Neue EU-Kommission
26.09.2019
Ungarischen Kandidaten ablehnen
Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert das Europäische Parlament auf, der Ernennung des ehemaligen ungarischen Justizministers László Trócsányi zum Kommissar für Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik nicht zuzustimmen und die weiteren Kandidatinnen und Kandidaten kritisch auf ihre Einstellung zur Pressefreiheit zu prüfen. Die Anhörungen der designierten Kommissarinnen und Kommissare im Parlament sollen Ende des Monats beginnen.
„Es fällt schwer zu glauben, dass László Trócsányi als Erweiterungskommissar bei Beitrittskandidatenländern Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit und Medienpluralismus einfordern wird. An Ländern wie Bulgarien und Malta sehen wir, wie fatal es ist, wenn diese Themen in Beitrittsverhandlungen stiefmütterlich behandelt werden“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Es ist zwar gut, dass Ursula von der Leyen eine Vizepräsidentin einsetzen will, zu deren Portfolio auch Pressefreiheit gehören soll. Doch einen Architekten des illiberalen Ungarns mit der Erweiterungspolitik zu betrauen, sendet in Zeiten, in denen die Pressefreiheit auch in der EU zunehmend unter Druck gerät, das völlig falsche Signal aus.“
Die künftige EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hat die Tschechin Věra Jourová als Vizepräsidentin für Werte und Transparenz vorgesehen. In einem Brief an Jourová erklärte von der Leyen, zu den Aufgaben der designierten Vizepräsidentin solle es gehören, gegen Desinformation sowie für Medienpluralismus zu kämpfen und so die europäische Demokratie zu stärken. Jourová hat in der noch bis 31. Oktober amtierenden Kommission das Justizressort inne. ROG bestärkt sie darin, ihr zukünftiges Amt mit derselben Unabhängigkeit und Integrität auszufüllen, die sie in ihrem bisherigen Amt demonstriert hat.
Zur künftigen Sicherung der Pressefreiheit in der Europäischen Union plädiert ROG für die Einführung einer regelmäßigen Evaluation der Pressefreiheit in allen EU-Mitgliedstaaten auf der Grundlage unabhängiger Berichte. Auf dieser Basis könnten länderspezifische Empfehlungen und gegebenenfalls Sanktionen ausgesprochen werden. Bei der Verletzung von Grundrechten von Medienschaffenden und insbesondere bei Gewalttaten sollten Nichtregierungsorganisationen sowie Aktivistinnen und Aktivisten die Möglichkeit haben, die Europäische Kommission direkt anzurufen und auf schnelle Intervention bei den zuständigen nationalen Behörden zu drängen.
Die EU sollte sich zudem die Kompetenz geben, Personen, die für schwerwiegende Verletzungen der Pressefreiheit und Gefährdungen der Sicherheit von Medienschaffenden in Drittstaaten verantwortlich sind, mit individuellen Sanktionen zu belegen.
Um einen besseren Schutz der freien Kommunikation und des freien Informationsaustauschs im Internet sowie einen besseren Schutz vor Angriffen von Trollarmeen zu gewährleisten, sollten die EU-Mitgliedstaaten der Einladung von ROG folgen, sich der Erklärung für Information und Demokratie anzuschließen, die ROG im November 2018 ins Leben gerufen hat. Sie wird inzwischen von rund 20 Staatsregierungen unterstützt.
Zudem ruft ROG die Europäische Union auf, die Journalism Trust Initiative zu unterstützen. Diese Initiative soll dem Phänomen der Desinformation etwas entgegensetzen, indem sie die Vertrauenswürdigkeit von Online-Medien mit einer Reihe eigens entwickelter, einheitlicher Indikatoren hinsichtlich Transparenz, redaktioneller Unabhängigkeit, journalistischer Methoden und journalistischer Ethik bewertet.
Ferner sollten Online-Plattformen mit EU-weiter Gesetzgebung stärker in die Verantwortung genommen werden, um die sogenannten Informationsintermediäre wie Facebook, Google und Twitter stärkeren Transparenz- und Informationspflichten zu unterwerfen.
Alle diese Themen sollten bereits während der anstehenden Anhörungen der designierten EU-Kommissarinnen und Kommissare von den Abgeordneten des Europäischen Parlaments angesprochen werden, die Ende des Monats beginnen. Am 23. Oktober kann das Europäische Parlament dann auf der Grundlage der Anhörungen die neue Kommission als Ganzes bestätigen oder ablehnen. Neben Trócsányi und Jourová sollten die Parlamentarierinnen und Parlamentarier die erwähnten Themen vor allem mit Margrethe Vestager (vorgesehen für Digitales und Wettbewerb), Didier Reynders (Justiz), Sylvie Goulard (Digitaler Binnenmarkt) und Josep Borrell (Außen- und Sicherheitspolitik) diskutieren.
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