Offener Brief:
05.08.2020
Whistleblower umfassend schützen
Reporter ohne Grenzen (RSF), das Whistleblower-Netzwerk, Transparency International und mehrere andere zivilgesellschaftliche Organisationen rufen die Bundesregierung dazu auf, die EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowerinnen und Whistleblowern umfassend in nationales Recht umzusetzen. Nur so sei die angestrebte Rechtssicherheit für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber sowie für Unternehmen, Verwaltung und Medien zu erreichen, schreiben die Organisationen in einem offenen Brief an die Politik.
Whistleblowerinnen und Whistleblower sind entscheidend für die Aufdeckung von Missständen und Korruption. Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber haben beispielsweise entscheidend zum Bekanntwerden von Steuerhinterziehung und Geldwäsche in großem Stil beigetragen. Die Investigativberichte über die so genannten Panama Papers wären ohne die anonymen Informationen eines Whistleblowers nicht möglich gewesen. Laut einer Studie der Europäischen Union könnte ein effektiver Hinweisgeberschutz jährlich Kosten in Höhe mehrerer Milliarden Euro zum Schaden der Gesellschaft verhindern.
Eine umfassende Gesetzgebung zum Schutz von Whistleblowern fehlt in Deutschland jedoch nach wie vor. Die EU-Richtlinie 2019/1937 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, wurde im Oktober 2019 von den Mitgliedstaaten verabschiedet. Nun muss die Bundesrepublik sie bis Dezember 2021 in deutsches Recht umsetzen. Entscheidender Punkt ist dabei der sachliche Anwendungsbereich – also die Frage, welche Hinweise durch Whistleblowerinnen und Whistleblower geschützt werden sollen.
Reporter ohne Grenzen sowie die anderen unterzeichnenden Organisationen setzen sich dafür ein, Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber umfassend und unter Einbeziehung nationalen Rechts zu schützen. Kohärenz, Klarheit und Rechtssicherheit sind für Whistleblowerinnen und Whistleblower nur dann gegeben, wenn sie sich bei ihren Hinweisen darauf verlassen können, dass diese auch von nationalem Recht gedeckt sind.
Rechtssicherheit schaffen
Der Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern wird mit der Richtlinie in Europa zur Norm. Die Europäische Union fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, „auf nationaler Ebene für einen umfassenden und kohärenten Rahmen für den Hinweisgeberschutz zu sorgen“ (Erwägungsgrund 5 der Richtlinie) und betont explizit die Möglichkeit, den Anwendungsbereich auszudehnen (Artikel 2 (2)).
Daher reicht eine „Eins-zu-eins-Umsetzung“ der Richtlinie, die nur Meldungen von Verstößen gegen bestimmtes EU-Recht abdeckt, nicht aus, um Whistleblowerinnen und Whistleblower effektiv zu schützen. Wenn deutsches Recht außen vor bliebe, würde das den Sinn der EU-Richtlinie in sein Gegenteil verkehren. Selbst Juristinnen und Juristen fällt es schwer zu ermitteln, ob ein Hinweis unter die in der Richtlinie genannten EU-Rechtsakte oder unter nationales Recht fällt. Den Whistleblowerinnen und Whistleblowern – oft ohne juristische Kenntnisse – dürfen die Risiken einer rechtlichen Fehleinschätzung nicht aufgebürdet werden. Das davon ausgehende Signal würde potenzielle Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber verunsichern und abschrecken. Das Ziel der Richtlinie wäre verfehlt.
Auch Unternehmen, Behörden, Justiz und Medien sähen sich bei einer Eins-zu-eins-Umsetzung der Rechtsunsicherheit eines Flickenteppichs an Regelungen ausgesetzt. Nur wenn alle Beteiligten sicher sein können, dass Meldungen von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern durch nationales Recht gedeckt sind, kann sich eine gelebte Kultur des Hinsehens etablieren. Die Etablierung effektiver Hinweisgebersysteme kann Unternehmen vor immensen Finanz- und Reputationsschäden bewahren. Wenn Missstände nicht aufgedeckt und Verstöße nicht sanktioniert werden, dann schadet dies einem fairen Wettbewerb.
Langjähriger Einsatz für Whistleblowerinnen und Whistleblower
Reporter ohne Grenzen setzt sich seit Jahren für einen besseren Schutz von Whistleblowerinnen und Whistleblowern im In- und Ausland ein. Besonders intensiv verfolgt RSF derzeit die drohende Auslieferung von Julian Assange von Großbritannien an die USA. Die von ihm gegründete Plattform Wikileaks hatte geleakte Geheimdokumente veröffentlicht, die unter anderem Verbrechen der US-Armee im Irak-Krieg dokumentierten. Dafür drohen ihm in den USA bis zu 175 Jahre Haft unter anderem wegen Spionage und Geheimnisverrats.
Unterzeichnerinnen und Unterzeichner:
Bund Deutscher Kriminalbeamter
Deutsches Netzwerk Wirtschaftsethik
Reporter ohne Grenzen (RSF)
Transparency International
Verbraucherzentrale Bundesverband
Whistleblower-Netzwerk
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