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China

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 172 von 180
China / Syrien 08.11.2016

Syrer Hadi Abdullah ist Journalist des Jahres

Die Preisträger Hadi Abdullah (links) sowie Li Tingyu (Mitte) und Lu Yuyu.

Reporter ohne Grenzen zeichnet den Syrer Hadi Abdullah als Journalist des Jahres 2016 aus. Abdullah hat sich als freier Journalist in gefährliche, von seinen meisten Kollegen gemiedene Gebiete des Bürgerkriegslandes gewagt, um Vertretern der Zivilgesellschaft internationales Gehör zu verschaffen. Dabei ist der 29-Jährige mehrmals knapp dem Tod entgangen.

„Durch seine mutige Berichterstattung eröffnet Hadi Abdullah der Weltöffentlichkeit wichtige Einblicke in die täglichen Nöte der Menschen in Syrien“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „In einem Land, in dem unabhängiger Journalismus gleichbedeutend mit Lebensgefahr ist, hat er sich durch Professionalität und Mut ausgezeichnet.“

Als Medium des Jahres würdigt ROG die chinesische Informationswebseite 64Tianwang, die von der Regierung in Peking als „umstürzlerisch“ eingestuft wird und deren Reporter große persönliche Risiken in Kauf nehmen, um ihren Mitbürgern unabhängige Informationen zugänglich zu machen. Zu den Bürgerjournalisten des Jahres kürte die Jury das chinesische Paar Lu Yuyu und Li Tingyu. Beide haben systematisch Streiks und Demonstrationen im ganzen Land dokumentiert und sind deshalb seit Mitte Juni unter dem Vorwurf der „Störung der öffentlichen Ordnung“ im Gefängnis.

Mit den Preisen ehrt ROG jährlich Journalisten, Medien und Bürgerjournalisten, die sich in besonderer Weise um die Förderung oder Verteidigung der Pressefreiheit verdient gemacht haben. Die diesjährigen Preise werden am Abend bei einer Veranstaltung in Straßburg verliehen.

Journalist des Jahres: Hadi Abdullah

Der Preisträger Hadi Abdullah brach seine Ausbildung zum Krankenpfleger ab, um seine Energie der unabhängigen Berichterstattung aus Syrien zu widmen. In Journalistenkreisen machte er sich schnell einen Namen als gewissenhafter Reporter, der auch in gefährliche Landesteile fährt, um Vertreter der Zivilgesellschaft zu interviewen und zu filmen. Durch seine Berichte über die tagtäglichen Gräueltaten in Syrien wurde er zur Zielscheibe für regierungstreue Kräfte wie auch für bewaffnete Rebellengruppen.

Vergangenen Januar wurde Abdullah zusammen mit einem Kollegen kurzzeitig von der Dschihadistengruppe Al-Nusra-Front verschleppt. Mitte Juni wurde sein Kameramann Chaled al-Issa bei einem Bombenanschlag auf das Wohnhaus mit ihrer gemeinsamen Wohnung in Aleppo so schwer verletzt, dass er acht Tage darauf in einem Krankenhaus in der Türkei starb – kurz, bevor er zur weiteren Behandlung nach Deutschland verlegt werden sollte. Abdullah selbst trug schwere Verletzungen davon. Zwei Tage vor dem Bombenanschlag waren beide am Kopf verletzt worden, als sie über Gefechte in Aleppo berichteten.

In den mehr als fünfeinhalb Jahren des Konflikts in Syrien sind dort rund 200 Journalisten und Bürgerjournalisten wegen ihrer Arbeit getötet worden, davon allein 16 in diesem Jahr. Derzeit sitzen mindestens 26 Medienschaffende in den Gefängnissen des syrischen Regimes; mindestens 27 werden von anderen Konfliktparteien als Geiseln gehalten oder gelten als vermisst, darunter sechs ausländische Journalisten. Wer weiter aus dem Land berichtet, ist ständigen Drohungen und Schikanen ausgesetzt und riskiert verhaftet, entführt oder ermordet zu werden. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Syrien auf Platz 177 von 180 Ländern.

