12.06.2013

Pressegespräch zum Weltflüchtlingstag: Die Flucht ist nur der Anfang – Journalisten im Exil berichten

© ddpimages

Für Journalisten aus Kriegsländern und Diktaturen ist die Flucht manchmal der letzte Ausweg. Doch im Ausland stehen sie vor neuen Problemen: Oft sind es die  Nachbarländer, die die Geflohenen aufnehmen. Aber dort sind diese häufig nicht vor der Verfolgung durch die Behörden ihrer Heimat sicher. Deshalb wenden sich zum Beispiel  iranische Journalisten in der Türkei an Reporter ohne Grenzen (ROG), um in Deutschland aufgenommen zu werden.

Journalisten auf der Flucht können in der Regel ebenso wenig wie andere Flüchtlinge von einem geordneten Aufnahmeverfahren profitieren. Sie müssen auf eigene Faust ihren Weg in die EU oder nach Deutschland suchen, um  Asyl zu beantragen. Hier angekommen erwartet sie zumeist ein langwieriges Aufnahmeverfahren. Währenddessen leben sie isoliert in Asylbewerberheimen, dürfen in der Regel nicht ohne Erlaubnis das jeweilige Bundesland verlassen und können deshalb nur eingeschränkt ihre Arbeit fortsetzen.

ROG hilft Journalisten, in  Deutschland unbürokratisch Schutz zu finden.
Im Asylverfahren hat das ROG-Referat für Nothilfe und Flüchtlingsarbeit schon oft dazu beigetragen, dass sie als politische Flüchtlinge anerkannt werden. Mit Workshops, Newslettern und einem geplanten Mentorenprogramm unterstützt ROG die in der Arbeitsgruppe „Journalisten im Exil“ zusammengeschlossenen Kollegen bei der beruflichen Wiedereingliederung und hilft ihnen, ihre Anliegen öffentlich zur Sprache zu bringen.

ROG hat seit Beginn dieses Jahres bis zum 31. Mai insgesamt 31 Anfragen von Journalisten und Bloggern in Notsituationen erhalten. Sie beinhalteten Anwalts- oder Arztkosten, Unterstützung für Angehörige, Flüchtlings- oder Integrationshilfen. Sechs Anfragen kamen von Journalisten aus dem Iran. Das ROG-Nothilfereferat ist desweiteren mit asylsuchenden Medienschaffenden aus Afghanistan, Bahrain und Syrien im Kontakt.

Zwei Tage vor dem Weltflüchtlingstag berichten drei in Deutschland im Exil lebende Journalisten aus Afghanistan, Bahrain und Iran in einem PRESSEGESPRÄCH über ihre Erfahrungen während und nach der Flucht aus ihren Heimatländern.


GESPRÄCHSPARTNER:

NASTARAN NAWRAS, Journalistin aus Afghanistan:
Die heute 29-jährige afghanische Journalistin Nastaran Nawras arbeitete als Journalistin in Mazar-e-Sharif im nördlichen Teil des Landes für den Radio- und Fernsehsender Arezu. Als sie über die Zahl der Opfer islamistischer Anschläge unter der Zivilbevölkerung recherchierte, wurde sie massiv bedroht und musste im September 2012 Afghanistan verlassen. In Deutschland stellte sie einen Asylantrag und wartet seitdem auf eine Entscheidung in ihrem Verfahren. Sie lebt in einem Wohnheim für Flüchtlinge in Brandenburg.


„Ich bin seit neun Monaten hier. Obwohl ich weit weg von meinem Land und meiner Familie lebe, sehe ich meine sichere Zukunft in Deutschland. Dieses Land ist inzwischen meine zweite Heimat geworden. Ich lerne Deutsch und hoffe, dass ich irgendwann meinen Beruf fortführen kann. Ich liebe meinen Beruf und es ist für mich nicht wichtig, ob ich den Menschen in diesem Land diene oder in Afghanistan. Ich hoffe auf eine baldige Bewilligung meines Asylantrags, damit diese unsichere Zeit  für mich zu Ende ist.



YUSUF OMRAN ABDULLAH, Blogger aus Bahrain:
Der heute 31-jährige Online-Aktivist berichtete während des Arabischen Frühlings regelmäßig per Twitter und Facebook über die politischen Protestbewegungen in Bahrain und der gesamten Golfregion. Dank seiner Informationen konnten Fernsehsender über diese Proteste berichten. Über soziale Netzwerke erhielt Abdullah ernstzunehmende Drohungen von Seiten regimetreuer religiöser Kräfte in Bahrain. Deshalb musste er fliehen und stellte im November 2012 einen Asylantrag in Deutschland. Er lebt in einer Flüchtlingsunterkunft in der Nähe von Pirmasens (Rheinland-Pfalz).

„Die deutschen Behörden haben mich in einem abgelegenen Dorf untergebracht. Ich fühle mich isoliert und leide darunter, dass ich nicht bloggen und produktiv sein kann. Mein Asylantrag kommt seit Monaten nicht voran. Im Asylbewerberheim gibt es keine Privatsphäre, man kann dort nicht einmal seine Schlafenszeiten selbst bestimmen. Manchmal machen Krankheiten die Runde und auch die verschiedenen Kulturen bereiten mir Probleme.“

EHSAN MEHRABI, Journalist aus dem Iran:
Der heute 38-jährige Iraner arbeitete im Iran 15 Jahre lang als Parlamentskorrespondent, unter anderem für die Tageszeitung Etemade Melli. Er berichtete über die Proteste gegen das Ergebnis der umstrittenen Präsidentenwahl im Juni 2009 und gab dazu auch der persischen Redaktion der BBC Interviews. Im Februar 2010 wurde er verhaftet und wegen seiner Zusammenarbeit mit ausländischen Medien zu einer einjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Im Mai 2010 kam Mehrabi auf Kaution frei, wurde aber im Januar 2011 erneut inhaftiert. Nach seiner Haftentlassung im Oktober 2011 entschloss er sich, in die Türkei zu fliehen. Dort musste mit seiner Ehefrau nahe der syrischen Grenze unter schwierigen Bedingungen auf den Abschluss seines Asylverfahrens beim UN-Flüchtlingshilfswerk UNCHR warten. Nachdem ihm die Bundesregierung aus humanitären Gründen die Aufnahme gewährte, lebt das Ehepaar seit Februar 2013 in Berlin.
 
„Nach der Ablehnung unseres Asylantrags in der Türkei konnten wir dort nur in der Grenzstadt Mardin leben. Diese Zwangsumsiedlung hat uns sehr viel Kraft und Nerven gekostet. Trotz aller Schwierigkeiten, die ich im Iran in meinem Beruf erlebt habe, möchte ich weiterhin als Journalist arbeiten. Noch schreibe ich auf Persisch und ich habe einen weiten Weg vor mir, um die deutsche Sprache zu beherrschen. Aber ich will und werde diesen Weg gehen.“

Das Gespräch findet am Dienstag, 18. Juni 2013, von 11.00 bis 12.00 Uhr
bei Reporter ohne Grenzen, Brückenstr. 4, 10179 Berlin, teils auf Englisch, teils auf Persisch mit deutscher Übersetzung statt. Bitte melden Sie sich unter rog@reporter-ohne-grenzen.de an.

Den jüngsten Newsletter der ROG-Arbeitsgruppe „Journalisten im Exil“ finden Sie hier. Informationen und Hilfestellungen für Journalisten im Exil bieten die „Guidelines for exiled journalists“.


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