Gambia
07.03.2024
Ex-Innenminister in der Schweiz vor Gericht
Es ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die Straflosigkeit bei Verbrechen gegen Journalistinnen und Journalisten: Der ehemalige Innenminister Gambias, Ousman Sonko, ist in der Schweiz wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, einschließlich der Folterung von zwei Journalisten, angeklagt. Anfang März finden im nach dem Weltrechtsprinzip in Bellinzona durchgeführten Verfahren die Schlussplädoyers der Bundesanwaltschaft, der Verteidigung und der Privatklägerinnen und -kläger statt. Unter ihnen sind zwei gefolterte Journalisten. Die mündliche Verhandlung in diesem Prozess erfolgt unmittelbar nach der historischen Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom November 2023, das einen gambischen Staatsbürger wegen seiner Rolle bei der Ermordung des Journalisten und Korrespondenten von Reporter ohne Grenzen (RSF), Deyda Hydara, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt hat. Die Verurteilung des ehemaligen Innenministers wäre nun weiterer Schritt in der gerichtlichen Anerkennung des Ausmaßes der Verbrechen unter dem Diktator Yahya Jammeh.
Um jegliche Opposition zum Schweigen zu bringen, schikanierte Jammeh unabhängige Medien nicht nur mit restriktiven Gesetzen und schüchterte Medienschaffende auf verschiedene Weise, etwa durch anonyme Anrufe oder Briefe, ein. Er schreckte auch nicht vor Brandanschlägen auf Medieninfrastrukturen und sogar der Inhaftierung und Folter von Medienschaffenden zurück. Angesichts der Tatsache, dass in 80 Prozent der Verbrechen gegen Journalistinnen und Journalisten weltweit immer noch Straflosigkeit herrscht, ist es ein großer Erfolg, dass sich der einstmals mächtige Politiker nun vor Gericht wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten muss. RSF hofft auf seine Verurteilung, denn diese würde ein wichtiges Signal senden: Wer Medienschaffende systematisch verfolgt, ist vor gerechter Strafe nirgendwo sicher.
Als ehemaliger Militärkommandant, dann Generalinspektor der Polizei und schließlich von 2006 bis 2016 Innenminister wird Sonko vorgeworfen, eine entscheidende Rolle bei Jammehs systematischer Unterdrückung derjenigen in der Zivilbevölkerung gespielt zu haben, die er als Bedrohung für seine Macht ansah.
Kurz vor dem Ende der Ära Jammeh wurde Sonko seines Amtes enthoben und floh in die Schweiz. Im Jahr 2017 deckten ein Schweizer Medium seine Identität auf, kurz darauf wurde von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die Opfer des ehemaligen gambischen Regimes unterstützen, Strafanzeige gegen Sonko erstattet. Elf von ihnen haben im Januar 2024 vor Gericht ausgesagt, darunter Madi Ceesay, damals Journalist und heute Mitglied des gambischen Parlaments, und Musa Saidykhan, damals Chefredakteur von The Independent, einer der wichtigsten Zeitungen in Gambia. Beide Journalisten wurden nach der Veröffentlichung von Artikeln in The Independent verhaftet und während ihrer wochenlangen Haft von gambischen Behörden gefoltert, die damals laut Anklage unter der Kontrolle von Ousman Sonko standen.
Im November 2023 stellte das Oberlandesgericht in Celle im ersten Gambia betreffenden Verfahren nach dem Weltrechtsprinzip weltweit fest, dass die Verbrechen unter Jammeh im Rahmen eines umfassenden und systematischen Angriffs auf die Zivilbevölkerung begangen wurden. Sie stellten somit Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar. In Bellinzona wird in wenigen Monaten ein Urteil erwartet. Während im deutschen Prozess ein eher rangniedriger Soldat zu lebenslanger Haft verurteilt wurde und Ex-Minister Sonko eine ähnliche Strafe drohen könnte, bleibt der Hauptverantwortliche auf freiem Fuß: Jammeh selbst lebt seit dem Ende seiner Herrschaft im Jahr 2017 in Äquatorialguinea.
RSF hat wiederholt gefordert, Jammeh an Gambia auszuliefern, wo die zivilgesellschaftliche Aufarbeitungskommission Truth, Reconciliation and Reparation Commission (TRRC) Vorarbeit für mögliche Strafprozesse gegen ihn und andere Verantwortliche geleistet hat. Wenn Jammeh selbst vor Gericht gestellt würde, wäre dies ein weiterer wichtiger Schritt im Kampf gegen die Straflosigkeit bei Verbrechen gegen Medienschaffende und würde die Pressefreiheit in Gambia weiter stärken.
Die Platzierung Gambias auf der Rangliste der Pressefreiheit hat sich seit Ende der Diktatur deutlich verbessert: Gambia lag 2023 auf Platz 46, verglichen mit Platz 98 im Jahr 2004 – dem Jahr, in dem Deyda Hydara getötet wurde.
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