Aserbaidschan
09.01.2019
Bekannter Blogger im Hungerstreik
Reporter ohne Grenzen ist in großer Sorge um den aserbaidschanischen Blogger Mehman Husejnow. Der bekannte Regimekritiker sitzt seit knapp zwei Jahren im Gefängnis und sollte eigentlich im März freikommen. Weil er angeblich einen Gefängniswärter angegriffen haben soll, drohen ihm nun weitere sieben Jahre Haft. Aus Protest gegen die neuen Anschuldigungen ist Husejnow seit Ende Dezember im Hungerstreik.
„Mehman Husejnow droht im Hungerstreik zu sterben. Für sein Schicksal sind die aserbaidschanischen Behörden verantwortlich. Die Justiz muss die absurden Anschuldigungen fallenlassen und Mehman Husejnow endlich freilassen“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die internationale Gemeinschaft darf nicht länger tatenlos zusehen, wie Präsident Alijew skrupellos Kritiker unterdrückt und straffrei davonkommt.“
Im Januar 2017 hatten Unbekannte Husejnow in der Hauptstadt Baku entführt und zu einer Polizeistation gebracht. Dort folterten ihn Polizisten mit Elektroschocks und schlugen ihn. Nachdem Husejnow öffentlich über die Folter durch Polizisten berichtet hatte, wurde er im März 2017 wegen Verleumdung von Beamten zu zwei Jahren Haft verurteilt und sitzt seither im Gefängnis.
Rund drei Monate bevor er im März 2019 eigentlich freikommen sollte, behaupteten die Gefängnisbehörden, Husejnow habe einen Aufseher geschlagen. Wegen der Vorwürfe drohen ihm im Falle einer Verurteilung weitere sieben Jahre Haft. Aus Protest gegen die neuen Anschuldigungen ist er in den Hungerstreik gegangen. Als seine Anwälte ihn am 28. Dezember besuchten, war er bereits so schwach, dass er ohne Hilfe nicht mehr gehen konnte. Inzwischen nimmt Husejnow wieder Flüssigkeit zu sich.
Husejnow ist einer der bekanntesten Blogger des Landes. Er erreichte mit seinem Satiremagazin Sancaq rund ein Drittel der Facebook-Nutzer in Aserbaidschan. In seinen Beiträgen gab er denen eine Stimme, die in den staatlich gelenkten Medien nicht zu Wort kamen. Er thematisierte die Prunksucht der Herrschenden und die Ausbeutung einfacher Arbeiter ebenso wie Korruption bei Beamten und Missstände in Krankenhäusern. Seit 2012 durfte er deshalb das Land nicht verlassen.
Investigativjournalistin zu Geldstrafe verurteilt
Neben Husejnow wurden rund um die Feiertage weitere unabhängige Journalisten aus Aserbaidschan Opfer von Repressionen durch das Alijew-Regime. Am 21. Dezember verurteilte ein Gericht in Baku die bekannte Investigativjournalistin Khadija Ismajilowa zu einer Geldstrafe von umgerechnet rund 23.000 Euro Steuergeldern, die das Baku-Büro von Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) während ihrer Zeit als Büroleiterin zwischen 2008 und 2010 angeblich nicht gezahlt haben soll. Die Vorwürfe sind absurd, denn Ismajilowa war finanziell nie verantwortlich für das RFE/RL-Büro, das als gemeinnützige Organisation zudem keine steuerrechtlichen Gewinne gemacht hat.
Ismajilowa ist durch ihre Recherchen über Vetternwirtschaft und Korruption der Familie von Aserbaidschans Präsident Ilcham Alijew international bekannt geworden. Im Mai 2016 wurde sie nach 18 Monaten im Gefängnis auf Bewährung freigelassen, jedoch darf sie das Land nicht verlassen. Erst kürzlich sagte Ismajilowa, sie sei vor einer erneuten Verhaftung gewarnt worden. Die Behörden sperrten zudem ihr Bannkonto, nachdem sie ihr eine vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angeordnete Entschädigung für willkürliche Haft überwiesen hatten.
Am 28. Dezember hat in Baku der Prozess gegen den Journalisten Anar Mammadov begonnen. Dem Redakteur der Seite Criminalaz.сom droht eine zwölfjährige Haftstrafe, unter anderem weil er angeblich den Umsturz der Regierung gefordert und falsche Informationen verbreitet haben soll.
Journalist entführt
Dass aserbaidschanische Journalisten auch im Nachbarland Georgien nicht sicher sind, zeigt der Fall des entführten Afgan Muchtarli, der heute seinen 45. Geburtstag feiert. Der damals im georgischen Exil lebende Journalist war am 29. Mai 2017 in der georgischen Hauptstadt Tiflis verschwunden und einen Tag später in Baku wieder aufgetaucht, wo er seitdem im Gefängnis sitzt. Mitte Januar 2018 verurteilte ihn ein Gericht in Aserbaidschan unter anderem wegen illegalen Grenzübertritts zu sechs Jahren Haft. Muchtarli war als scharfer Kritiker des Regimes von Präsident Alijew bekannt.
Georgien war in den vergangenen Jahren zum Zufluchtsort aserbaidschanischer Oppositioneller geworden, als das Regime in Baku immer härter gegen Kritiker vorging und bürgerliche Freiheiten beschnitt. Doch seit beide Länder in den letzten Jahren wirtschaftlich und politisch enger zusammengerückt sind, wächst der Druck auf Exil-Aserbaidschaner in Georgien.
Immer wieder wenden sich aserbaidschanische Journalisten mit der Bitte um Unterstützung an Reporter ohne Grenzen. Aserbaidschan gehört zu den Schwerpunktländern des ROG-Nothilfereferats. Mindestens zehn Medienschaffende sitzen dort derzeit wegen ihrer journalistischen Arbeit in Haft. Präsident Alijew gehört zu den größten Feinden der Pressefreiheit weltweit.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Aserbaidschan auf Platz 163 von 180 Staaten.
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