Äthiopien
28.08.2014
ROG fordert Freilassung äthiopischer Journalisten
Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert die sofortige Freilassung mehrerer Medienschaffender in Äthiopien. Drei Journalisten und sechs Blogger sitzen seit 125 Tagen im Gefängnis. Der Prozessbeginn gegen die Inhaftierten sowie eine im Exil lebende Bloggerin wurde mehrfach verschoben. Ursprünglich wurden die Journalisten mit Verweis auf das äthiopische Anti-Terror-Gesetz inhaftiert, das bereits in der Vergangenheit missbraucht wurde, um Bürger festzuhalten. Die Staatsanwaltschaft klagte sie am 17. Juli schließlich wegen „terroristischer Handlungen“ an.
„Der Umgang der äthiopischen Behörden mit den Journalisten ist ein Skandal“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die monatelange Inhaftierung und vor allem die nebulöse Anklage unter dem Anti-Terror-Gesetz von 2009 zeigen, dass es den Behörden einzig darum geht, frei denkende Journalisten einzuschüchtern und kritische Stimmen in den Medien zum Schweigen zu bringen.“
Die insgesamt neun Journalisten wurden am 25. und 26. April dieses Jahres festgenommen und am 27. April einem Richter vorgeführt. Ihnen wurde zunächst vorgeworfen, Kontakte zu ausländischen Gruppen zu unterhalten und von ihnen Gelder mit dem Ziel erhalten zu haben, die Öffentlichkeit über die sozialen Medien zur Gewalt aufzustacheln. Bei den Bloggern handelt es sich um Atnaf Berhane, Mahlet Fantahun, Befekadu Hailu, Abel Wabella, Natnail Feleke und Zelalem Kibret. Die Zeitungsjournalisten sind Tesfalem Waldyes, Edom Kasaye, und Asmamaw Hailegiorgis.
Die Blogger haben in der Vergangenheit für den Blog Zone9 geschrieben, der sich als kritische Alternative zu den Darstellungen in den offiziellen Medien in Äthiopien sieht. Kurz nach seinem Start im Jahr 2012 wurde er innerhalb Äthiopiens jedoch blockiert und war fortan nur noch aus dem Ausland zugänglich. Während der vergangenen sieben Monate setzten die Blogger wegen massiver Drangsalierungen durch die äthiopischen Behörden ihre Aktivitäten schließlich ganz aus, begannen eine Woche vor ihrer Verhaftung jedoch wieder zu schreiben. Die drei Zeitungsjournalisten berichten wiederum für kritische Medien: Tesfalem Waldyes ist freier Mitarbeiter bei der Wochenzeitung Fortune und der Monatszeitschrift Addis Standard und hat auch für ausländische Medien wie das ZDF gearbeitet. Edom Kasaye schrieb ursprünglich für die Regierungszeitung Addis Zemen und begann später, Informationen über die sozialen Netzwerke wie Twitter zu verbreiten. Asmamaw Hailegiorgis ist leitender Redakteur bei der regierungskritischen Wochenzeitschrift Addis Guday.
Das Anti-Terror-Gesetz aus dem Jahr 2009
Die neun Journalisten sind seit April mit Verweis auf das Anti-Terror-Gesetz von 2009 inhaftiert, das es den Behörden ermöglicht, Bürger ohne offizielle Anklageerhebung insgesamt 80 Tage lang festzuhalten. Zwei geplante Gerichtstermine wurden jeweils verschoben, denn die Polizei hatte Schwierigkeiten, konkrete Beweise für die Anklage zu beschaffen. Am 17. bzw. 18. Juli wurden die Medienschaffenden schließlich wegen versuchten Regierungsumsturzes angeklagt. Die Anklage wirft ihnen Kontakte zu im Ausland ansässigen, äthiopischen Gruppierungen vor, die von der Regierung als Terrororganisation bezeichnet werden. Zu ihnen zählt die sogenannte Oromo Befreiungsbewegung, eine Rebellengruppe des Volkes der Oromo und Ginbot7, eine oppositionellen Gruppe, die sich nach den Protesten gegen die Wahlen 2007 gebildet hat. Sollten die Medienvertreter gemäß Artikel 3/7 des Anti-Terror-Gesetzes verurteilt werden, drohen ihnen Haftstrafen zwischen 15 Jahren und lebenslänglich. Sie könnten sogar zum Tode verurteilt werden.
Während der Haft wurden grundlegende Rechte der Journalisten missachtet. Die Anwälte der Verteidigung hatten wiederholt keinen Zugang zu den Mandanten. Mehrere Inhaftierte gaben zudem an, bei einer der gerichtlichen Anhörungen von der Polizei gefoltert worden zu sein.
Das Anti-Terror-Gesetz wurde auch schon in der Vergangenheit von der seit 1991 regierenden EPRDF (Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front) dazu benutzt, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Es erlaubt willkürliche Verhaftungen ohne begründeten Anfangsverdacht, gewährt der Staatsanwaltschaft weite Befugnisse und engt die Verteidigung in ihrem Handlungsspielraum stark ein. Ein faires, rechtsstaatliches Verfahren ist so nur sehr schwer zu garantieren. Mehrere Journalisten und Menschenrechtsaktivisten wurden mit Verweis darauf verhaftet.
Anfang August erst hat das Justizministerium in Addis Abeba angekündigt, Ermittlungen gegen sechs Wochenzeitungen aufzunehmen, weil sie angeblich Terrorismus befördern. Den teils regierungskritischen Medien wird vorgeworfen, „falsche Gerüchte zu verbreiten, um die Regierung zu stürzen“, „das öffentliche Vertrauen in die Regierung zu untergraben“ und „ethnische und religiöse Spaltungen voranzutreiben“.
Derzeit sind in Äthiopien insgesamt neun Journalisten und sechs Netzaktivisten in Haft. Auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit steht Äthiopien auf Platz 140 von 180 Ländern.
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