Deutschland
05.09.2002
3. Mai, Internationaler Tag der Pressefreiheit: Schwierige Zeiten für die Pressefreiheit
Anlässlich des internationalen Tags der Pressefreiheit stellt Reporter
ohne Grenzen den aktuellen Jahresbericht für den Zeitraum 2001 vor. Der
Bericht dokumentiert Verstöße gegen die Pressefreiheit, die die
internationale Menschenrechtsorganisation im vergangenen Jahr in 150
Ländern von Afghanistan bis Zypern registrierte.
Mindestens 31 Journalistinnen und Journalisten wurden im Jahr 2001 wegen
ihrer Recherchen und Veröffentlichungen oder bei Ausübung ihres Berufes
getötet, im Jahr davor waren es 32. Bei weiteren 27 Fällen wird noch
untersucht, ob ihr Tod im Zusammenhang mit ihrem Beruf steht. Die Zahl der
zeitweilig festgenommenen oder länger inhaftierten Journalisten stieg im
Vergleich zum Vorjahr um 60%, auf insgesamt 489. 716 Reporter wurden
bedroht, überfallen oder gezielt attackiert, 40% mehr als im Jahr 2000.
Seit Anfang 2002 kamen bereits acht Journalisten in Ausübung ihres Berufes
ums Leben. 116 Journalistinnen und Journalisten sind zurzeit inhaftiert.
Nepal ist das größte Gefängnis für Medienvertreter (27). In Birma und im
Iran sind mindestens 16 bzw. 12 Journalisten hinter Gittern.
Gravierende Einschränkungen auf jedem Kontinent
Einem Drittel der Weltbevölkerung wird das Recht auf freie Meinungsäußerung
und auf ungehinderten Zugang zu Informationen verweigert. In Ländern wie
China, Kuba, Laos, Nordkorea und Vietnam diktieren die jeweiligen Parteien
was gedruckt, gesendet oder ins Netz gestellt wird. Aber auch in Staaten
mit nicht kommunistischen Einparteien-Systemen wie Syrien und Irak oder in
Diktaturen wie Birma, Tunesien und Saudi-Arabien kontrollieren Regierungen
die Beschaffung und Verbreitung von Information.
Die Mehrzahl der Länder der Welt haben zwar internationale Abkommen
unterzeichnet, die Meinungs- und Informationsfreiheit garantieren; auch die
Pressefreiheit ist in ihren Verfassungen verankert. Doch blieb dies im Jahr
2001 oft nur ein leeres Versprechen.
In Bangladesch, Eritrea, Haiti und Simbabwe nahm die Zahl der übergriffe
sowie Anklagen wegen sogenannter Pressedelikte gegen Journalisten drastisch
zu.
Seit Beginn der 2. Intifada Ende 2000 verschärfte sich die Lage in den von
Israel besetzten Gebieten. Allein im Jahr 2001 wurden acht Reporter durch
Soldaten der israelischen Armee verletzt. Auch im Fall des französischen
Journalisten, der von einem israelischen Soldaten gezielt angeschossen
wurde, bestreiten die israelischen Behörden ihre Verantwortung.
Palästinensische und ausländische Journalisten waren Schikanen und
übergriffen der palästinensischen Autonomiebehörde ausgesetzt. Wiederholt
verbot sie Zeitungen und ließ Radiostationen kurzfristig schließen.
Verhaftungen und Verhöre schufen ein Klima von Einschüchterung und
Selbstzensur.
Der Tod von acht Journalistinnen und Journalisten im November in
Afghanistan fachte erneut die Diskussion über Risiken der Berichterstattung
aus Kriegs- und Krisengebieten an. Der Schutz von Journalisten wurde
endlich zu einem wichtigen Thema für die Medien.
Auch die Europäische Union war kein sicherer Ort für Journalisten. Zwei
Reporter wurden von militanten Gruppen in Spanien und Nordirland ermordet.
In Italien, wo Premierminister Silvio Berlusconi die Mehrheit der Medien
kontrolliert, wurde bei Demonstrationen gegen den G-8 Gipfel in Genua ein
Mensch getötet und zahlreiche weitere Menschen verletzt, darunter 19
Journalisten. Zunehmende Medienkonzentration und politischer Druck auf
Medienschaffende, z.B. in österreich, bedrohten die Informationsvielfalt.
