Ägypten
14.11.2013
Mit Ende des Ausnahmezustands muss auch die Unterdrückung der Pressefreiheit ein Ende haben
Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert die ägyptische Regierung auf, mit der heute in Kraft tretenden Aufhebung des Ausnahmezustands auch ihre Repressionen gegen Journalisten und Medien zu beenden. Seit dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi sind Journalisten in dem Land Militärprozessen, willkürlichen Festnahmen und Misshandlungen in Haft ausgesetzt. Mehrere Medien, die den Muslimbrüdern nahestehen oder den Kurs der vom Militär eingesetzten Übergangsregierung kritisierten, sind nach wie vor verboten. Selbst höchste Stellen diffamieren ausländische Journalisten und Medien öffentlich als vermeintlich tendenziös und feindlich gesinnt.
ROG-Geschäftsführer Christian Mihr forderte die sofortige Freilassung aller Journalisten, die in Ägypten wegen der Ausübung ihres Berufs festgehalten werden. „Willkürliche Verhaftungen, Misshandlungen und Militärprozesse gegen Journalisten sind unvereinbar mit der versprochenen politischen Normalisierung“, sagte Mihr. „Mehrere aktuelle Gesetzesvorhaben lassen befürchten, dass die ägyptische Regierung die Pressefreiheit und andere Grundrechte dauerhaft aushöhlen will.“
Besorgniserregend ist mit Blick auf die Meinungsfreiheit vor allem das geplante Anti-Terrorismus-Gesetz. Der Entwurf des Innenministeriums definiert Terrorismus so vage, dass darunter auch Aktivitäten friedlicher Oppositions- oder Menschenrechtsgruppen verstanden werden können. Zugleich sieht er bis zu fünf Jahre Haft für entsprechende Veröffentlichungen vor, weshalb ägyptische Menschen- und Bürgerrechtler durch die Novelle auch die Medienfreiheit bedroht sehen.
Hintergrund solcher Warnungen ist ein offizieller Diskurs, der die Muslimbruderschaft und andere Kritiker der derzeitigen Machthaber seit drei Monaten gezielt in die Nähe des Terrorismus rückt. Zugleich hintertreibt das geplante Gesetz die positiven Ansätze des mit der Überarbeitung der Verfassung beauftragten Ausschusses: Dieser will unter anderem verbieten, dass Journalisten wegen ihrer Veröffentlichungen festgenommen werden. Außerdem plädiert der Ausschuss dafür, die Lizenzpflicht für Zeitungen abzuschaffen.
Wie dringend nötig solche Änderungen sind, zeigt die Anfang dieser Woche bekanntgewordene Einleitung von Strafermittlungen gegen den ehemaligen Chefredakteur der Zeitung Al-Masry Al-Youm, Magdy Al-Galad, sowie gegen einen weiteren Journalisten des Blattes, Mohamed Al-Sanhoury. Beide werden wegen eines Interviews von Januar 2012, in dem ein Richter Kritik an der Justiz geübt hatte, der üblen Nachrede verdächtigt.
Mindestens drei Journalisten wurden seit dem Sturz Mursis von Militärgerichten verurteilt: Hatem Abou el-Nour von der Tageszeitung Al-Watan, erhielt ein Jahr Haft, weil er sich bei Telefonrecherchen als Angehöriger des Militärs ausgegeben habe. Der freie Journalist Mohamed Sabry wurde zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, nachdem man ihm beim Fotografieren in einem Militärgebiet im Nordsinai verhaftete. Ähnlich wie er hatte auch Ahmad Abu Deraa, Korrespondent für Al-Masry Al-Youm, über die Aktivitäten der Armee auf dem Sinai berichtet. Er wurde nach wochenlanger Untersuchungshaft zu sechs Monaten Gefängnis auf Bewährung sowie einer Geldstrafe verurteilt.
Seit fast drei Monaten ist Metin Turan in ägyptischer Haft, ein Korrespondent des türkischen Fernsehsenders TRT. In einem Brief an den ägyptischen Ministerpräsidenten Hazem Al-Beblawi äußerte sich der türkische Presserat Anfang dieser Woche besorgt über den Gesundheitszustand des Journalisten, der unter sehr schlechten Bedingungen festgehalten werde. Vor dem Hintergrund der angespannten Beziehungen zwischen beiden Ländern wurden auch mehrere andere türkische Journalisten festgenommen, kamen aber jeweils nach kurzer Zeit frei.
Ebenfalls seit Mitte August sind der Al-Jazeera-Journalist Abdallah Al-Shami und der Fotograf Mahmoud Abou Zied (Demotix, Corbis) in Haft, schon einen Monat länger Mohamed Badr vom Fernsehsender Al-Jazeera Mubasher. Immer wieder werden Journalisten kurzzeitig festgenommen und in Gewahrsam misshandelt. Auch Anhänger der Muslimbruderschaft haben bei Demonstrationen verschiedentlich Journalisten angegriffen oder bedroht.
Offenbar teils aus Erschrecken über die repressiven Tendenzen auch unter Mursis einjähriger Regierung leisten nicht nur staatliche, sondern auch viele private Medien dieser Entwicklung ihrerseits Vorschub, indem sie die Rhetorik von Militär und Regierung unhinterfragt übernehmen, Proteste der Opposition verschweigen und Kritiker kaum noch zu Wort kommen lassen.
Dies illustrieren etwa die Turbulenzen um die populäre Fernsehsendung El Bernameg des Satirikers Bassem Youssef. Nach einer Folge vom 26. Oktober, in der er den kollektiven nationalistischen Taumel zugunsten der Armee aufs Korn nahm, distanzierte sich sein eigener Sender CBC von Youssef und nahm die Sendung unter Hinweis auf angebliche Vertragsstreitigkeiten aus dem Programm.
In der ROG-Rangliste der Pressefreiheit steht Ägypten auf Platz 158 von 179 Ländern. Aktuelle Meldungen zur Lage der Journalisten und Medien in Ägypten finden Sie hier.
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