Ägypten
27.10.2021
Schwerkranke Journalisten angemessen versorgen
Reporter ohne Grenzen (RSF) beobachtet mit wachsender Sorge, dass die ägyptischen Behörden drei inhaftierten Journalistinnen und Journalisten eine angemessene medizinische Versorgung verweigern. Hischam Abdel Aziz, Amer Abdel Moneim und Alia Awad sind schwer erkrankt und müssen sofort freigelassen und behandelt werden. Die verzweifelten Bitten ihrer Familien haben die ägyptischen Behörden bisher ignoriert.
„Wir fordern die Behörden auf, endlich Menschlichkeit zu zeigen und die beiden Journalisten sowie die Journalistin freizulassen. Ihr jeweiliger Gesundheitszustand ist mit einer Inhaftierung nicht zu vereinbaren“, sagt RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Wenn die Justiz sich schon weigert, den willkürlichen Charakter dieser Haftstrafen anzuerkennen, sollte sie ihnen zumindest eine angemessene medizinische Versorgung ermöglichen. Die Zustände in ägyptischen Gefängnissen sind unmenschlich und schon für gesunde Menschen kaum zu ertragen.“
Nach RSF-Informationen leidet Hischam Abdel Aziz, ein Fernsehjournalist für Al-Dschasira, unter ernsthaften Sehproblemen. Er ist seit Juni 2019 inhaftiert. Bereits vor seiner Verhaftung litt er an Glaukomen auf beiden Augen, einer Schädigung des Sehnervs und erhöhter Augeninnendruck. Ohne angemessene Behandlung könnte er im schlimmsten Fall erblinden.
Der seit Dezember 2020 inhaftierte Zeitungsredakteur Amer Abdel Moneim ist seit Jahren an Diabetes erkrankt. Die Behörden verweigerten ihm Hygieneartikel. Wie RSF vom Ägyptischen Netzwerk für Menschenrechte erfuhr, ist darunter auch das Desinfektionsmittel, das Abdel Moneim für seine Insulinspritzen benötigt.
Der Gesundheitszustand von Alia Awad, einer seit Oktober 2017 inhaftierten Fotojournalistin, ist äußerst besorgniserregend. Nachdem bei ihr ein Gebärmuttertumor diagnostiziert worden war, wurde sie zwar im Juni 2018 in ein Krankenhaus gebracht und operiert. Allerdings weigerten sich die Behörden, sie freizulassen. Seitdem hat sich der Gesundheitszustand der Journalistin nicht verbessert, sie leidet noch immer an Blutungen.
Gerichtliche Schikanen gegen zwei bekannte Blogger
Ebenfalls alarmierend ist der Gesundheitszustand von Alaa Abdel Fattah und Mohamed „Oxygen“ Ibrahim. Die beiden Blogger sitzen seit September 2019 in Präventivhaft. Ihre Fälle wurden am 19. Oktober 2021 an das Staatssicherheitsgericht verwiesen und könnten sich dort noch viele Wochen hinziehen. Die gerichtlichen Schikanen haben sich bei beiden stark auf die psychische Gesundheit ausgewirkt. Oxygen hat im August versucht, sich das Leben zu nehmen. Abdel Fattah hat im vergangenen Monat gegenüber seinem Anwalt erklärt, er bezweifle, dass er die Haftbedingungen noch lange ertragen könne. Alaa Abdel Fattah hat den größten Teil der vergangenen zehn Jahre in ägyptischen Gefängnissen verbracht, wo er auch misshandelt wurde. Der Blogger ist Teil einer im Land sehr bekannten Familie von Oppositionellen. Neben Abdel Fattahs Vater Ahmad Seif saßen auch seine Schwestern Mona und Sanaa Seif in Haft. Alaa Abdel Fattah wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation, die Verbreitung von Falschnachrichten und der Missbrauch von sozialen Netzwerken vorgeworfen.
Das ägyptische Staatssicherheitsgericht ist ein Sondergericht, dessen Urteile nicht angefochten werden können. Nur Präsident Abdel Fattah al-Sisi kann veranlassen, seine Urteile aufzuheben. Doch angesichts der drakonischen Unterdrückung der unabhängigen Presse erscheint das in höchstem Maße unwahrscheinlich. In Ägypten sitzen weltweit mit die meisten Medienschaffenden im Gefängnis – entweder in jahrelanger Untersuchungshaft, die an die psychische und physische Gesundheit geht, oder durch Urteile in Massenprozessen, die keinen rechtsstaatlichen Standards genügen. Ob sich durch die Aufhebung des jahrelangen Ausnahmezustands daran etwas ändern wird, bleibt abzuwarten. Bis heute sind hunderte Webseiten gesperrt, immer mehr Menschen werden wegen ihrer Posts in den sozialen Netzwerken verfolgt und angeklagt.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Ägypten auf Platz 161 von 180 Staaten.
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