Jahresbilanz der Pressefreiheit
Inhaftierte, entführte oder verschwundene Journalisten zum Jahresende 2016
Die Repressionswelle seit dem Putschversuch in der Türkei hat die Zahl der weltweit inhaftierten Journalisten im Jahr 2016 deutlich in die Höhe getrieben. Das geht aus dem ersten Teil der Jahresbilanz der Pressefreiheit hervor, den Reporter ohne Grenzen am 13. Dezember veröffentlicht hat.
Weltweit saßen zum Stichtag 1. Dezember mindestens 348 Medienschaffende wegen ihrer Arbeit im Gefängnis, sechs Prozent mehr als vor einem Jahr – die meisten von ihnen in der Türkei, in China, Syrien, Ägypten oder dem Iran. Darunter waren neben 187 professionellen Journalisten auch 146 Blogger und Bürgerjournalisten sowie 15 sonstige Medienmitarbeiter. Entführt waren weltweit 52 Medienschaffende – und zwar ausnahmslos in Syrien, im Jemen oder im Irak. 21 von ihnen befanden sich in der Gewalt der Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat".
"Die Hexenjagd gegen Journalisten in der Türkei sprengt alle bekannten Dimensionen", sagte ROG-Vorstandssprecherin Britta Hilpert. "Dass die Türkei, die ja immer noch EU-Beitrittskandidat ist, in einer Reihe mit notorischen Feinden der Pressefreiheit wie den Regimen in China, Syrien und dem Iran findet, ist bezeichnend für das drastische Vorgehen der türkischen Behörden gegen die Pressefreiheit. Die hohe Zahl entführter Journalisten in Syrien, dem Irak und dem Jemen zeigt einmal mehr, dass die unabhängige Berichterstattung stets zu den ersten Opfern eines Krieges gehört."
Mehr als 100 Journalisten in der Türkei im Gefängnis
Allein in den Gefängnissen der Türkei saßen Ende 2016 weit über 100 Journalisten. Bei 41 von ihnen war nach sorgfältiger Prüfung durch ROG ein Zusammenhang der Haft mit ihrer journalistischen Tätigkeit eindeutig. Bei Dutzenden weiteren war er nicht auszuschließen, ließ sich aber zunächst nicht mit Sicherheit feststellen. Denn oft erfahren selbst die Verhafteten und ihre Anwälte über längere Zeit nicht, was genau die Justiz ihnen zur Last legt.
Daneben war China das Land weltweit mit den meisten Medienschaffenden, die wegen ihrer Arbeit im Gefängnis saßen. Zum Stichtag waren es mindestens 103, darunter 81 Blogger und Bürgerjournalisten. In Ägypten waren mindestens 27 Journalisten wegen ihrer Arbeit in Haft: Das Regime von Präsident Abdelfattah al-Sisi geht gnadenlos gegen jeden vor, der – oft auf sehr zweifelhafter Grundlage –verdächtigt wird, in Kontakt zur Muslimbruderschaft zu stehen.
In Syrien saßen mindestens 28 Journalisten, Bürgerjournalisten und Medienmitarbeiter wegen ihrer Arbeit in den Gefängnissen des Regimes von Präsident Baschar al-Assad. Auch ihre Kollegen im Iran werden ausspioniert, verfolgt, verhört und unter oft erbärmlichen Haftbedingungen eingesperrt: Mindestens 24 saßen dort wegen ihrer Tätigkeit im Gefängnis.
Allein in Mossul zehn Medienschaffende entführt
Allein in der Millionenstadt Mossul im Irak hielten IS-Kämpfer seit fast zwei Jahren zehn Journalisten und Medienmitarbeiter in ihrer Gewalt. Mindestens 15 weitere waren Geiseln der Huthi-Rebellen im Jemen, die meisten von ihnen seit mehr als einem Jahr. Die weitaus meisten (89 Prozent) der Entführten kamen aus den jeweiligen Ländern selbst. Darunter waren viele freie Journalisten, die gegen geringe Bezahlung große Risiken bei der Berichterstattung auf sich nehmen.
Ein Journalist ist 2016 verschwunden: Von Jean Bigirimana fehlt jede Spur, seit er Ende Juli in Burundi in Gewahrsam von Geheimdienstbeamten gesehen wurde.
Um die Verantwortlichen für solche Verbrechen endlich zur Rechenschaft zu ziehen und den verheerenden Kreislauf der Straflosigkeit zu durchbrechen, wirbt Reporter ohne Grenzen bei den Vereinten Nationen intensiv für die Einsetzung eines UN-Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalisten. Dieser sollte die Bemühungen der verschiedenen UN-Institutionen zum Schutz von Journalisten koordinieren, die bestehende völkerrechtliche Vorschriften durchsetzen und auf diese Weise die Zahl von Übergriffen und Gewaltakten gegen Journalisten endlich wirksam verringern.
Schon jetzt gibt es zwar eine ganze Reihe von UN-Resolutionen für einen besseren Schutz für Journalisten vor allem in Konfliktgebieten; sie hatten aber bislang kaum konkrete Auswirkungen auf die Lage der Betroffenen.
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