Hongkong
30.08.2024
Chefredakteure von Stand News verurteilt
Update:
Am 26.09. hat ein Gericht in Hongkong das Strafmaß gegen die beiden ehemaligen Chefredakteure von Stand News verkündet. Chung Pui-kuen wurde zu 21 Monaten Haft, Patrick Lam zu elf Monaten Haft verurteilt.
Chung saß zwischen 2021 und 2022 bereits fast ein Jahr in Haft und kam gegen Kaution frei. Weil das Strafmaß diese Zeit übersteigt, muss er wieder ins Gefängnis. Lam saß bereits zehn Monate in Untersuchungshaft. Aus gesundheitlichen Gründen kommt er sofort frei.
Die beiden Journalisten waren Ende August wegen der Verbreitung von „aufrührerischen“ Artikeln schuldig gesprochen worden. Das Urteil ist ein weiterer schwerer Schlag gegen die Pressefreiheit in Hongkong.
Es ist die erste Verurteilung wegen Volksverhetzung im Medienbereich in Hongkong seit der britischen Übergabe an China 1997: Am 29. August wurden Chung Pui-kuen und Patrick Lam, die Chefredakteure des inzwischen nicht mehr existierenden unabhängigen Online-Mediums Stand News, von einem Hongkonger Gericht der Verschwörung zur Veröffentlichung von volksverhetzenden Inhalten für schuldig befunden. Reporter ohne Grenzen (RSF) verurteilt diese Gerichtsentscheidung und hält sie für einen gefährlichen Präzedenzfall im Hinblick auf die ohnehin bedrohte Pressefreiheit in der Sonderverwaltungszone.
„Mit diesem Urteil hat Hongkong eine gefährliche rote Linie überschritten: Von nun an könnte jeder, dessen Berichterstattung nicht mit der offiziellen Darstellung der Behörden übereinstimmt, wegen Volksverhetzung verurteilt werden“, sagt Martin Kaul, Vorstandssprecher von RSF Deutschland. "Diese juristische Attacke stellt einen Präzedenzfall dar, der uns empört.“
Der Prozess gegen Chung Pui-kuen und Patrick Lam wurde bereits am 29. Juni abgeschlossen, doch der Urteilsspruch wurde mehrmals vertagt. Insgesamt waren die beiden Journalisten fast ein Jahr lang inhaftiert. Sie wurden anschließend auf Kaution freigelassen – unter der Bedingung, dass sie das Staatsgebiet nicht verlassen, sich wöchentlich bei der Polizei melden und keine Interviews geben. Während des Prozesses lastete die Staatsanwaltschaft ihnen mindestens 17 Online-Artikel an, die zwischen Juli 2020 und Dezember 2021 veröffentlicht wurden, darunter Interviews und Meinungsartikel.
Stand News war eine gemeinnützige chinesischsprachige Nachrichtenseite, die nach Apple Daily das einflussreichste unabhängige Medium in Hongkong war. Die Online-Publikation erreichte über 1,7 Millionen Followerinnen und Follower auf Facebook und etwa 1 Million auf Instagram, bevor sie geschlossen wurde. Am 29. Dezember 2021 wurde die Nachrichtenagentur von 200 Polizeibeamtinnen und -beamten durchsucht. Dabei wurden sechs ihrer Journalisten, darunter Chung Pui-kuen und Patrick Lam, von der Polizei verhaftet. Noch am selben Tag kündigte Stand News in den sozialen Medien an, die Veröffentlichung einzustellen und seine Mitarbeitenden zu entlassen, da das Vermögen des Unternehmens im Wert von rund 61 Millionen Hongkong-Dollar (7 Millionen Euro) durch die Regierung gesperrt wurde. Etwa 70 Mitarbeitende verloren ihren Arbeitsplatz.
Zeitlicher Überblick
- Dezember 2014: Stand News wird gegründet. Die Gründungsmitglieder beschließen, das Unternehmen als gemeinnützig zu betreiben und ihre Anteile in einen Treuhandfonds einzubringen.
- 24. August 2018: Der frühere Regierungschef der Sonderverwaltungszone Hongkong, Leung Chun-ying, verklagt Stand News wegen Verleumdung, weil die Redaktion ihn angeblich zu Unrecht mit den Triaden, organisierten kriminellen Gruppen aus Hongkong, in Verbindung gebracht habe.
- 21. Juli 2019: Die Stand News-Reporterin Gwyneth Ho wird attackiert, während sie den Angriff eines Mobs auf Passanten im Stadtteil Yuen Long live überträgt. Die behördlichen Ermittlungen zum Fall blieben unzureichend.
- 26. Dezember 2019: Während einer Demonstration zeigt ein Polizeibeamter den Ausweis des stellvertretenden Stand News-Redakteurs Ronson Chan vor einer Livestream-Kamera und verstößt damit gegen das Datenschutzgesetz.
- 19. Januar 2020: Während einer Demonstration zeigt ein Polizist den Ausweis eines weiteren Reporters von Stand News in eine Kamera.
- 24. Juni 2021: Die Polizei in Hongkong beginnt mit der Archivierung von mehr als 300 Stand News-Artikeln – am selben Tag, an dem die beliebte pro-demokratische Zeitung Apple Daily eingestellt wird.
- 29. Dezember 2021: Die Polizei führt eine Razzia im Büro von Stand News durch, friert das Vermögen des Unternehmens ein und verhaftet sechs leitende Angestellte. Das Unternehmen stellt seinen Betrieb ein und lässt seine Websites und Auftritte in den sozialen Medien löschen.
- 11. April 2022: Der langjährige Journalist und Stand News-Kommentator Allan Au wird im April 2022 auf der Grundlage des Volksverhetzungsgesetzes verhaftet, aber noch am selben Tag ohne Anklage freigelassen.
- 31. Oktober 2022: Der Prozess wegen Volksverhetzung gegen Stand News und seine ehemaligen Chefredakteure Chung Pui-kuen und Patrick Lam beginnt.
- 22. Dezember 2022: Ein Gericht in Hongkong lehnt den Einspruch der Redakteure ab, die Anklage wegen Volksverhetzung fallen zu lassen.
- 29. Juni 2023: Der Prozess, der ursprünglich im November 2022 abgeschlossen sein sollte, endet nach 56 Verhandlungstagen. Zunächst war er nur für 20 Tage angesetzt gewesen.
- Juni bis August 2024: Das Urteil wird mehrmals verschoben, da die Richter die Entscheidung des Berufungsgerichts in einem anderen Fall von Volksverhetzung abwarten.
- 29. August 2024: Chung Pui-kuen und Patrick Lam werden der Volksverhetzung für schuldig befunden.
In der Rangliste der Pressefreiheit belegt Hongkong Platz 135 von 180 Staaten. China liegt auf Platz 172.
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