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Iran

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 176 von 180
Iran 08.09.2023

Elahe Mohammadi: sie beschrieb die Trauer

Auf dem Bild sind zwei lächelnde Frauen abgebildet. Links ist Nilufar Hamedi, Rechts ist Elahe Mohammadi. Nilufar ist ein kleines Stück größer und hat etwas hellere braune Haare als Elahe. Sie trägt eine Schwarz-Weiß gemusterte Bluse und hat eine Sonnenbrille auf dem Kopf. Elahe trägt ein weißes Hemd mit schmalen schwarzen Streifen. Beide Frauen tragen eine Schaila, Nilufars ist Creme-Weiß, Elahes ist Purpur-rot.
Die iranischen Journalistinnen Elahe Mohammadi und Nilufar Hamedi picture alliance / abaca | SalamPix/ABACA

Saqqez, Kurdistan, am 17. September 2022: Tausende Menschen nehmen an der Beerdigung der 22-jährigen Jina Mahsa Amini teil, die am Tag zuvor in der Gewalt der iranischen Sittenpolizei ums Leben kam. Tausende Trauernde – doch nur eine einzige Journalistin, Elahe Mohammadi, berichtete über die Beerdigung. Dafür ließ das Regime sie am 29. September einsperren. Seit fast einem Jahr wartet sie im Teheraner Evin-Gefängnis auf ihr Urteil. Auch Elahes Zwillingsschwester Elnas, ebenfalls Journalistin, wird bestraft: Sie wurde vor wenigen Tagen, am 3. September, zu drei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.

„Das Regime in Teheran schlägt um sich“, sagte Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen. „Das ist wilde Entschlossenheit, aber auch eiskalte Strategie. Die Herren in der Führungsriege glauben offensichtlich, dass sie den Willen des Volkes brechen können, indem sie jede unabhängige Stimme einsperren lassen.“

Elahe Mohammadi hatte frühzeitig vom Tod Jina Mahsa Aminis im Teheraner Kasra-Krankenhaus gehört. Die Journalistin arbeitet für die lange Zeit verbotene Tageszeitung Ham Mihan. Sie nahm Kontakt mit der Familie der jungen Kurdin auf und fuhr am frühen Morgen des 17. September zu Aminis Beerdigung nach Saqqez, einer größtenteils kurdischen Stadt im Nordwesten des Iran. „Nachdem ihre Vorgesetzten die Reise genehmigt hatten, kaufte Elahe sofort das letzte Flugticket nach Sanandadsch [...] und fuhr die zweistündige Strecke von dort nach Saqqez, dem Geburtsort von Mahsa Amini, im Taxi“, schrieb Elahes Schwester Elnas später in Ham Mihan. Die Beerdigung auf dem Aichi-Friedhof in Saqqez entwickelte sich zu einer der ersten Protestaktionen. Ihren Artikel darüber überschrieb sie mit „Ein Land der Trauer“.

Am 29. September 2022 wurde Elahe Mohammadi zum Verhör geladen. Mitarbeitende des Geheimdienstes fingen sie jedoch auf dem Weg ab und nahmen sie fest. Am Abend twitterte ihr Ehemann: „Meine Frau hat in einem kurzen Anruf mitgeteilt, dass sie sich im Trakt 209 des Evin-Gefängnisses befinde und dass keine Anklage gegen sie erhoben wurde.“ Zu Beginn musste Mohammadi 17 Tage in Einzelhaft verbringen, später wurde sie für eine längere Zeit in das ebenfalls berüchtigte Qarchak-Gefängnis im Osten Teherans verlegt. Während der Haft fuhren die Sicherheitskräfte eine öffentliche Verleumdungskampagne gegen die Journalistin. Dennoch ist Mohammadi laut ihren Angehörigen noch guter Dinge: Aus ihrer Zelle heraus rezitiert sie Gedichte und schreibt Dankesbriefe an Menschen, die sie von außerhalb unterstützen.

