Aserbaidschan
22.07.2015
Kritischer Journalistin wird Prozess gemacht
Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert die aserbaidschanische Regierung dazu auf, die Anschuldigungen gegen die seit Dezember 2014 inhaftierte Journalistin Khadija Ismajilowa fallenzulassen und die Reporterin unverzüglich auf freien Fuß zu setzen. Am kommenden Freitag soll der Prozess gegen die international bekannte Investigativjournalistin eröffnet werden. Ihr werden unter anderem Vergehen wie Steuerhinterziehung und illegale Geschäfte vorgeworfen.
„Khadija Ismajilowa sitzt nur deshalb hinter Gittern, weil sie wiederholt über korrupte Verbindungen innerhalb der politischen Führung berichtet hat und die Regierung unter Präsident Alijew diese Themen unterdrücken will“, sagt ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske in Berlin. „Seit Jahren wird sie schikaniert und mit Prozessen überzogen, bei denen sich immer wieder die haltlosen Anschuldigungen ändern.“
Bereits in der Vergangenheit zahlreiche Schikanen
Ismajilowa wurde am 5. Dezember 2014 in Baku verhaftet und sitzt seither in Untersuchungshaft. Als Begründung hieß es ursprünglich, sie habe einen Journalisten in einen Selbstmordversuch getrieben. Dieser zog seine Aussage im Februar dieses Jahres jedoch wieder zurück und sagte, er habe sich nur aufgrund staatlichen Drucks zu der Falschaussage hinreißen lassen. Daraufhin wurde Ismajilowa zusätzlich wegen Steuerhinterziehung und illegaler Geschäfte angeklagt. Bei einer Verurteilung drohen ihr 12 Jahre Haft. Mit einer Protestmailaktion an Aserbaidschans Präsident Ilcham Alijew fordert ROG schon seit Dezember 2014 Ismajilowas Freilassung.
Die Journalistin arbeitet unter anderem als Reporterin für das Organized Crime and Corruption Reporting Project und den US-Auslandssender Radio Free Europe/Radio Liberty, dessen Bakuer Büro sie bis zur erzwungenen Schließung Ende Dezember 2014 leitete. Immer wieder hat sie über Vetternwirtschaft und Korruptionsvorwürfe in den höchsten Regierungskreisen berichtet – Themen, über die kaum ein anderer in dem Kaukasusland zu schreiben wagt.
Seit Jahren überwacht
Ismajilowa ist seit Jahren Gerichtsverfahren und massivem Druck der Behörden ausgesetzt. Im Oktober 2014 verklagte ein ehemaliger Politiker die Reporterin auf Verleumdung, weil sie ihm in einem Artikel vorwarf, im Auftrag des Geheimdienstes an der Unterwanderung von Oppositionsgruppen mitgewirkt zu haben. Im Vorfeld einer Reise nach Straßburg im September 2014, wo sie vor dem Europaparlament über die Menschenrechtslage in Aserbaidschan berichtete, erhielt sie massive anonyme Drohungen. Bei ihrer Rückkehr am 3. Oktober hielten die Behörden sie am Flughafen Baku fest und verhörten sie stundenlang. Am 12. Oktober verhängte der Generalstaatsanwalt dann eine Ausreisesperre gegen sie.
Auch in den zurückliegenden Jahren war Ismajilowa Schikanen und Druck ausgesetzt. Nachdem sie über geheime Geschäfte der Präsidentenfamilie berichtet hatte, lancierten regierungsnahe Medien 2012 und erneut 2013 Videoaufnahmen im Internet, die angeblich die Journalistin in ihrem Schlafzimmer beim Sex zeigten.
Massive Repressionswelle gegen Menschenrechtler und Journalisten
Die Bakuer Regierung ist in den zurückliegenden 12 Monaten mit einer bislang beispiellosen Repressionswelle gegen Menschenrechtsaktivisten und Journalisten vorgegangen. Acht Journalisten und vier Onlineaktivisten sind in dem autoritär regierten Land derzeit in Haft. Auch im Ausland wird aserbaidschanischen Journalisten nachgestellt. Nachdem er sich anlässlich der Europaspiele in Aserbaidschan - einem sportlichen Großereignis, zu dem zahlreiche Athleten aus dem Ausland anreisten - in internationalen Medien kritisch über die Menschenrechtslage in seinem Land geäußert hatte, wurde der in Deutschland lebende Journalist Emin Milli aus Baku bedroht. Über Dritte ließ man mitteilen, dass er nicht mehr sicher sei – weder in Deutschland noch anderswo.
Bundestag prangert Menschenrechtslage in Aserbaidschan an
Der Deutsche Bundestag prangerte am Eröffnungstag der Europaspiele am 12. Juni die Menschenrechtslage in Aserbaidschan in einem Entschließungsantrag an. Insbesondere die Rechte auf Meinungs-, Presse-, Religions-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit würden systematisch verletzt. Die Parlamentarier riefen die Bundesregierung dazu auf, sich weiter für die sofortige und bedingungslose Freilassung der politischen Gefangenen in Aserbaidschan einzusetzen.
Nothilfe von Reporter ohne Grenzen
Das Nothilfereferat von ROG hat während der vergangenen Monate zahlreiche Journalisten aus Aserbaidschan unterstützt, etwa den Fotoreporter Mehman Husejnow. Der Familie des in Aserbaidschan inhaftierten Journalisten Rauf Mirkadirow hat ROG geholfen, die Türkei zu verlassen und in die Schweiz überzusiedeln, wo sie Asyl erhalten hat.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit belegt Aserbaidschan Platz 160 von 180 Staaten.
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