Algerien
27.01.2023
RSF-Petition zur Freilassung von Ihsane el-Kadi
Reporter ohne Grenzen (RSF) startet eine Petition zur Freilassung von Ihsane el-Kadi. Der algerische Journalist und Leiter der Medien Radio M und Maghreb Émergent ist seit 29. Dezember willkürlich inhaftiert. Am 16. Januar bestätigte ein Gericht in Algier die Inhaftierung wegen angeblicher illegaler Geldbeschaffung und mutmaßlicher Gefährdung der Staatssicherheit. RSF beklagt eine eklatante Verletzung des Rechts auf eine angemessene juristische Verteidigung, denn das Gericht hatte el-Kadis Anwaltsteam keine Chance eingeräumt, sich zu äußern.
„Ihsane el-Kadi ist ein im besten Sinne des Wortes unabhängiger, kritischer Journalist. Es ist mehr als offensichtlich, dass ihn die algerische Staatsmacht genau deshalb ausschalten will“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Jeder Mensch sollte ein Recht auf Verteidigung haben, das ist das Mindeste. Die Behörden in Algerien verwehren Ihsane el-Kadi selbst dieses grundlegende Recht.“
Ihsane el-Kadi ist einer der bekanntesten Verfechter der Pressefreiheit in Algerien. Er leitet die den Sender Radio M und die Nachrichtenseite Maghreb Émergent, jeweils mit Sitz in Algier. Beide Medien stehen der algerischen Staatsmacht und dem Militär kritisch gegenüber. Ihsane el-Kadi sieht sich regelmäßigen Schikanen aus Politik und Justiz ausgesetzt, seit Jahren erhöht die Staatsmacht mit Verhaftungen und Gerichtsverfahren den Druck.
Bereits im vergangenen November wurde el-Kadi zweimal von den Sicherheitsdiensten vorgeladen. Am 23. Dezember hatte er auf Radio M die Wahrscheinlichkeit einer zweiten Amtszeit von Präsident Abdelmadschid Tebboune erörtert. Zudem hatte er öffentlich Zweifel an der Strategie der Regierung geäußert, die Korruption zu bekämpfen. In der Nacht auf den 25. Dezember schließlich wurde er in Polizeigewahrsam genommen. Die Räumlichkeiten seiner beiden Nachrichtenmedien wurden am nächsten Tag versiegelt, er selbst vier Tage später inhaftiert.
Missachtung der Persönlichkeitsrechte
Mitte Januar bestätigte die algerische Justiz seine Inhaftierung wegen angeblicher illegaler Geldbeschaffung und mutmaßlicher Gefährdung der Staatssicherheit als rechtmäßig. Diese Entscheidung traf seine Familie und auch sein Anwaltsteam völlig unvorbereitet: Die Behörden hatten, ohne jemanden darüber zu informieren, die Anhörung zur Prüfung seiner Berufung vom 18. auf den 16. Januar vorverlegt. Somit konnte el-Kadis Anwaltsteam keines seiner Argumente vortragen – eine eklatante Verletzung des Rechts auf eine angemessene juristische Verteidigung.
Die Verhaftung von Ihsane el-Kadi hat große Empörung und eine breite internationale Kampagne zu seiner Unterstützung ausgelöst, angeführt von Reporter ohne Grenzen. RSF hat sich offiziell an die Vereinten Nationen gewandt und einen gemeinsamen Appell von 16 Chefredakteurinnen und Redaktionsleitern initiiert, darunter der Chefredakteur der Nowaja Gaseta und Friedensnobelpreisträger 2021, Dmitri Muratow.
Verstärkte Repressionen seit 2019
Spätestens seit dem Aufkommen der Hirak-Protestbewegung im Februar 2019 haben die algerischen Behörden die Repressionen gegenüber Journalistinnen und Reportern verschärft. Der Hirak, arabisch für „Bewegung“, forderte Anfang 2019 zunächst den Rücktritt von Abdelaziz Bouteflika. Der damals amtierende Präsident hatte zuvor seine fünfte Kandidatur angekündigt. Die Proteste endeten jedoch nicht mit Bouteflikas Rücktritt. Bis zum März 2020 demonstrierten zehntausende, manchmal hunderttausende Menschen jeden Freitag auf den Straßen Algeriens und forderten die Veränderung des politischen Systems.
In ihrem Versuch, die Proteste einzuhegen, ging die Regierung verstärkt gegen die unabhängigen Medien vor. Das traf auch Khaled Drareni, der damals die politische Sendung „Le Café Presse Politique” bei Radio M moderierte und als Korrespondent für internationale Medien arbeitete. Drareni wurde im März 2020 inhaftiert und wenige Monate später zu zwei Jahren Haft verurteilt. Im März 2021 kam er wieder frei. Der Journalist galt schon vor seiner Verhaftung als Symbol der Pressefreiheit. Heute ist er RSF-Repräsentant für Nordafrika.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen steht Algerien auf Platz 134 von 180 Staaten.
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