Bahrain
26.05.2017
Justizschikanen gegen Journalistin einstellen
Ein Strafgericht im arabischen Golfstaat Bahrain hat die langjährige Korrespondentin des französischen Auslandsfernsehens France 24 und des Radiosenders Radio Monte Carlo Dualija wegen ungenehmigter Tätigkeit als Journalistin zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Informationsministerium hatte sich im Juni 2016 geweigert, der Journalistin Nasiha Said die Akkreditierung zu verlängern. Die Entscheidung bedeutet ein faktisches Berufsverbot für Said als Korrespondentin in ihrer Heimat Bahrain. Auch mindestens vier weiteren einheimischen Mitarbeitern internationaler Medien verweigerten die Behörden im vergangenen Jahr die Verlängerung ihrer Akkreditierungen.
„Das Urteil gegen Nasiha Said zeigt, dass Bahrain nicht einmal mehr im Ausland eine unabhängige Berichterstattung über die Ereignisse im Land duldet“, sagte der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr. „Bahrains Regierung muss sofort Nasiha Saids Akkreditierung erneuern und die Justizschikanen gegen sie einstellen, damit die Journalistin endlich wieder unbehelligt in ihrer Heimat arbeiten kann.“
Said arbeitete seit 2004 als Korrespondentin für Radio Monte Carlo Dualija und seit 2009 für France 24. Den Antrag auf Verlängerung ihrer Akkreditierung hatte sie im vergangenen Jahr wie üblich rechtzeitig vor Ablauf der alten Genehmigung gestellt. Im Sommer 2016 hinderten sie die Behörden sie dann plötzlich ohne Begründung an einer geplanten Auslandsreise. Bei einem Termin bei der Staatsanwaltschaft informierte man sie kurz darauf über die Ermittlungen wegen ungenehmigter Korrespondententätigkeit. Gegen die Verurteilung von Donnerstag zu einer Geldstrafe von 1000 Dinar (2350 Euro) hat ihr Anwalt Berufung angekündigt.
Seit dem Beginn der Pro-Demokratie-Proteste im Februar 2011 unterdrückt Bahrain jede unabhängige Berichterstattung. Die Behörden des Golfstaates sperren kritische Webseiten, kontrollieren das Internet umfassend und setzen es gezielt zur Überwachung von Dissidenten ein. Insbesondere bei den bis heute andauernden Demonstrationen und Protestaktionen werden Journalisten und Blogger regelmäßig drangsaliert. Nicht zuletzt Fotojournalisten werden immer wieder willkürlich festgenommen und zu teils langjährigen Haftstrafen verurteilt. Viele der Festgenommenen berichten von Folter.
Derzeit sitzen in Bahrain mindestens 14 professionelle Reporter und Bürgerjournalisten wegen ihrer Arbeit im Gefängnis. Unter ihnen ist etwa der international renommierte Fotograf Ahmed Humaidan, der wegen eines angeblichen Angriffs auf eine Polizeiwache eine zehnjährige Haftstrafe verbüßt.
Folter in Polizeigewahrsam bleibt ungesühnt
Auch die nun verurteilte Nasiha Said gehört zu den vielen Opfern des brutalen Vorgehens der Regierung gegen Regimekritiker und Journalisten. Während eines Verhörs auf einem Polizeirevier zu ihrer Berichterstattung über Pro-Demokratie-Proteste wurde sie am 22. März 2011 stundenlang brutal geschlagen, gefoltert und gedemütigt. Nach elf Stunden wurde sie freigelassen, nachdem man sie zur Unterzeichnung von Dokumenten gezwungen hatte, die sie zuvor nicht einmal lesen durfte.
Said konnte die fünf Polizisten identifizieren, die sie misshandelt hatten, und legte sofort Beschwerde beim Innenministerium ein. Ihre Folterung wurde der erste derartige Fall, der vor ein bahrainisches Gericht kam. Nach jahrelangen Verzögerungen und ergebnislosen Prozessen stellte die Justiz die Strafverfolgung der mutmaßlichen Folterer im November 2015 aus angeblichem Mangel an Beweisen ein.
Reporter ohne Grenzen hat den Fall Saids stets eng begleitet und immer wieder die mangelnde Unabhängigkeit der bahrainischen Justiz kritisiert. Vergangenen Sommer forderten 43 Menschenrechtsorganisationen die bahrainischen Behörden auf, die Verfolgung der Journalistin und Trägerin des Johann-Philipp-Palm-Preises für Meinungs- und Pressefreiheit zu beenden.
Repressalien gegen Journalisten internationaler Medien
Unter den bahrainischen Journalisten, deren Akkreditierungen die Behörden sich vergangenes Jahr zu verlängern weigerten, waren auch Mitarbeiter der internationalen Nachrichtenagenturen Agence France-Presse, Associated Press und Reuters. Einer von ihnen, der ehemalige AFP-Fotograf Mohammed al-Scheich, wurde dieses Jahr im März bei der Rückkehr von einer Auslandsreise festgenommen und stundenlang von der Kriminalpolizei zu seiner Arbeit befragt.
Anfang Mai verweigerte Bahrain dem ARD-Sportjournalist Robert Kempe ohne Begründung die Einreise zum Kongress des Weltfußballverbands FIFA. Kempe hat in der Vergangenheit kritisch über Mitglieder des bahrainischen Königshauses berichtet, die führende sportpolitische Positionen einnehmen. So gehörte er zu den Autoren einer WDR-Dokumentation, die vor der FIFA-Präsidentenwahl im Frühjahr 2016 über den Vorwurf berichtete, der bahrainische Kandidat Scheich Salman bin Ibrahim Al Khalifa sei 2011 bei der Niederschlagung des Arabischen Frühlings in seinem Land an massiven Menschenrechtsverletzungen beteiligt gewesen.
Prozesse wegen Fernsehinterviews und kritischer Tweets
Zu den aktuellen Opfern der Verfolgung durch Bahrains Justiz gehört der international bekannte Menschenrechtsaktivist und Blogger Nabil Radschab, der unter anderem stellvertretender Generalsekretär der Internationalen Föderation für Menschenrechte (FIDH) ist. Raschab ist seit Juni 2016 im Gefängnis steht derzeit in zwei Prozessen vor Gericht, in denen ihm insgesamt bis zu 18 Jahre Haft drohen. In einem davon geht es um mehrere Fernsehinterviews Radschabs zur Menschenrechtslage in Bahrain, im anderen um kritische Tweets zum Militäreinsatz im Jemen und zu Folter in einem bahrainischen Gefängnis. Die jüngsten Verhandlungstage am seiner inzwischen vielfach vertagten Prozesse konnte er wegen seines schlechten Gesundheitszustands nicht wahrnehmen.
Mit Sorge verfolgt ROG auch den Fall des Sportfotografen Hassan Gharib, der am 7. Mai während eines Fußballspiels in der Hauptstadt Manama verhaftet wurde, über das er berichten sollte. Nach ROG-Informationen verbrachte er 2014 schon einmal dreieinhalb Monate in Haft; ihm wurde vorgeworfen, er habe an einem Angriff auf einen Kontrollposten der Polizei teilgenommen, obwohl er sich zur fraglichen Zeit bei einem Fußballverein aufhielt. Im September 2015 wurde Gharib zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, aber zunächst nicht in Haft genommen. Die Gründe für seine aktuelle Verhaftung sind bislang nicht bekannt. Die Anhörung zu einer Haftbeschwerde soll am 6. Juni stattfinden.
Auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit hat sich Bahrain zuletzt um zwei Plätze auf Rang 164 von 180 Ländern verschlechtert.
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