Medium des Jahres: 64Tianwang

Das unabhängige Nachrichtenportal 64Tianwang berichtet mit einem Netz von Bürgerjournalisten über Menschenrechtsverletzungen in China. Immer wieder sind seine Mitarbeiter verhaftet oder vor Gericht gestellt worden, beispielsweise für Berichte über Behördenversagen nach dem Erdbeben in Sichuan 2008 oder über Protestaktionen wie den Farbbeutelwurf auf ein überdimensionales Mao-Porträt auf dem Tiananmen-Platz in Peking 2014. Zuletzt verschleppten die Behörden Anfang September fünf der Bürgerjournalisten, die über Proteste während des G20-Gipfels in Hangzhou berichtet hatten; sie sitzen noch immer im Gefängnis. Mehrfach ist 64Tianwang zum Ziel von Hackerangriffen geworden.

„In 18 Jahren unserer Tätigkeit hat kein einziger Journalist von 64Tianwang ein von den Behörden vorbereitetes Geständnis unterzeichnet“, betont der Gründer der Webseite, Huang Qi. Ebenso hat sich bis heute keiner für die Propaganda der Kommunistischen Partei instrumentalisieren lassen, zu der etwa die Ausstrahlung erzwungener „Geständnisse“ von Regierungskritikern im staatlichen Fernsehen CCTV oder bei der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua gehört.

Bürgerjournalisten des Jahres: Lu Yuyu und Li Tingyu

Die chinesischen Bürgerjournalisten Lu Yuyu und Li Tingyu wurden nach ihrer Festnahme in der südwestchinesischen Provinz Yunnan am 15. Juni mehr als drei Wochen an unbekanntem Ort festgehalten, bevor sie Kontakt mit Anwälten aufnehmen konnten. Weil sie systematisch Streiks und Demonstrationen im ganzen Land dokumentiert haben, wird ihnen Störung der öffentlichen Ordnung vorgeworfen. Im Gefängnis wurden sie misshandelt; ihnen drohen lange Haftstrafen.

Seit 2012 durchsuchen sie täglich soziale Netzwerke auf entsprechende Informationen, sammeln und verifizieren Fotos und Berichte protestierender Arbeiter oder Bürger und veröffentlichen sie auf einer eigenen Webseite. Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaftler nutzen ihre Daten als Barometer für soziale Unruhen – ein Tabuthema für die Kommunistische Partei Chinas.

China ist abgesehen von der Türkei das Land mit den meisten inhaftierten Medienschaffenden weltweit: Derzeit sind dort rund 100 Journalisten und Bürgerjournalisten im Gefängnis. Das Propagandaministerium steuert die Berichterstattung mit täglichen Zensurdirektiven; auch das Internet wird umfassend zensiert. Unter Präsident Xi Jinping hat sich die Unterdrückung kritischer Stimmen noch einmal deutlich verschärft. Vor wichtigen politischen Ereignissen werden Blogger und Menschenrechtsaktivisten oft präventiv festgenommen, um kritische Berichte zu verhindern. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht das Land auf Platz 176.

22 Nominierte, davon mehrere im Gefängnis

ROG verleiht den Preis „Journalist des Jahres“ seit 1992. Die Auszeichnung ist in jeder der drei Kategorien mit 2500 Euro dotiert. Viele der diesjährigen Nominierten kommen aus Ländern, in denen die Pressefreiheit massiv unterdrückt wird, und haben sich trotz Strafverfolgung, Drohungen oder Gewalt durch mutige, unabhängige Berichterstattung ausgezeichnet. Mehrere sitzen wegen ihrer Arbeit im Gefängnis.

In der Kategorie „Journalist des Jahres“ waren nominiert:

- Sejmur Chasi (Aserbaidschan)
- Edouard Perrin (Frankreich/Luxemburg)
- Ismail Alexandrani (Ägypten)
- Jineth Bedoya (Kolumbien)
- Alfred Taban (Südsudan)
- Zaheena Rasheed (Malediven)
- Hadi Abdullah (Syrien)
- Najiba Ayubi (Afghanistan)
- Mahfuz Anam (Bangladesch)

In der Kategorie „Medium des Jahres“ waren nominiert:

- Al-Saman (Oman)
- Ferghana (Zentralasien)
- Radio M (Algerien)
- Bawabat al-Wasat (Libyen)
- 64Tianwang (China)
- Agência Pública (Brasilien)
- Gazeta Wyborcza (Polen)

In der Kategorie „Bürgerjournalist des Jahres“ waren nominiert:

- Leonardo Sakamoto (Brasilien)
- Lu Yuyu und Li Tingyu (China)
- SOS Médias Burundi (Burundi)
- Ali al-Mearaj (Bahrain)
- Roya Saberi Negad Nobakht (Iran)
- Tania Quintero und Ivan García Quintero (Kuba)



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