Belarus
12.11.2019
ARD-Team an der Arbeit gehindert
Reporter ohne Grenzen verurteilt das Vorgehen der Sicherheitsbehörden in Belarus gegen ein ARD-Fernsehteam. Obwohl sie eine gültige Akkreditierung hatten, wurden ARD-Korrespondent Demian von Osten und seine Mitarbeiter mehr als zwei Stunden lang daran gehindert, auf einem öffentlichen Platz in der Hauptstadt Minsk zu drehen.
„Diese plumpe Behinderung eines ordentlich akkreditierten Fernsehteams wirft ein denkbar schlechtes Licht auf ein Regime, das offiziell an einer Annäherung an die EU arbeitet“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Der Vorfall illustriert den verheerenden Zustand der Pressefreiheit in Belarus, der allen Beteuerungen Hohn spricht, dieses Regime sei offen für menschenrechtliche Reformen.“
Als das ARD-Team am Freitag (8.11.) seinen Dreh im Zentrum von Minsk beginnen wollte, überprüften Polizei und Sicherheitsleute in Zivil zunächst seine Akkreditierungen und Ausrüstung. Dann forderten sie es auf, einem Polizeiwagen zum Hauptquartier der Polizei zu folgen, wie Korrespondent von Osten ROG auf Anfrage bestätigte. Dort angekommen, musste der Fahrer des Teams dessen Ausrüstung in sein Auto einschließen und wurde zum Verhör mit ins Gebäude genommen, von wo er erst nach rund zwei Stunden zurückkehrte. Insgesamt wurden der ARD-Korrespondent und seine Mitarbeiter dadurch mehr als zwei Stunden daran gehindert, ihre Arbeit fortzusetzen.
Das ARD-Team hatte auf einem Platz im Zentrum von Minsk drehen wollen, auf dem vor der Parlamentswahl am kommenden Sonntag (17.11.) mehrere Parteien um Wählerinnen und Wähler warben. Zugleich hatten dort für denselben Tag der populäre Videoblogger Szipan Swjatlu (Pseudonym: „Nexta“) und weitere Blogger zu einer Demonstration aufgerufen. Journalisten zufolge nahmen daran mehr als 1000 Menschen teil, was unter dem seit rund 25 Jahren diktatorisch Herrschenden Präsidenten Aleksandr Lukaschenko eine Seltenheit ist.
Verschärfte Repression vor der Parlamentswahl
Die Repressalien gegen Medienschaffende in Belarus haben in den vergangenen Monaten Ausmaße erreicht wie seit der brutalen Niederschlagung von Protesten 2010/2011 nicht mehr. Mit Strafanzeigen gegen Journalistinnen und Blogger, willkürlichen Durchsuchungen von Redaktionen und immer höheren Hürden für die freie Meinungsäußerung im Internet verschärfte das Regime die Kontrolle der Medien vor den European Games in Minsk Ende Juni sowie vor der Parlamentswahl am kommenden Sonntag (19.11.) noch einmal deutlich.
Die Wahlberichterstattung der staatlichen Medien war stark auf die Person des Staatspräsidenten und auf die administrativen Vorbereitungen für die Wahl fokussiert. Politische Parteien, Kandidatinnen und Kandidaten oder deren Programme kamen dagegen kaum vor.
Am häufigsten werden Journalistinnen und Journalisten in Belarus wegen „illegaler Tätigkeit für ein ausländisches Medium“ belangt. In diesem Jahr zählte die ROG-Partnerorganisation in Belarus, die Belarussische Journalistenvereinigung, bereits mindestens 39 Geldstrafen wegen dieses Vorwurfs; für 2018 waren es 118 – mehr als in den vier Vorjahren zusammen. Betroffen sind weit überwiegend Korrespondentinnen und Korrespondenten des Exil-Senders Belsat TV, der seit 2007 aus dem benachbarten Polen sendet. Viele von ihnen haben ihre Heimat wegen Diktator Lukaschenko verlassen und erhalten jetzt keine Akkreditierung mehr von den belarussischen Behörden. Wenn sie dennoch vor Ort recherchieren, riskieren sie Gerichtsverfahren und empfindliche Geldstrafen. Ähnlich geht es freiberuflichen Medienschaffenden, die die Behörden nicht als Journalisten anerkennen.
Schärfere Mediengesetze gegen unabhängige Online-Medien
Im Juni 2018 hatte das belarussische Parlament Verschärfungen des Mediengesetzes verabschiedet. Sie erleichtern das Sperren von Blogs und sozialen Netzwerken und sollen anonyme Kommunikation im Internet verhindern. Vor allem aber führten sie für Internetmedien ein aufwändiges Registrierungsverfahren ein, das bis dahin nur für Rundfunk- und Printmedien galt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht registrierter Medien gelten vor dem Gesetz seither nicht mehr als Journalisten. Das heißt, sie erhalten keine Akkreditierung für offizielle Veranstaltungen und verlieren Sonderrechte wie den Schutz ihrer Quellen oder besonderen Schutz bei der Berichterstattung über Demonstrationen.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Belarus auf Platz 153 von 180 Ländern.
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