Iran
17.06.2021
Schikane und Zensur vor Präsidentschaftswahl
Vor der Präsidentschaftswahl im Iran setzen die Behörden die Medien immer stärker unter Druck. Reporter ohne Grenzen verurteilt in aller Schärfe die Taktik des Regimes, durch Zensur und Drohungen gegenüber Journalistinnen und Journalisten eine unabhängige Berichterstattung zu behindern.
„Nur mit einer funktionierenden Presselandschaft sind Wahlen überhaupt aussagekräftig. Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich frei und aus verschiedenen Quellen informieren können. Dafür hat sich das iranische Regime allerdings noch nie interessiert“, sagt RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Im Gegenteil: Es schikaniert Medienschaffende, wo es nur kann, um kritische Berichte über diese Wahl-Farce zu unterdrücken.“
Bis zum 16. Mai konnten sich Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt registrieren lassen. Reporter ohne Grenzen hat seit diesem Tag 42 Fälle gezählt, in denen Medienschaffende Gerichtsvorladungen erhielten oder von den Geheimdiensten bedroht wurden. Erst vor wenigen Tagen musste der Fotojournalist Soheil Arabi zum mittlerweile 13. Mal vor Gericht erscheinen. Arabi sitzt seit 2013 im Gefängnis, weil er sich in einem privaten Blog und auf sozialen Medien immer wieder kritisch über die Regierung geäußert hatte. Um den Druck zu erhöhen, hat das Regime immer wieder Mitglieder seiner Familie festgenommen. Das ist eine berüchtigte Taktik der iranischen Autokratie.
Persisch- und englischsprachige Medien im Visier
Weder iranische Journalistinnen im Exil noch internationale Berichterstatter im Land selbst sind vor dem langen Arm der Behörden sicher. Seit Jahren setzen Justiz und Geheimdienste der Islamischen Republik Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter persischsprachiger Auslandsmedien unter massiven Druck. Zu den Methoden gehören Rufmordkampagnen in sozialen Medien, Verhöre von Verwandten im Iran und die Beschlagnahme von Inlandsvermögen der Betroffenen. Ein aktueller Gesetzesvorschlag im Iran würde zudem US-amerikanischen und britischen Journalistinnen und Journalisten die Einreise untersagen. Es wäre dann auch verboten, auch nur Inhalte aus Medien dieser Länder zu verbreiten.
Wenn während aktueller Krisen kritische Medienberichte zunehmen, schaltet das Regime immer wieder auch das Internet ab. Als am 16. November 2019 in über hundert iranischen Städten größere Proteste ausbrachen, unterbrachen die Behörden für 52 Stunden sämtliche Verbindungen komplett. Während der Corona-Pandemie spielte die Islamische Republik die Opferzahlen herunter und verschärfte die Einschränkungen für traditionelle Medien und soziale Netzwerke. Das Regime verhörte, verhaftete und verurteilte Medienschaffende für ihre unabhängige Berichterstattung.
Der Iran vollstreckt Todesurteile gegen Journalisten
Ende 2020 bestätigte der Iran mit der weltweit ersten staatlichen Hinrichtung eines Journalisten seit 30 Jahren seine Stellung als einer der schlimmsten Unterdrücker der Pressefreiheit. Am 12. Dezember ließ das Regime den oppositionellen Bürgerjournalisten Ruhollah Sam hinrichten. Im Oktober 2019 wurde Sam auf einer Reise in die irakische Hauptstadt Bagdad von iranischen Revolutionswächtern entführt. Sie führten ihn anschließend unter Zwang im iranischen Staatsfernsehen vor. Seit der Revolution von 1979 haben die iranischen Behörden mindestens 860 Medienschaffende verfolgt, festgenommen und inhaftiert. Neben Ruhollah Sam hat das Regime mindestens vier weitere hauptberufliche Journalisten hingerichtet.
Der Iran ist einer der repressivsten Staaten der Erde, positive Entwicklungen mit Bezug auf die Pressefreiheit sind selten. Ein Hoffnungsschimmer war die Freilassung von Hengameh Schahidi im Februar 2021. Die Bloggerin war 2018 wegen Enthüllungen über Ungerechtigkeiten im Justizsystem zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht der Iran seit Jahren auf den hintersten Plätzen. In der aktuellen Rangliste belegt er Rang 174 von 180.
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