Deutschland Pressemitteilung 02.09.2013
ROG legt Wahlprüfsteine vor
Die politischen Parteien in Deutschland positionieren sich in Fragen der Presse- und Informationsfreiheit äußerst unterschiedlich. Das hat eine Umfrage der Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) ergeben. Vor der Bundestagswahl am 22. September hat ROG den Parteien erstmals Wahlprüfsteine vorgelegt und sie damit gebeten, ihre Haltung zu Themen wie Informantenschutz, Vorratsdatenspeicherung, dem Einsatz für verfolgte Journalisten aus dem Ausland sowie dem Export von Überwachungstechnologie direkt vergleichbar zu machen.
„Den Parteien sollten die Pressefreiheit im eigenen Land und der Einsatz für verfolgte Journalisten in aller Welt ein ernsthaftes Anliegen sein“, sagte ROG-Vorstandssprecherin Astrid Frohloff. „Die Wahlprüfsteine von Reporter ohne Grenzen bieten eine Orientierungshilfe für alle, denen diese Themen am Herzen liegen. An diesen Positionen werden wir die Parteien in den kommenden vier Jahren messen.“
Zu insgesamt sechs Themen hat ROG die Stellungnahmen der im Bundestag vertretenen Parteien sowie der Piratenpartei und der Alternative für Deutschland erfragt:
• Unterstützen die Parteien die Einführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland?
• Setzten sie sich dafür ein, den Informantenschutz in Deutschland zu stärken?
• Sollte Zensur- und Überwachungstechnologie in Exportkontrollen auf nationaler, EU- und internationaler Ebene einbezogen werden? Wie sollte eine solche Regelung aussehen?
• Wie beurteilen die Parteien den Anspruch von Journalisten auf Behördenauskünfte nach dem Informationsfreiheitsgesetz? Wie stehen sie zu Forderungen, die Ablehnungsgründe abzuschaffen, Auskunftsfristen zu verkürzen und Gebühren für die Auskünfte abzuschaffen?
• Sollten die Botschaften „sicherer“ Länder für verfolgte Journalisten auf der Flucht offen sein? Sollte Deutschland in solchen Fällen unbürokratisch Nothilfe-Visa erteilen?
• Was tun die Parteien konkret für die Pressefreiheit in Ländern, in denen Journalisten und Medien unter Druck stehen?
Bei der Vorratsdatenspeicherung halten die Unionsparteien Mindestspeicherfristen für notwendig zur Strafverfolgung und Gefahrenabwehr; die entsprechende EU-Richtlinie wollen sie umsetzen. Die SPD will die Verwendung der Daten einschränken und strikten rechtsstaatlichen Kontrollen unterwerfen. Die EU-Richtlinie will die Partei grundlegend überarbeiten – ebenso wie die FDP, die nur bei konkreten Verdachtsmomenten und mit Richterbeschluss die Nutzung vorhandener Daten erlauben will. Die übrigen Parteien lehnen die Vorratsdatenspeicherung ab, Grüne und Piraten wollen darüber hinaus das Post- und Fernmeldegeheimnis zu einem umfassenden Telekommunikationsgeheimnis ausbauen.
Beim Informantenschutz verweisen CDU/CSU und FDP auf das 2012 verabschiedete Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit, das den Schutz bei der Veröffentlichung vertraulichen Materials sowie vor Beschlagnahmen verbessert habe. Die SPD fordert eine Stärkung des Zeugnisverweigerungsrechts, Linke und Piraten wollen einen gesetzlichen Whistleblower-Schutz einführen und die Grünen den Geheimnisverrat straffrei stellen.
Sehr unterschiedlich bewerten die Parteien auch die Notwendigkeit, Exporte von Überwachungstechnologie in Staaten mit Menschenrechtsverletzungen zu kontrollieren. Die Regierungsparteien betrachten die vorhandenen Regelungen als ausreichend und schon ihre derzeitige Handhabung als restriktiv. Die meisten der anderen Parteien fordern weitergehende Beschränkungen auf deutscher, EU und internationaler Ebene.
Was eventuelle Reformen am Informationsfreiheitsgesetz betrifft, wollen CDU und CSU vor allem den Schutz persönlicher Daten gewährleistet sehen. SPD, Grüne und Piraten sprechen sich für eine Fortschreibung zum Transparenzgesetz ein, das Behörden zur aktiven Veröffentlichung von Daten verpflichten solle. Linke und AfD kritisieren vor allem die zahlreichen Ablehnungsgründe, lange Auskunftsfristen und Gebühren; letztere dürfen auch aus Sicht der FDP kein wesentliches Hindernis für Auskunftsanträge darstellen.
Bei der Frage nach offenen Botschaften und Nothilfe-Visa für verfolgte Journalisten verweisen CDU/CSU und FDP darauf, dass politisches Asyl nur vor Ort im Zielland beantragt werden könne. Die übrigen Parteien zeigen sich offen für das Anliegen; Linkspartei und Grüne nennen eine Aufnahme aus dringenden humanitären Gründen als rechtliche Möglichkeit zur Hilfe auch ohne Asylstatus.
Die vollständigen Wahlprüfsteine mit den Antworten der Parteien sowie eine Kurzfassung der Antworten finden Sie unten.
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