichen Medien müssen dem Zugriff der Regierung entzogen und unabhängigen Aufsichtsgremien unterstellt werden.

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