Belarus
06.10.2020
Kritik an Lukaschenkos Medienpolitik
Reporter ohne Grenzen kritisiert die Versuche des belarusischen Regimes, unabhängige Medienschaffende aus dem In- und Ausland an der Arbeit zu hindern und die Berichterstattung über die Proteste gegen Präsident Alexander Lukaschenko unmöglich zu machen. Ende vergangener Woche erklärten die Behörden die Akkreditierungen sämtlicher ausländischer Korrespondentinnen und Korrespondenten für ungültig. Wenige Tage zuvor hatte das Informationsministerium dem reichweitenstärksten Nachrichtenportal des Landes den Status als Massenmedium entzogen. Allein im September wurden der Belarusischen Journalistenvereinigung (BAJ) zufolge mindestens 60 Medienschaffende festgenommen.
„Präsident Lukaschenko versucht mit allen Mitteln, Berichte über die Geschehnisse in Belarus zu unterdrücken – vor allem über die Gewalt, mit der Sicherheitskräfte gegen friedliche Protestierende vorgehen. Doch die Arbeit etlicher mutiger Kolleginnen und Kollegen vor Ort zeigt: Informationen lassen sich nicht unterdrücken“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr.
Korrespondentinnen und Korrespondenten aus dem Ausland ohne Akkreditierung
Am Freitag (2.10) entzogen die belarusischen Behörden allen ausländischen Journalistinnen und Journalisten mit sofortiger Wirkung ihre Akkreditierungen. Die Verordnung zur Vergabe der Arbeitsgenehmigungen sei aktualisiert worden, deshalb seien die bisherigen Papiere ungültig und könnten ab Montag neu beantragt werden, hieß es aus dem Außenministerium.
Anträge auf zeitweilige Akkreditierungen würden demnach künftig innerhalb von fünf Tagen, solche auf dauerhafte Akkreditierungen innerhalb von 30 Tagen bearbeitet werden. Dabei sollen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger aus dem Herkunftsland des jeweiligen Medienunternehmens bevorzugt werden – was es belarusischen Journalistinnen und Journalisten deutlich schwerer machen würde, für ausländische Medien zu arbeiten.
Betroffen von der Neuregelung waren Medienschaffende von ARD und Deutsche Welle, der Nachrichtenagenturen Reuters, Associated Press und AFP, der Auslandssender BBC und Radio France Internationale sowie von RFE/RL und dem dazu gehörigen russischsprachigen Sender Current Time TV. Sie konnten deshalb nicht mehr legal von der Demonstration am Sonntag (4.10.) in Minsk berichten, bei der Zehntausende Menschen gegen Präsident Lukaschenko protestierten. Mindestens 16 Reporterinnen und Reporter wurden festgenommen, fünf von ihnen sind nach wie vor in Gewahrsam. Während der Demonstrationen wurde die Übertragungsgeschwindigkeit im Internet erneut gedrosselt.
Regierung geht gegen reichweitenstärkste Nachrichtenseite vor
Am Dienstag vergangener Woche (29.9.) entzog das Informationsministerium der reichweitenstärksten belarusischen Nachrichtenseite Tut.by für drei Monate den Status eines Massenmediums. Journalistinnen und Journalisten offiziell registrierter Massenmedien haben in Belarus – zumindest auf dem Papier – besondere Rechte bei der Berichterstattung etwa von Großveranstaltungen und Demonstrationen. Das unabhängige Portal Tut.by berichtete seit seiner Gründung im Jahr 2000 lange Zeit, ohne offiziell als Massenmedium anerkannt zu sein, erst im Januar 2019 erhielt es diesen Status. Tut.by erreicht nach eigenen Angaben rund 70 Prozent aller Internetnutzerinnen und -nutzer in Belarus, die Seite wurde im August etwa 420.000 Mal aufgerufen.
Das Informationsministerium hatte Tut.by in jüngerer Zeit viermal wegen angeblicher Verstöße gegen das Mediengesetz verwarnt und versucht auf dieser Grundlage seit Mitte September, die Arbeit des Portals gerichtlich verbieten zu lassen. Die Belarusische Journalistenvereinigung und RSF-Partnerorganisation BAJ wies in einer Erklärung darauf hin, dass die Frist, in der Tut.by Einspruch gegen die Verwarnungen einlegen kann, in drei von vier Fällen noch nicht abgelaufen sei. Die Schließung unabhängiger Medien vor oder nach Wahlen habe in Belarus Tradition und verletze sowohl internationales Recht als auch die belarusische Verfassung.
Verfahren gegen Chefredakteur einer unabhängigen Online-Zeitung
Auch die Internet-Zeitung Nascha Niwa gerät zunehmend unter Druck. Am 23. September durchsuchten Sicherheitskräfte die Wohnung von Chefredakteur Jegor Martinowitsch und beschlagnahmten sämtliche technischen Geräte und Speichermedien. Martinowitsch wurde vom Ermittlungskomitee verhört und blieb anschließend drei Tage in Isolationshaft. Gegen ihn wurde ein Strafverfahren wegen Verleumdung eröffnet, weil Nascha Niwa berichtet hatte, der stellvertretende Innenminister Alexander Barsukow habe einen Gefangenen geschlagen. Unabhängig davon wurde der Journalist am 28. September wegen der Teilnahme an einer nicht genehmigten Demonstration zu einer Geldstrafe von umgerechnet rund 130 Euro verurteilt.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Belarus auf Rang 153 von 180 Staaten.
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