Ägypten
03.11.2022
Alaa läuft Gefahr, im Gefängnis zu sterben
Seit 200 Tagen ist Alaa Abdel Fattah im Hungerstreik. Der bekannte britisch-ägyptische Blogger und Aktivist protestiert damit gegen die unmenschlichen Zustände im Gefängnis. Abdel Fattah steht seit Jahren im Fokus der ägyptischen Justiz, 2019 wurde er wegen der angeblichen Verbreitung von Falschnachrichten zu fünf Jahren Haft verurteilt. Nun hat er angekündigt, ab 6. November, dem Beginn der Weltklimakonferenz COP27 in Ägypten, nicht einmal mehr Wasser zu trinken. Reporter ohne Grenzen (RSF) appelliert dringend an die internationale Gemeinschaft, sich für das Schicksal des Bloggers einzusetzen.
„Alaa Abdel Fattah läuft Gefahr, im Gefängnis zu sterben“, sagte RSF-Vorstandssprecher Michael Rediske. „Die ägyptischen Behörden haben schon lange deutlich gemacht, dass es ihnen egal ist, ob Abdel Fattah lebt oder stirbt. Es liegt an der Regierung in Großbritannien, dessen Staatsbürgerschaft der Blogger hat, jetzt den Druck zu erhöhen. Alaa Abdel Fattah muss freikommen.“
Eine Stimme, die man zum Schweigen bringen will
Der Programmierer und Blogger Alaa Abdel Fattah stammt aus einer bekannten Dissidentenfamilie und war eine der führenden Stimmen der Proteste von 2011, welche die Mubarak-Regierung nach drei Jahrzehnten an der Macht stürzten. Zum ersten Mal verhaftet wurde er am 30. Oktober 2011 wegen eines kritischen Artikels über das sogenannte Maspero-Massaker. In der Nähe des riesigen, „Maspero“ genannten Fernsehgebäudes in Kairo hatte die Armee am 9. und 10. Oktober 2011 26 koptische Demonstrierende getötet. Am 28. November 2013 wurde Abdel Fattah erneut verhaftet und zu fünf Jahren Haft verurteilt. Im März 2019 kam er teilweise frei, musste sich aber jahrelang jeden Abend in einer Polizeistation im Stadtteil Dokki melden und dort die Nacht verbringen. Nur wenige Monate später, im September 2019, wurde er jedoch erneut verhaftet und zu weiteren fünf Jahren Haft verurteilt. Seitdem sitzt er hinter Gittern.
Abdel Fattah erhielt dank der Staatsangehörigkeit seiner Mutter im April 2022 die britische Staatsbürgerschaft. Er forderte die britische Regierung wiederholt auf, in seinem Fall zu intervenieren. Mehrere britische Regierungsbeamte erklärten öffentlich, dass sie den Fall bei ägyptischen Beamten zur Sprache gebracht haben, darunter die ehemalige Premierministerin Liz Truss. Seine Schwester Sanaa Seif hält derzeit einen 20-tägigen Sitzstreik vor dem Außenministerium in London ab, der noch bis zum Beginn der Klimakonferenz andauern soll. Aus der höchsten britischen Politik hat jedoch noch niemand Solidarität gezeigt und Seif besucht.
In Ägypten wiederum hat die Regierung Abdel Fattahs Hungerstreik immer wieder heruntergespielt oder gar geleugnet. Seine ältere Schwester Mona Seif beschuldigte die Behörden, Berichte über den Gesundheitszustand ihres Bruders zu fälschen, und forderte sie mehrfach auf, Bilder aus seiner Gefängniszelle zu veröffentlichen. Als sie die Nachricht von der drastischen Entscheidung ihres Bruders erhielt, schrieb sie auf Facebook: „Alaa hat diesen Kampf bereits gewonnen. Wenn er es lebend herausschafft […], hätte er es nur mit seinem Körper und seinen Worten geschafft. Wenn er es nicht schafft und im Gefängnis stirbt, wird sein Körper der ganzen Welt sagen, was für eine Bande von Lügnern ihr alle seid: rücksichtslose, unmenschliche Kreaturen, denen man keine einzige Pflanze anvertrauen sollte, geschweige denn Menschen und die Zukunft dieses Planeten.“
Eine Botschaft des ägyptischen Präsidenten im Vorfeld der Klimakonferenz
Das Regime in Kairo zeigt derweil, was es von der Pressefreiheit hält. Am 24. Oktober meldete sich Präsident Abdel Fattah Al Sissi in einer Talkshow des Senders Al Oula. Er war über eine Äußerung eines Oppositionsmitglieds dermaßen verärgert, dass er eine Stunde und 18 Minuten lang ohne Unterbrechung den Moderator über die Rolle der Medien belehrte und seinen Kritikerinnen und Kritikern unverhohlen drohte – ein eines Präsidenten unwürdiges Schauspiel. Wenige Tage vor der COP27 verhafteten die ägyptischen Behörden eine weitere Journalistin. Manal Adschrameh, stellvertretende Chefredakteurin des renommierten Wochenmagazins Al-Iza'a wa al-Television (Radio und Fernsehen), wurde am Morgen des 1. November aus unbekannten Gründen in ihrer Wohnung festgenommen.
Neben Adschrameh sitzen derzeit 22 weitere Medienschaffende in ägyptischen Gefängnissen, die meisten von ihnen ohne Gerichtsverfahren und weil sie der „Verbreitung von Fake News“ oder der „Mitgliedschaft in illegalen Organisationen“ beschuldigt werden. Im Juni veröffentlichte RSF einen Bericht mit dem Titel „Sisis Marionetten“, der zeigt, wie das Regime führende regierungsfreundliche Fernsehmoderatoren und staatlich kontrollierte Medien in Ägypten dazu benutzt, Verleumdungskampagnen gegen die wenigen Journalisten und Journalisten, die der Regierung noch kritisch gegenüberstehen, zu führen.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Ägypten auf Platz 168 von 180 Staaten.
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