Bulgarien 23.03.2017

Regierung erkauft sich loyale Berichterstattung

Medienmogul Deljan Peewski © picture alliance / dpa

Vor der vorgezogenen Parlamentswahl in Bulgarien weist Reporter ohne Grenzen auf die gravierenden Einschränkungen der Pressefreiheit in dem südosteuropäischen Land hin. Einige wenige Unternehmer besitzen dort einen Großteil der Medien und bestimmen die Redaktionslinie in enger Abstimmung mit führenden Politikern. Über staatliche Zuschüsse, finanziert vor allem aus EU-Mitteln, erkauft sich die Regierung loyale Berichterstattung. Auf der Rangliste der Pressefreiheit ist das EU-Mitglied Bulgarien deswegen in den vergangenen zehn Jahren von Platz 35 auf Platz 113 abgerutscht und liegt heute hinter Ländern wie der Ukraine, dem Kosovo oder Uganda.

„Dass nur noch jeder achte Bürger in Bulgarien an die Unabhängigkeit der Medien glaubt, ist ein alarmierendes Signal“, sagt ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die EU muss weitaus klarer als bisher einfordern, dass die bulgarische Regierung Finanzhilfen aus Brüssel nach transparenten Verfahren verteilt. Sie muss dabei Grundwerte der Gemeinschaft wie eine pluralistische Medienlandschaft und die freie Arbeit unabhängiger Journalisten respektieren.“

In Bulgarien werden Journalisten in ihrer Arbeit stark durch wirtschaftliche und politische Zwänge eingeengt. Durch die Vergabe von Finanzhilfen, von denen das Überleben vieler Medien abhängt, nimmt die Regierung direkten Einfluss auf die Berichterstattung und begünstigt ausschließlich ihr wohlgesonnene Medien. Ein Großteil des so verteilten Geldes kommt aus Fördertöpfen der EU, wie die South East Europe Media Organisation (SEEMO) in einem detaillierten Bericht jüngst eindrucksvoll belegte. SEEMO spricht von 3,6 Millionen Euro, die zwischen 2007 und 2012 allein auf dem Printmarkt auf intransparente Weise vergeben wurden und für die Medien im Gegenzug regierungsfreundliche Berichterstattung liefern.

Kommunalregierungen kaufen Medien

Wie sich dies auf lokaler Ebene fortsetzt, zeigte unlängst der Korrespondent der Wirtschaftszeitungen Kapital und Dnewnik in Varna, Spas Spasow, in einer preisgekrönten Recherche. Am Beispiel von zehn Kommunen belegt er exemplarisch, wie lokale Verwaltungen innerhalb von zwei Jahren (2013-15) zusätzlich zu EU-Mitteln weitere 1,4 Millionen Euro an Medien vergaben, die dafür zusicherten, eine „positive Haltung“ der Bevölkerung gegenüber der jeweiligen Regionalregierung zu fördern. Transparente Regeln für die Vergabe dieser Mittel gibt es nicht. Auch nachprüfbare Verträge lassen sich oft nicht finden, weil viele Transaktionen über Mittlerfirmen abgewickelt und so Geldflüsse verschleiert werden.

Hinzu kommt, dass einige wenige Unternehmer einen Großteil der Medien in Bulgarien besitzen und diese nutzen, um ihre eigenen – meist geschäftlichen – Ziele durchzusetzen. Unabhängige Recherchen zu Korruption und der Verquickung wirtschaftlicher und politischer Eliten sind deshalb selten. Umso häufiger werden gekaufte Beiträge ohne besondere Kennzeichnung veröffentlicht oder Journalisten zensieren sich selbst, um nicht ihre Stelle zu verlieren. Das Vertrauen der Menschen in die Unabhängigkeit der Medien sinkt angesichts dessen seit Jahren. Anfang 2016 glaubten laut einer Studie im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung nur noch 12 Prozent der Bevölkerung, bulgarische Medien könnten frei arbeiten.

Deljan Peewski- einflussreichster Medienmogul des Landes

Besonders deutlich wird das Problem von Verflechtung, Intransparenz und Abhängigkeit am Fall von Deljan Peewski, dem einflussreichsten Medienmagnaten in Bulgarien. Seine Holding Neue Bulgarische Mediengruppe (NBMG) pflegt enge Verbindungen zur jeweils machthabenden Regierung. Mit 21 Jahren begann Peewski dank familiärer Verbindungen eine rasante Karriere im Regierungsapparat, während der er mehrmals in Skandale um Bereicherung und Amtsmissbrauch verwickelt war. Seine Ernennung zum Geheimdienstchef im Juni 2013 löste monatelange Massenproteste gegen die Regierung aus. Heute gehören dem Unternehmer und Parlamentsabgeordneten die meisten nationalen und regionalen Zeitungen (u.a. Telegraf, Monitor, Politika), einige der meist gelesenen Nachrichten-Webseiten sowie der landesweite Fernsehsender TV 3. Außerdem kontrolliert er einen großen Teil des Zeitungsvertriebs und gehört durch seine Unternehmen zu den zahlungskräftigsten Werbekunden im Land.

