Aserbaidschan
24.11.2011
Journalist stirbt nach Messerattacke / ROG fordert gründliche Ermittlungen
Reporter ohne Grenzen (ROG) ist bestürzt über den Tod des aserbaidschanischen Journalisten Rafik Tagi. Der Mitarbeiter der Zeitung Sanat starb am 23. November an den Folgen eines Messerangriffs durch einen Unbekannten in Baku vier Tage zuvor. Der Journalist galt als Kritiker von religiösem Fanatismus und eines radikalen Islam sowie der iranischen Regierung und der aserbaidschanisch-iranischen Beziehungen.
ROG fordert die Einleitung sorgfältiger Ermittlungen: "In Anbetracht jüngster Artikel des Zeitungsjournalisten und früherer juristischer Verfahren gegen Tagi fordern wir die Ermittler auf, Hinweisen zu einem möglichen Zusammenhang zwischen dem Angriff und der journalistischen Arbeit des Opfers ernsthaft nachzugehen", erklärte ROG.
Auch der Sprecher des aserbaidschanischen Presserates zog in Erwägung, dass die Attacke eine Reaktion auf Publikationen von Tagis sein könnte. Zuletzt kritisierte Tagi in einem Artikel für eine lokale Website am 10. November das Regime im Iran. Er warf Präsident Mahmud Ahmadinedschad vor, den Islam zu diskreditieren und eine Bedrohung für die zivilisierte Welt zu sein.
Der Angriff auf den Journalisten ereignete sich in der Nacht des 19. Novembers auf dessen Heimweg. Der Täter stach Tagi dreimal in den Rücken und drei weitere Male in den Unterleib. Trotz der schweren Verletzungen gelang es Tagi noch, seine Wohnung zu erreichen und einen Krankenwagen zu rufen. Nach zwei Operationen verstarb er gestern in einem Krankenhaus in Baku. Die Ermittlungen in dem Mordfall liegen beim Generalstaatsanwaltschaft und dem Innenministerium.
Wegen seiner Publikationen erlitt Tagi bereits in früheren Jahren Repressionen und erhielt Drohungen. Anstoß nahmen zum Beispiel iranische konservativ-religiöse Kreise an einem Artikel mit dem Titel „Europa und wir“. Infolgedessen verhängte ein iranischer Ajatollah am 25. November 2006 wegen "Beleidigung des Islams und des Propheten Mohammed" eine Fatwa gegen den Journalisten. In dem islamischen Rechtsgutachten wurde die Todesstrafe für Tagi verlangt.
In dem umstrittenen Artikel vertrat Tagi unter anderem die Meinung, dass Aserbaidschan sich eher nach Europa als nach Asien hin ausrichten solle. Der Fortschritt des Landes sei dem Einfluss humanistischer und universeller Werte zu verdanken, wie sie in Europa verbreitet seien. Der Islam habe auf diesem Kontinent deswegen nicht Fuß fassen können, argumentierte Tagi. Der Journalist hatte in dem Artikel ferner einige Äußerungen des Propheten Mohammed als aggressiv bezeichnet.
In seiner Heimat hatte der Artikel für Tagi juristische Folgen: Am 15. November 2006 wurde der Journalist festgenommen. Im Mai 2007 wurde Tagi zu drei Jahren Gefängnis wegen "Anstachelung religiösen Hasses" verurteilt. Nach der Begnadigung durch den Präsidenten gelangte Tagi im Dezember 2007 wieder in Freiheit.
Tagi hinterlässt eine Frau und drei Kinder. Die deutsche Sektion von ROG unterstützt die Familie.
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