Fallout im "Kampf gegen den Terrorismus"
Seit dem 11. September sieht Reporter ohne Grenzen wachsende
Bedrohungen für die Informationsfreiheit, die mit dem "Kampf gegen
Terrorismus" in vielen Ländern gerechtfertigt werden. Nach der
Ausrufung des Ausnahmezustandes in Nepal Ende November nahm die Polizei
mehr als 100 Journalisten wegen "Terrorismusverdachts"
vorübergehend fest, drei von ihnen wurden gefoltert, derzeit sind noch 27
in Haft. Die in Kanada und den USA ergriffenen Maßnahmen gefährden den
Quellenschutz und ermöglichen eine stärkere überwachung des Internets und
der E-Mail-Kommunikation sowie Einschränkungen beim Zugang zu Informationen.
Straflosigkeit ist nach wie vor ein großes Problem. In Kolumbien
sind 95% der gewalttätigen übergriffe auf Journalisten immer noch
ungeahndet. Drei Journalisten wurden 2001 in Ausübung ihres Berufes
getötet, bisher wurde keiner der Täter ermittelt. In der Ukraine nahm die
Untersuchung zur Ermordung von Georgij Gongadse in 2001 absurde Züge an,
als die Staatsanwaltschaft im Mai überraschend bekannt gab, der Fall sei
aufgeklärt: Gongadse sei von gewöhnlichen Kriminellen ermordet worden. Die
Täter selbst seien von ihrem Bandenchef anschließend getötet worden; die
"Mörder der Mörder" jedoch seien gefasst. Reporter ohne
Grenzen fordert nach wie vor die Entsendung einer internationalen und
unabhängigen Kommission, die die Rolle der Behörden bei der Aufklärung des
Falles und Beschuldigungen gegen Staatspräsident Kutschma untersucht.
Doch es gab auch Fortschritte und positive Entwicklungen, wenn auch
mit Einschränkungen. Zwei jahrelang inhaftierte Journalisten, Symbolfiguren
gegen die Repression, kamen in 2001 frei. Der syrische Journalist Nizar
Nayyuf wurde im Mai nach neun Jahren Gefängnis und Folter entlassen.
Seitdem versuchten die syrischen Behörden vergeblich, dem inzwischen im
Ausland lebenden Nayyuf den Mund zu verbieten, indem sie seine Familie in
Syrien unter Druck setzten.
Im Juli kam die Journalistin San San Nweh nach sieben Jahren im
birmesischen Kerker frei. In Birma befinden sich immer noch 16 Reporter in
Haft.
Der Sturz des Taliban-Regimes kann als positives Zeichen für die Zukunft
der Pressefreiheit in Afghanistan gewertet werden. Es bleibt abzuwarten, ob
die neue Regierung dort das Recht auf freie Meinungsäußerung und
Information achtet.
äthiopien, früher bekannt als das größte Gefängnis für Journalisten in
Afrika, entließ in 2001 fast alle inhaftierten Reporter. Der letzte, Tamrat
Zuma, konnte im März 2002 gegen Zahlung einer Kaution das Gefängnis
verlassen.
Journalisten in Tunesien umgingen die absolute Kontrolle des Polizeistaats,
indem sie der tunesischen Bevölkerung ihre kritischen Berichte mittels des
arabischen Fernsehsenders Al-Mustakillah mit Sitz in London
übermittelten. Die Sendung ist in Tunesien sehr populär.
Der rund 700-seitige Jahresbericht ("Report 2002" in Englisch oder
Französisch) kann von Reporter ohne Grenzen gegen einen
Unkostenbeitrag von 14 Euro angefordert werden. Ab 2. Mai steht der Report
mit Aktualisierungen unter www.rsf.org im Internet. Auch die aktuelle Liste
der weltweit schärfsten Widersacher der Pressefreiheit ist dort abrufbar.
Für weitere Informationen: Tel. (030) 615 85 85
deutsch: www.reporter-ohne-grenzen.de
französisch / englisch / spanisch: www.rsf.org
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