Nach sieben Monaten in Untersuchungshaft begann ihre Gerichtsverhandlung am 30. Mai 2023. Die Anklage lautet auf „Verschwörung“ und „staatsfeindliche Propaganda“ – darauf steht im schlimmsten Fall die Todesstrafe. Bei der bislang letzten Anhörung am 26. Juli wies Elahe Mohammadi die Anklagen zurück.

Bewährungsstrafe und Berufsverbot für die Zwillingsschwester

Elahes Zwillingsschwester Elnas Mohammadi wurde am 5. Februar festgenommen. Sie hatte drei Monate zuvor in Ham Mihan über das brutale Vorgehen des Regimes gegen Medienschaffende geschrieben, die über den Tod von Jina Mahsa Amini berichtet hatten. Eine Woche nach ihrer Festnahme kam sie gegen Kaution frei, wurde jedoch am 3. September 2023 von der Abteilung 26 des Teheraner Revolutionsgerichts zu drei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.

Im Gegensatz zu ihrer Schwester ist sie derzeit nicht in Haft, darf aber den Iran nicht verlassen und nicht mit ausländischen Medien sprechen. Sie darf nicht mehr als Journalistin arbeiten, muss aber dennoch regelmäßig an einer Schulung zu „ethischem Journalismus“ teilnehmen, die vom iranischen Ministerium für Nachrichtenwesen koordiniert wird.

Journalismus: für die Mohammadi-Schwestern mehr Berufung als Job

Elnas und Elahe Mohammadi sind heute 36 Jahre alt. Sie teilen eine Leidenschaft für Literatur und Poesie und begannen beide schon früh mit dem Schreiben. Elnas studierte später Kommunikationswissenschaft und machte ihren Bachelor-Abschluss an der Allameh-Tabatabai-Universität in Teheran. Elahe studierte persische Sprache und Literatur an der Al-Zahra-Universität in Teheran und Frauenstudien in Kerman. Anschließend arbeitete sie in den Gesellschafts- und Politikressorts verschiedener lokaler Redaktionen wie Etemad Daily, Khabar Online, Haft-e Sobh Daily und Etemad Online.

Seit 2022 arbeiteten die Zwillingsschwestern gemeinsam für eine der wenigen reformorientierten Zeitungen, Ham Mihan, die zuvor nach jahrelanger Suspendierung durch das Regime wieder zugelassen wurde. Elahe Mohammadi analysierte und kommentierte Gesetzesentwürfe zum sogenannten „Schutz der Frauen“, schrieb Reportagen über Zwangsverheiratungen von Mädchen und über das Verbot für Frauen, Motorräder zu fahren. Die Journalistin Fatima Rajabi, die ab 30. September 2022 für drei Wochen im Gefängnis saß, twitterte im Dezember 2022, an Elahe gerichtet: „Wo immer es Leid gab – du und deine Feder waren da.“

2018 traf Elahe Mohammadi auf ihre Kollegin Nilufar Hamedi, die derzeit ebenfalls im Evin-Gefängnis inhaftiert ist. Gemeinsam wurden sie vom britischen Time Magazine zu den einflussreichsten Frauen des Jahres 2023 ernannt und gewannen zusammen mit ihrer Kollegin Narges Mohammadi, mit der sie nicht verwandt ist, den UNESCO/Guillermo Cano World Press Freedom Prize. Im Juni erhielten die beiden den „Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen“ der Organisation Netzwerk Recherche. Der Journalist Omid Rezaee hielt eine berührende Laudatio.

Seit vielen Jahrzehnten gehört der Iran mit Blick auf die Pressefreiheit zu den repressivsten Regimen der Welt. Seit Beginn des Aufstands am 16. September 2022 haben die Behörden mehr als 80 Medienschaffende einsperren lassen, darunter 30 Frauen, manche bereits zum wiederholten Mal.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht der Iran auf Platz 177 von 180 Staaten.



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