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Belarus

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 167 von 180
Belarus Pressemitteilung 08.05.2014

Eishockey-WM in repressivem Umfeld

© picture alliance

Vor Beginn der Eishockey-Weltmeisterschaft in Belarus am 9. Mai 2014 fordert Reporter ohne Grenzen, dass Journalisten frei und kritisch berichten können, ohne Angst vor Schwierigkeiten haben zu müssen: „Die Regierung unter Präsident Alexander Lukaschenko muss endlich damit aufhören, kritische Stimmen mundtot zu machen“, sagt ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin. „Es ist unerträglich, dass die belarussische Regierung Sportler und Gäste in ein Land einlädt, das unabhängige Medien und Journalisten seit Jahren systematisch unterdrückt.“

Belarussische Journalisten sind vielfältigen Repressionen ausgesetzt. Während der anstehenden Weltmeisterschaft versucht die Regierung jedoch auch die ausländischen Medien zu kontrollieren. So hat die Regierung in Minsk ihre strengen Visaregeln nur für Sportberichterstatter vorübergehend gelockert. Wer über politische oder gesellschaftliche Themen schreiben will, muss nach wie vor ein gesondertes Journalistenvisum beantragen –doch  diese Visa wurden in der Vergangenheit auch verweigert.

In Belarus gibt es mehr als 250 Radio- und Fernsehsender, fast 180 davon sind in staatlicher Hand und werden streng kontrolliert. Eine durch unabhängige Gremien kontrollierte Rundfunkanstalt besteht nicht, ebenso wenig wie kritische Fernsehsender, die landesweit ausstrahlen. Unabhängige Journalisten und Blogger müssen mit Repressionen rechnen und werden von den Behörden gezielt bei ihrer Arbeit behindert.  Am 7. April etwa wurde der belarussische Kamermann Alex Dzjanisau von einem Gericht zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er in der Stadt Grodno ein Interview für den Fernsehsender Belsat TV geführt hatte. Belsat TV sendet aus Warschau, und Journalisten, die für einen ausländischen Sender arbeiten, benötigen in Belarus eine gesonderte Akkreditierung des Außenministeriums. Mehrere Neuanträge von Belsat TV sind in der Vergangenheit mit der Begründung, die eingereichten Unterlagen seien unvollständig, abgelehnt worden. Das Lukaschenko-kritische Programm des polnischen Belsat TV ist auch in Belarus zu empfangen.

In Belarus ist der Anzeigenmarkt sehr klein, so gut wie alle Medien sind deshalb auf öffentliche Aufträge angewiesen. Während staatlich kontrollierte Medien auf großzügige Anzeigenvergabe vertrauen können, werden unabhängige Medien bewusst in finanziell schwierige Situationen gebracht: sie erhalten so gut wie keine Anzeigen der öffentlichen Hand– auch nicht von staatsnahen Unternehmen. Ihnen wird zudem die Zusammenarbeit mit vielen Druckereien verwehrt. Im Oktober 2013 etwa wies die Druckerei Karandasch einen Auftrag des örtlichen Büros von Radio Freies Europa/Radio Liberty mit der Begründung zurück, bei dem Sender handle es sich um eine extremistische Organisation.

Staatliche Vertriebsunternehmen haben bereits vor Jahren ihre Zusammenarbeit mit kritischen Zeitungen beendet, seit 2006 etwa werden die Blätter Gaseta Slonimskaja, Borisovskije Novosti und Novi Chas nicht mehr ausgeliefert. Die Zeitungen liegen nicht mehr an Kiosken oder in Geschäften aus und können nur noch per Abonnement bezogen werden. Die Blätter Belorusskaja Delovaja Gaseta, eine der wichtigsten unabhängigen Zeitungen in Belarus, oder auch Salidarnasc erscheinen mittlerweile nur noch im Internet. Eine Reihe von Publikationen musste den Betrieb ganz einstellen.

Medien in Belarus benötigen eine staatliche Lizenz, doch sowohl die Entscheidung über Vergabe wie auch über Entzug ist nicht transparent. Auch die Erteilung von Akkreditierungen für
Veranstaltungen und Pressekonferenzen ist nicht einheitlich geregelt, so dass kritische Journalisten oft keinen Zugang zu den Treffen haben. Mehr als 60 staatliche Institutionen, darunter das Informationsministerium, das Erziehungsministerium oder die nationale Fernseh- und Radiogesellschaft können brisante Themen als Staatsgeheimnis deklarieren und sie so vor Journalisten geheim halten.

Die unabhängige belarussische Vereinigung der Journalisten, eine ROG-Partnerorganisation, hat in den Jahren 2011 bis 2013 mindestens 256 Fälle dokumentiert, in denen vornehmlich belarussische Journalisten vorübergehend festgenommen wurden. Mehrere ukrainische Reporter wurden im Jahr 2012 an Auslandsreisen gehindert, etwa Zhanna Litwina, die Vorsitzende der belarussischen Journalistenvereinigung, die am Flughafen in Minsk festgehalten wurde. Auch Auslandskorrespondenten wurden behindert: Obwohl sie offizielle Journalisten-Akkreditierungen hatten, wurden etwa die Kamerateams des schwedischen Senders SVT sowie des lettischen Senders TV3 im März 2013 in Minsk vorübergehend festgenommen. Vor den Parlamentswahlen im Jahr 2012 konnten vier Journalisten aus Deutschland und Schweden nicht ins Land einreisen, weil die Grenzbeamten ihnen keine Visa ausstellten.

Reporter und Redakteure können mit Verleumdungsgesetzen zum Schweigen gebracht werden. Auch Medien können mit entsprechenden Artikeln aus dem Strafgesetzbuch geschlossen werden. Am 18. April 2013 stufte das Aschmiani Bezirksgericht den Bildband „Belarus Press Photo 2011“ als „extremistisch“ ein und ließ alle konfiszierten Ausgaben des Buches vernichten. Kurz darauf wurde dem Verlag Lohvinau, der die Publikation herausgegeben hatte, die Lizenz entzogen. Eine Beschwerde der Verleger wurde im September 2013 vom Obersten Gerichtshof abgewiesen.

Auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit belegt Belarus derzeit Platz 157 von insgesamt 180 Ländern. ROG zählt Präsident Alexander Lukaschenko zu den Feinden der Pressefreiheit und das Operations- und Analysezentrum (OAC) in Minsk zu den Feinden des Internets. Mitarbeiter des OAC überwachen die Online-Kommunikation und speichern massenhaft Daten.

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