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Afghanistan

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 178 von 180
Afghanistan 22.02.2023

Andauernde Repressionen gegen Medien

Taliban-Kämpfer in Kabul. © picture alliance / EPA | STRINGER

Reporter ohne Grenzen (RSF) ist besorgt über die jüngste Welle der Repressionen gegen Medienschaffende und Medien in Afghanistan, darunter Festnahmen und Blockieren von Webseiten. Zudem wurde vergangene Woche eine Razzia bei dem Hauptsitz des Fernsehsenders Tamadon TV in Kabul durchgeführt. RSF fordert die Taliban auf, die inhaftierten Medienschaffenden freizulassen und die Pressefreiheit zu respektieren.

Am 14. Februar stürmten zehn bewaffnete Taliban den Hauptsitz des unabhängigen Fernsehsenders Tamadon TV in Kabul. Sie nahmen die Mitarbeitenden für mehr als 30 Minuten in Geiselhaft, schlugen einige von ihnen, beleidigten sie und warfen ihnen vor, dass sie „Informationen verbreiten, die den Interessen des Islamischen Emirats widersprechen“.

Nachdem sie mit dem Leiter von Tamadon TV gesprochen hatten, verließen die Taliban das Gebäude wieder, jedoch nicht ohne zwei Fahrzeuge des Fernsehsenders mitzunehmen. Sie drohten an, zurückzukommen. Der genaue Grund für die Razzia ist noch immer unklar, aber einer der Mitarbeitenden sagte gegenüber RSF, dass „die Leben der Tamadon-Journalistinnen und Journalisten in großer Gefahr sind“ und er selbst nicht mehr in seinem eigenen Haus lebe.

„Anders als nach ihrer Machtübernahme versprochen, halten sich die Taliban nicht an die Mediengesetze, die eine freie Berichterstattung garantieren. Wie zuletzt die Razzia gegen Tamadon TV und die neuesten Verhaftungen gezeigt haben, wird das Land für Medienschaffende immer gefährlicher. Die Taliban versuchen immer wieder, durch Einschüchterung kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen“, sagt RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Wir fordern, dass die Taliban die Mediengesetze respektieren und alle inhaftierten Medienschaffende freilassen.“

Es ist nicht das erste Mal, dass Druck auf Tamadon TV ausgeübt wird. Die Taliban hatten den Sender bereits gewarnt, dass seine Inhalte die von ihnen definierten islamischen Werte respektieren sollten und dass der Sender es vermeiden sollte, die Taliban-Regierung zu kritisieren. Während des letzten Ramadans vom 2. April bis zum 2. Mai 2022 hat der Geheimdienst den Sender angewiesen, keine Filme und Serien mehr auszustrahlen.

Festnahmen und Zensur

Die Razzia bei Tamadon TV ist Teil einer weiterreichenden Eskalation der Schikanen gegen Medienmitarbeitende. Auf die Festnahme von Zarghoon TV-Journalist Qotratullah Tarar in Chost am 11. November 2022 folgten innerhalb weniger Wochen weitere drei Festnahmen: Am 7. Januar der französisch-afghanische Journalist Mortaza Behboudi, am 9. Januar Khairullah Parhar, Journalist des Radio- und Fernsehsenders Enikass in der Provinz Nangarhar und am 14. Februar Mohammad Yaar Majroh, Journalist von ToloNews, einem der führenden TV-Sender Afghanistans. Mohammad Yaar Majroh wurde am 19. Februar nach 6 Tagen Haft freigelassen. Die anderen Journalisten sind weiterhin inhaftiert.

Radio Azadi, der lokale Ableger von Radio Free Europe/Radio Liberty, und der Sender Voice of America haben zudem vor zwei Wochen bekanntgegeben, dass die afghanische Regulierungsbehörde für Telekommunikation den Zugang zu ihren Webseiten blockiert hat. Die Taliban hatten bereits im vergangenen Dezember ein Sendeverbot gegen die beiden Sender ausgesprochen.

Geschrumpfte Medienlandschaft

Die Machtübernahme der Taliban im August 2021 hatte verheerende Auswirkungen auf die Medienlandschaft des Landes. Mehr als die Hälfte der 526 Medienunternehmen, die während der letzten zwei Jahrzehnten tätig waren, mussten schließen. Die Print-Medien werden mittlerweile uneingeschränkt von den Taliban kontrolliert und fast die Hälfte aller Radiosender hat ihren Betrieb eingestellt. Von den 30 Nachrichtenseiten, die in Afghanistan vor August 2021 existierten, wurden fast 60 Prozent geschlossen, die meisten mussten ins Ausland umziehen.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Afghanistan auf Platz 156 von 180.



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