Saudi-Arabien
06.05.2015
Badawi ist kein Einzelfall - Alle Blogger freilassen
Zum ersten Jahrestag des drakonischen Urteils gegen Raif Badawi am 7. Mai bekräftigt Reporter ohne Grenzen seine Forderung an Saudi-Arabien, alle in dem Königreich inhaftierten Journalisten und Blogger bedingungslos freizulassen.
„So grausam die Strafe für Raif Badawi ist: Sie ist kein Einzelfall, sondern ein Auswuchs der systematischen Unterdrückung jeder abweichenden Meinung“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Saudi-Arabien muss endlich alle Medienschaffenden und Aktivisten freilassen, denen nichts als öffentliche Kritik an den Behörden oder kontroverse Meinungsäußerungen zur Last gelegt werden. Vorher sollte kein ausländischer Politiker zum Tagesgeschäft mit dem Königreich übergehen.“
Insgesamt sitzen in Saudi-Arabien derzeit mindestens zwei Journalisten sowie sieben Blogger und Online-Aktivisten wegen ihrer Tätigkeit im Gefängnis. Zensur ist in dem Königreich alltäglich. Verboten sind etwa Kritik an Religionsführern und ungenehmigte Berichte über Gerichtsverfahren. Auch Berichte über die Proteste der schiitischen Minderheit oder Kritik an der Diskriminierung von Frauen werden bestraft. Hunderttausende Internetseiten sind gesperrt.
Stockschläge werden von Woche zu Woche verschoben
Badawi wurde am 7. Mai 2014 zu zehn Jahren Gefängnis und 1000 Stockschlägen verurteilt, außerdem zu einer Geldstrafe von umgerechnet 200.000 Euro und einem zehnjährigen Ausreiseverbot im Anschluss an seine Haftstrafe. Dem Mitbegründer der Diskussionswebseite Liberal Saudi Network wurden unter anderem kritische Online-Kommentare über die saudische Religionspolizei zur Last gelegt, mit denen er gegen das Gesetz gegen Internetverbrechen verstoßen habe.
Die Stockschläge, die ursprünglich in wöchentlichem Abstand mit je 50 Schlägen ausgeführt werden sollten, sind nach dem ersten Mal am 9. Januar wegen der schweren Verletzungen von Woche zu Woche verschoben worden, zuletzt am 1. Mai. Laut Badawis Ehefrau droht dem Blogger nach wie vor ein Prozess wegen Abfalls vom islamischen Glauben, worauf im Königreich die Todesstrafe durch Enthauptung steht. Vom selben Vorwurf war er 2013 schon einmal freigesprochen worden.
Repressionswelle gegen Online-Aktivisten
Seit dem vergangenen Jahr hat das Königreich insbesondere die Verfolgung von Online-Aktivisten verschärft, die über soziale Medien die Regierung kritisieren. So wurde im Juli 2014 eine fünfjährige Haftstrafe für Michlif al-Schammari bestätigt, einen prominenten Kritiker der systematischen Diskriminierung der schiitischen Minderheit Saudi-Arabiens. Zu seiner Strafe für das „Stiften von Unfrieden“ und Kritik an saudischen Funktionären in seinen Online-Schriften gehört auch ein zehnjähriges Reiseverbot.
Drei Tage nach Schammari wurde der Menschenrechtsaktivist Walid Abu al-Chair für seine Kritik an den saudischen Behörden in sozialen Medien und Medieninterviews verurteilt. Abu al-Chair hatte auch Raif Badawi als Anwalt vertreten.
Ende Juni verurteilte ein Gericht in Riad den Menschenrechtsaktivisten Fausan al-Harbi unter anderem wegen Verstößen gegen das Gesetz über Internetverbrechen zu sieben Jahre Haft, einem siebenjähriges Reiseverbot sowie einem Veröffentlichungsverbot in sozialen Medien. Eine Woche zuvor war der freie Fotojournalist Dschassim Mekki Aal Safar in Jedda zu sieben Jahren Haft und einem siebenjährigen Reiseverbot verurteilt worden – unter anderem, weil er sich mit ausländischen Journalisten getroffen und weil er per YouTube Videos und Fotos veröffentlicht habe, die dem Ruf Saudi-Arabiens schaden könnten.
Schon im Februar 2014 hatte ein Gericht in Riad den Fernsehunternehmer und -moderator Waddschi Al-Ghassawi zu zwölf Jahren Haft, einem zwanzigjährigen Reiseverbot sowie einem lebenslangen Verbot von Fernsehauftritten verurteilt. Ihm wurde unter anderem zur Last gelegt, dass er Saudi-Arabien in seiner Sendung „Al-Fadfada” Verbindungen zu Terroristen und insbesondere zu Al-Kaida vorgeworfen hatte.
Brachiales Vorgehen gegen Berichte über Proteste im Osten des Landes
Ebenfalls im Februar 2014 wurde bei einer Polizeirazzia in der Provinz Al-Katif im Osten Saudi-Arabiens der Fotograf und Kameramann Hussein Ali Madan Al-Faradsch getötet. Er hatte dort die seit 2011 andauernden, international kaum beachteten Proteste der schiitischen Minderheit fortlaufend dokumentiert.
Spezialisten des kanadischen Citizen Lab haben in einer modifizierten Version einer Smartphone-App für Nachrichten aus Al-Katif Überwachungssoftware des italienischen Anbieters Hacking Team nachgewiesen. Auf solchermaßen gekaperten Geräten könnten Behörden Anrufe, E-Mails, Kurznachrichten sowie Social-Media-Apps ausforschen und sogar Kamera und Mikrofon ohne Wissen des Handybesitzers anschalten.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Saudi-Arabien auf Platz 164 von 180 Ländern.
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