Belarus / Russland
26.06.2021
Protassewitsch sofort aus Hausarrest entlassen
Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert die belarussischen Behörden dazu auf, den Journalisten Roman Protassewitsch umgehend freizulassen und ihm und seiner Partnerin Sofia Sapega die volle Bewegungsfreiheit zurückzugeben. Beide befinden sich nach übereinstimmenden Berichten in einem gemeinsamen Hausarrest in einer Minsker Wohnung, allerdings stehen sie damit weiter unter völliger Kontrolle des Geheimdienstes. Sie waren vor einem Monat nach einer erzwungenen Flugzeuglandung in Minsk festgenommen und inhaftiert worden.
„Unsere Sorge ist groß, dass auf Roman Protassewitsch weiterhin massiv Druck ausgeübt wird. Wir fürchten um seine geistige und körperliche Gesundheit“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Er und seine Partnerin Sofia Sapega sollten umgehend die Möglichkeit bekommen, nach Litauen zurückzukehren, was ihr eigentliches Reiseziel war und wo sie vor der Entführung im Exil lebten.“
Zudem fordert RSF sowohl die belarussischen als auch die russischen Behörden auf, keine Geständnisse von Journalistinnen und Journalisten zu erzwingen. Mehrfach war der Journalist Roman Protassewitsch im Fernsehen regelrecht vorgeführt worden. Zehn Tage nach seiner Verhaftung gestand der Mitbegründer des Telegram-Kanals NEXTA im belarussischen Staatssender ONT, dass er die öffentliche Ordnung gestört habe und dem Präsidenten Alexander Lukaschenko "bedingungslosen Respekt" schwöre. Dabei hatte er Tränen in den Augen, und seine Handgelenke waren durch Handschellen verletzt. Solche Anzeichen von geistiger und körperlicher Erschöpfung sind ebenso typisch für Zwangsgeständnisse wie die Inszenierung im Staatsfernsehen.
Ein paar Wochen später wiederholte er sein Geständnis bei einer Pressekonferenz des belarussischen Außenministeriums neben einem hochrangigen Offizier der Luftwaffe, dem Sprecher des Außenministeriums und zwei Mitgliedern der Regierung. Er behauptete, er sei "im Gefängnis nicht misshandelt worden" und gab zu, dem Staat "Schaden zugefügt" zu haben. Die anwesenden Journalistinnen und Journalisten verließen nach diesem unter Zwang zustande gekommenen Bekenntnis aus Protest die Pressekonferenz.
„Diese erniedrigende Praxis der erzwungenen Geständnisse ist unsäglich", so RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. "Sie verletzt eindeutig Artikel 14 über faire Gerichtsverfahren des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, dem sowohl Belarus als auch Russland beigetreten sind. Wir fordern Minsk und Moskau auf, dieser Praxis ein Ende zu setzen, und die internationalen Rechtsnormen zu respektieren, die sie unterzeichnet haben."
Erzwungene Geständnisse auch in Russland
Erzwungene Geständnisse wie das von Roman Protassewitsch sind nicht unüblich und neben Belarus auch in Russland Praxis. Der ukrainische Journalist Stanislaw Assjejew sagte nach Protassewitschs Geständnis, er habe „das Gefühl, in einen Spiegel zu schauen.“ Als freier Mitarbeiter für ukrainische Medien und für Radio Swaboda, den russischen Ableger des US-finanzierten Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL), war Assjejew in Donezk, als russische Separatisten 2014 die Kontrolle über die Stadt übernahmen. Nachdem er ein Jahr lang inhaftiert war, „gestand“ er im russischen Staatssender Rossiya 24, er habe für den ukrainischen Geheimdienst spioniert.
Dem Korrespondenten des Krim-Dienstes Krym.Realii von RFE/RL, Vladislav Yesipenko, erging es ähnlich. Nach seiner Festnahme wurde er im März dieses Jahres zehn Tage lang gefoltert, bevor er im russischen Fernsehsender Krym24 „gestand“, dass er für den Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) spioniert und illegal Waffen hergestellt habe. Seine investigative Berichterstattung war wie die von Protassewitsch und Assjejew zu störend für die lokalen Behörden geworden.
In der Rangliste der Pressefreiheit liegt Belarus auf Platz 158 von 180 Ländern, Russland auf Rang 150.
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