Iran
09.02.2010
Mehr als 65 Journalisten und Internetdissidenten im Gefängnis
Reporter ohne Grenzen (ROG) kritisiert die Welle von Verhaftungen von Journalisten und Internetdissidenten in den vergangenen Tagen im Iran auf das Schärfste. Mehr als 65 Reporter und Cyberdissidenten sind aktuell im Gefängnis. „Seit der Gründung von Reporter ohne Grenzen im Jahr 1985 war diese Ziffer im Iran noch nie so hoch“, so ROG-Generalsekretär Jean-François Jullliard. Die Zahl umfasse in Teheran und in den Provinzen ansässige Journalisten.
Vertreter des Ministeriums für Nachrichtenwesen und Sicherheit nahmen am 7. und 8. Februar mindestens acht Journalisten fest und brachten sie an unbekannte Orte. Unter den Medienmitarbeitern sind Akbar Montadschabi von der Tageszeitung Etemad-e Mell, Somayeh Momeni von der Monatszeitung Nasim Bidary und Seynab Kasem-Chah von der Nachrichtenagentur ISNA. Am 3. Februar wurde darüber hinaus der Herausgeber des Blogs Qasrnews und der Zeitung Navai Vaghat, Ali Mohammed Islampur, wegen „Veröffentlichung falscher Informationen“ und „Beleidigung der öffentlichen Meinung“ verhaftet.
Auch das Internet ist seit dem 6. Februar wieder von starken Störungen beeinträchtigt. Einige Mobilfunkunternehmen dürfen zudem ihren Kunden nicht länger erlauben, Kurznachrichten über das Handy zu versenden. Mit diesen Maßnahmen wollen die Behörden offenbar oppositionelle Proteste anlässlich des 31. Jahrestags der Islamischen Revolution am 11. Februar verhindern.
In einer Pressemitteilung vom 8. Februar kündigte das Ministerium für Nachrichtenwesen und Sicherheit außerdem die Festnahme von sieben Journalisten wegen „Kollaboration mit zionistischen Satelliten-Fernsehstationen“ an. Die Medienmitarbeiter werden beschuldigt „im Ausland eine professionelle Schulung zur Vorbereitung einer samtenen Revolution“ erhalten zu haben, die „öffentliche Ordnung zu stören“ und „mit Radio Farda (Radio Free Europe) zusammenzuarbeiten“. Ein Leiter der Hörfunkstation wies diese Vorwürfe zurück und sagte, dass Radio Farda überhaupt keine Mitarbeiter im Iran beschäftige.
Angesichts der dramatischen Lage im Iran wandte sich ROG in einem Brief an die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Navanethem Pillay: In dem Schreiben vom 4. Februar bat ROG Pillay um ein Gespräch über die äußerst prekäre Lage im Iran. ROG wandte sich ebenfalls an die Außenminister der 27 EU-Mitgliedsstaaten: Darin forderte ROG die Politiker auf, ihre Botschafter aus Teheran zurückzurufen, um damit gegen die willkürlichen Repressionen gegen politische Oppositionelle und die unfairen Schauprozesse zu protestieren, und um öffentlich Besorgnis über drohende Exekutionen auszudrücken.
Die iranischen Behörden haben internationale Medienvertreter eingeladen, über die Feierlichkeiten zum 31. Jahrestag zu berichten. Zehn iranische Exiljournalisten haben sich nun in einem offenen Brief an die internationalen Medien gewandt: Darin warnen die Journalisten ausländische Korrespondenten vor den Plänen der iranischen Führung. Die Regierung wolle den Eindruck schaffen, dass sie von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt würde.
Die Behörden wollten nicht nur eine oppositionelle Versammlung auf dem Azadi-Platz verhindern, wo Präsident Ahmadinedschad eine Rede halten wird, heißt es in dem Brief. Sie wollten auch dafür sorgen, dass nur Regierungsanhänger auf dem Platz stehen. Eine Regierung, die einheimische Journalisten festgenommen, inhaftiert und verurteilt hat, weil sie für ausländische Medien arbeiten, wolle nun der ganzen Welt ihre angebliche Popularität demonstrieren, so die Exilanten.
Derweil sehen sich iranische Journalisten und Internetdissidenten weiterhin gezwungen, das Land zu verlassen. ROG sammelt Spenden, um die Geflohenen finanziell zu unterstützen und ihnen eine sichere Zuflucht zu ermöglichen.
Hier lesen Sie weitere Informationen zu den zuletzt festgenommenen iranischen Journalisten
Hier lesen Sie den Brief iranischer Exiljournalisten an ausländische Medienvertreter
Hier finden Sie weitere Informationen zur ROG-Spendenkampagne für iranische Flüchtlinge.
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