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Belarus

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 167 von 180
Belarus 21.10.2020

Zahl der Festnahmen steigt

Protestierende meiner eine Massendemo in Belarus.
©picture alliance/ dpa/ TASS/ Valery Sharifulin

Reporter ohne Grenzen ist besorgt über die steigende Zahl festgenommener Medienschaffender in Belarus. Seit Anfang Oktober wurden der unabhängigen Belarusischen Journalistenvereinigung (BAJ) zufolge 85 Medienschaffende festgenommen, seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl am 9. August betraf dies inzwischen fast 300 Reporterinnen und Reporter. Acht Medienschaffende sitzen derzeit im Gefängnis. Auch das Internet zensieren die Behörden zunehmend. Gestern urteilte ein Gericht in Minsk, der populäre Telegram-Kanal Nexta Live, den auch viele Medien im Ausland als Quelle nutzen, verbreite extremistisches Material und müsse blockiert werden. Um Internetsperren zu umgehen, hat Reporter ohne Grenzen bereits drei gesperrte Webseiten aus Belarus gespiegelt und so wieder zugänglich gemacht.

„Die hohe Zahl festgenommener Medienschaffender und das Vorgehen gegen den populärsten Nachrichtenkanal der Opposition offenbaren, wie nervös das Regime von Alexander Lukaschenko ist“, sagt RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Wir fordern die Behörden auf, die inhaftierten Journalistinnen und Journalisten umgehend freizulassen.“

Acht Medienschaffende im Gefängnis

Von den acht Journalistinnen und Journalisten, die derzeit laut BAJ in Belarus im Gefängnis sitzen, wurden sieben am vergangenen Wochenende (17./18. Oktober) festgenommen. Fünf von ihnen wurden am Montag (19.10.) wegen der Teilnahme an nicht genehmigten Protesten und Widerstand gegen die Staatsgewalt zu Arreststrafen verurteilt: Darja Spewak (Onliner.by; 13 Tage Arrest), Fotograf Wadim Samirowski (15 Tage), Wsewolod Sarubin (Belapan, TUT.by; 15 Tage), Artjom Majorow (Belarusy i rynok; 15 Tage), Ales Ljubentschuk (Belsat TV; 15 Tage). In der Stadt Brest im Westen des Landes wurden am 18.10. der Fotograf Roman Tschmel und Maxim Chlebez, freier Korrespondent der Zeitung Brestskaja Gaseta, festgenommen.

Ebenfalls in Haft ist die freie Journalistin Elena Downar. Sie wurde am 26. September beim „Marsch der Frauen“ in Minsk festgenommen, ins Okrestina-Gefängnis gebracht und zu 15 Tagen Arrest verurteilt. Ungeachtet der Tatsache, dass sie während der Demonstration vom 11. Oktober nach wie vor im Gefängnis war, wurde sie einen Tag später erneut wegen der Teilnahme an nicht genehmigten Protesten zu abermals 15 Tagen Arrest verurteilt.

Immer mehr Medienschaffende festgenommen

Seit Anfang Oktober wurden der unabhängigen Belarusischen Journalistenvereinigung (BAJ) zufolge 85 Medienschaffende festgenommen, im gesamten Monat September lag diese Zahl noch bei 60. Beim so genannten „Marsch des Stolzes“ am 11. Oktober, auf dem die Protestierenden die Freilassung aller politischen Gefangenen und einen Dialog des Regimes mit der Opposition forderten, wurden so viele Journalistinnen und Journalisten verhaftet wie an keinem anderen Wochenende seit der Wahl am 9. August (43 Fälle).

In mindestens vier Fällen konfiszierte die Polizei dabei technische Ausrüstung wie Telefone und USB-Sticks. Betroffen waren in Minsk der Korrespondent der unabhängigen Nachrichtenagentur BelaPAN Sergej Sazuk, Onliner.by-Reporter Alexej Nossow, Belsat-TV-Reporter Dmitri Mizkjewitsch sowie Aljona Kowaltschuk in Grodno, die für das Onlineportal Hrodna.live berichtet.

Brutale Gewalt in den ersten Woche nach der Wahl

Seit Beginn der Proteste nach der umstrittenen Präsidentenwahl am 9. August wurden der Belarusischen Journalistenvereinigung (BAJ), einer Partnerorganisation von Reporter ohne Grenzen, zufolge 293 Journalistinnen und Journalisten festgenommen, fast die Hälfte von ihnen (141) blieb mehr als drei Stunden in Gewahrsam.

In 56 Fällen wurden Medienschaffende mit Gewalt an ihrer Arbeit gehindert: entweder bei der Festnahme sowie in Gewahrsam, oder auf Demonstrationen, wo Sicherheitsleute mit Schlagstöcken gegen Medienschaffende vorgingen und gezielt Kameras zerstörten. Vor allem die ersten Protestwochenenden im August waren von brutaler Gewalt gegen Journalistinnen und Journalisten gekennzeichnet.

RSF entsperrt blockierte Internetseiten

Insbesondere während Protestaktionen wird der Internetzugang der Bevölkerung immer wieder ganz oder teilweise unterbrochen. Zwischenzeitlich sperrte das Informationsministerium mehr als 70 Webseiten, um die Menschen von unabhängigen Informationen abzuschneiden. Gestern (20.10) urteilte ein Gericht in Minsk, der populäre Telegram-Kanal Nexta Live verbreite extremistisches Material und müsse blockiert werden. Dem Kanal folgen fast zwei Millionen Menschen, auch viele ausländische Journalistinnen und Journalisten nutzen dort das verbreitete Material als Quelle.

Im Rahmen der Aktion Collateral Freedom hat RSF die Seiten dreier belarusischer Medien gespiegelt und damit wieder zugänglich gemacht. Sie wurden kopiert und in der Cloud großer Serveranbieter abgelegt, die Kopien können nun nicht mehr einzeln durch die belarusischen Behörden gesperrt werden. Konkret geht es dabei um folgende Seiten: Masheka.by, das wichtigste Nachrichtenportal der Stadt Mogiljow im Osten des Landes; den Witebski Kurier, eine unabhängige Nachrichtenseite aus der Stadt Witebsk sowie Tribuna, eine Seite, die sich ausschließlich Sportnachrichten widmet.

Das Nothilfe-Referat von Reporter ohne Grenzen unterstützt unter anderem die Initiative Media Solidarity Belarus und ist mit einzelnen Journalistinnen und Journalisten in Kontakt, die nach Festnahmen oder Polizeigewalt Hilfe benötigen.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Belarus auf Platz 153 von 180 Staaten.



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