Die genauen Strukturen des Medienimperiums, das Peewski zusammen mit seiner Mutter Irena Krastewa aufgebaut hat, liegen im Dunkeln – auch, nachdem die beiden im August 2015 ihre Beteiligung an zahlreichen Medien öffentlich machten. In vielen Fällen verhindern verschlungene Geschäftsmodelle und Mittlerfirmen Klarheit über die Besitzverhältnisse. Peewskis Integritätsdeklaration als Parlamentsabgeordneter etwa führt lediglich eine Wohnung und ein altes Auto als seinen Besitz auf. Transparenzregularien in Bulgarien sind schwach und werden kaum umgesetzt. Daran hat auch ein 2014 in Kraft getretenes Gesetz nichts geändert, das Unternehmen, die in ausländischen Steueroasen registriert sind, Medienbesitz verbieten sollte. Beobachtern zufolge zielte es vor allem auf Peewskis Konkurrenten auf dem Medienmarkt.

Auffällige Nähe zur herrschenden Elite

Überdeutlich hingegen sind Peewskis Verbindungen zur politischen Elite: Die Kredite zum Aufbau seiner Medienholding NBMG kamen seinerzeit vor allem von der Handelsbank KTB, bei der damals große Mengen an Staatsvermögen lagerten. Die Medien der NBMG berichteten während dieser Zeit loyal über die amtierende Regierung, während sie den Oppositionsführer und damaligen Bürgermeister von Sofia, Bojko Borissow, heftig angriffen. Nach dessen Wahl zum Regierungschef schwenkten sie umstandslos auf seine Seite und berichten seither ebenso enthusiastisch über Regierungsvorhaben, wie sie politische Opponenten diffamieren und Journalisten einschüchtern, die sich kritisch über die Verbindungen zwischen Peewski und den Machthabern äußern.

Immer wieder treffen die Angriffe die renommierte und für ihre investigativen Berichte bekannte Nachrichtenseite Bivol. Im Dezember 2016 forderte Reporter ohne Grenzen die bulgarischen Behörden auf, Bivol-Reporter Dimitar Stojanow besser zu schützen, der nach Berichten über den Missbrauch von EU-Geldern massiv bedroht wurde. Unter anderem waren Unbekannte in seine Wohnung eingebrochen. Im Mai 2016 entzog der Vorstand der Radostina-Konstantinowa-Stiftung der Redaktion von Bivol unter einem Vorwand einen Preis für investigativen Journalismus. Die Jury aus namhaften Journalisten, die Bivol die Auszeichnung für Recherchen über die Firma Bulgartabak und Zigarettenschmuggel in den Nahen Osten zuerkannt hatte, protestierte dagegen öffentlich, aber ohne Erfolg.

Schmutzkampagnen gegen kritische Journalisten

Nach Bivols Recherchen zu Bulgartabak, damals im Besitz von Deljan Peewski, überzogen die zu dessen Holding NBMG gehörenden Medien das Redaktionsteam mit einer beispiellosen Verleumdungskampagne. Im Zentrum der Angriffe standen die beiden Gründer der Nachrichtenseite, Assen Jordanow und Atanas Tschobanow, die Reporter ohne Grenzen 2014 zu den größten „Helden der Pressefreiheit“ weltweit zählte. So überraschte ein Team von Peewskis TV 3 Tschubanows Familie in dessen Abwesenheit in Paris, wo der Journalist seit 1990 lebt, und verbreitete anschließend Bilder seiner Frau im Schlafanzug.

Im Juni 2016 verlor Lili Marinkowa, eine der mutigsten Journalistinnen des Landes, überraschend ihre Stelle beim staatlichen Sender Bulgarisches Nationales Radio. Die Kündigung war eine der ersten Amtshandlungen des neuen Rundfunkchefs Alexander Weljew. Der Sender begründete den Rauswurf Marinkowas damit, dass sie pensioniert werde. Reporter ohne Grenzen hält dies für vorgeschoben und vermutet, vor der Präsidentschaftswahl im November sollte eine unabhängige Stimme zum Schweigen gebracht werden. Marinkowa hatte die Regierung immer wieder kritisiert und in einer ihrer letzten Sendungen den Geschäftsmann Deljan Peewski und dessen Besitztümer thematisiert.

Steuerprüfungen, Verleumdungsklagen, Geldstrafen

Auch Behörden und Minister üben unverhohlen Druck auf kritische Journalisten aus. So beklagte sich Kulturminister Weschdi Raschidow im Juli 2016 über allzu kritische Studiogäste beim staatlichen Fernsehen. Er riet Moderator Georgi Angelow, sich daran zu erinnern, wer sein Gehalt zahle und sich nicht über die Regierung lustig zu machen. Nach öffentlichen Protesten und einem Schreiben der Vereinigung Europäischer Journalisten, die seinen Rücktritt forderte, entschuldigte sich der Minister.

Die Methoden der Behörden, unliebsame Redaktionen einzuschüchtern, reichen von Steuerverfahren (u.a. gegen die regierungskritische Tageszeitung Sega) über Verleumdungsklagen (z.B. durch den ehemaligen Investitionsminister Iwan Danow gegen Bivol-Chef Atanas Tschobanow) bis hin zu horrenden Bußgeldern. Ein Exempel statuierte die Finanzaufsichtsbehörden, als sie im Januar 2015 Strafen von umgerechnet ca. 85.000 Euro gegen das Wirtschaftsmagazin Kapital und die Tageszeitung Dnewnik verhängte. Es ging um deren Berichterstattung über die Bankenkrise 2014 und die Weigerung der Redaktionen, ihre Informanten preiszugeben. Die Zeitungen erscheinen bei Economedia, dem zweitgrößten Verlagshaus Bulgariens, das dem Geschäftsmann Iwo Prokopiew gehört.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit ist das EU-Mitglied Bulgarien in den vergangenen zehn Jahren von Platz 35 auf Platz 113 gefallen. 



nach oben