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Jemen

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 154 von 180
Iran / Jemen / Nordkorea 31.07.2020

Journalisten mit dem Tode bedroht

Die jemenitischen Journalisten Abdul Chalek Amran, Akram al-Walidi, Hareth Humaid und Taufik al-Mansuri

Reporter ohne Grenzen (RSF) ist bestürzt über die Verhängung von Todesurteilen in unterschiedlichen Ländern, um Journalistinnen und Journalisten zu bedrohen und einzuschüchtern. 2020 sind bereits vier jemenitische Journalisten und ein iranischer Redakteur zum Tode verurteilt worden und könnten jederzeit hingerichtet werden.

„Es ist unvorstellbar, dass Journalistinnen und Journalisten auch im Jahr 2020 immer noch zu dieser archaischen und barbarischen Strafe verurteilt werden“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Drohungen, Medienschaffende wegen ihrer Arbeit hinzurichten, sollten der Vergangenheit angehören. Alle Regierungen, die gegen die Todesstrafe sind, sollten sich gemeinsam dafür einsetzen, dass diese brutale Strafform abgeschafft wird. Die Drohung mit dem Tode bedeutet die größtmögliche Verletzung der Pressefreiheit.“

Aktuell neun Journalisten zum Tode verurteilt

Die jemenitischen Journalisten Abdul Chalek Amran, Akram al-Walidi, Hareth Humaid und Taufik al-Mansuri sind im April von einem Gericht der Huthi-Rebellen der Spionage schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt worden. Sie waren vor fünf Jahren von den Huthis entführt und gewaltsamen Verhören und Folter ausgesetzt, nachdem sie unter anderem über den Krieg im Jemen und Menschenrechtsverletzungen durch die Huthis berichtet hatten.

Gegen den iranischen Regierungskritiker Ruhollah Sam, der die Webseite AmadNews und einen Kanal auf dem Nachrichtendienst Telegram betrieb, hat ein Teheraner Revolutionsgericht am 30. Juni ein Todesurteil verhängt. Sam, der aus dem französischen Exil über politische Korruptionsfälle im Iran berichtet hatte, war im Oktober 2019 bei einer Reise nach Bagdad entführt worden.

Mit den jüngsten Urteilen steigt die Zahl der Medienschaffenden, die weltweit mit einer Hinrichtung rechnen müssen, auf neun. Der zuvor letzte Fall war im September 2017, als ein nordkoreanisches Gericht die Todesstrafe gegen die südkoreanischen Journalisten Son Hyo Rim und Yang Ji Ho sowie die Herausgeber ihrer Zeitung, Kim Jae Ho und Pang Sang Hun, in Abwesenheit verhängte. Sie hatten eine positive Rezension eines „beleidigenden“ Buches über Nordkoreas wachsende Marktwirtschaft veröffentlicht.

Ständige Bedrohung bleibt

Während es unwahrscheinlich ist, dass die nordkoreanischen Urteile tatsächlich vollstreckt werden, ist die Todesstrafe im Iran, einem der Länder mit den höchsten Zahlen von Hinrichtungen, eine ständige Bedrohung für Journalistinnen und Journalisten. In den vergangenen 20 Jahren sind dort mindestens 20 Medienschaffende zum Tode verurteilt worden. 

Das islamische Strafrecht des Iran sieht die Todesstrafe für eine Vielzahl von Vergehen vor. So wurde Soheil Arabi, den RSF 2017 als Bürgerjournalist des Jahres auszeichnete, 2014 wegen "Beleidigung des islamischen Propheten, der schiitischen heiligen Imame und des Korans" zum Tode verurteilt.

Gegen Adnan Hassanpur, der für die iranische kurdischsprachige Wochenzeitung Asu arbeitete, wurde 2007 die Todesstrafe wegen Spionage verhängt. Hassan Jusefi Eschkewari, ein islamischer Geistlicher und Journalist, der für die Zeitschrift Iran-e Farda tätig war, waren subversive Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit, Diffamierung der Behörden und Angriffe auf das Ansehen des Klerus vorgeworfen worden. Er wurde 2000 von einem Sondergericht für Geistliche zum Tode verurteilt.

All diese Urteile wurden in lange Gefängnisstrafen, manchmal lebenslänglich, umgewandelt. Trotzdem hält der Iran den negativen Rekord für die höchste Zahl hingerichteter Journalistinnen und Journalisten in den vergangenen 50 Jahren. Nach der islamischen Revolution von 1979 wurden mindestens 20 dem Schah-Regime nahestehende Medienschaffende wie Ali Asgar Amirani, Simon Farsami sowie Nasrollah Arman und andere wie Said Soltanpur und Rahman Hatefi-Monfared, die mit linken Gruppierungen in Verbindung standen, hingerichtet.

Einsatz gegen die Todesstrafe

Das vorerst letzte Mal, dass ein Todesurteil gegen einen Journalisten vollstreckt wurde, war vor 30 Jahren in Irans Nachbarland Irak. Im März 1990 wurde der britische Journalist Farzad Bazoft unter dem Vorwurf der Spionage für den britischen und israelischen Geheimdienst hingerichtet.  

Seither haben sich Pressefreiheits- und Menschenrechtsorganisationen, darunter RSF, in zahlreichen Fällen dafür eingesetzt, die Vollstreckung der Todesstrafe gegen Medienschaffende zu verhindern. In Mauretanien wurde der Blogger Mohamed Cheikh Ould Mohamed Mkhaitir 2014 wegen „Abfalls vom Glauben“ zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde in der Berufung 2016 bestätigt, aber 2017 in eine zweijährige Haftstrafe umgewandelt.

In Myanmar wurde der Sportjournalist Zaw Thet Htwe 2004 zum Tode verurteilt, weil er Informationen an die Internationale Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen geschickt hatte. Sein Urteil wurde später vom Obersten Gerichtshof in eine dreijährige Haftstrafe umgewandelt.  

Erfolg zeigten auch größere RSF-Kampagnen zu einigen symbolträchtigen Fällen, wie die des Fotografen Shawkan in Ägypten und des Korrespondenten von Radio France Internationale, Ahmed Abba, in Kamerun. Beide Male sowie in den Fällen der Journalisten Ali al-Omari in Saudi-Arabien und Ali Mohakik Nasab in Afghanistan hatten die Staatsanwaltschaften die Todesstrafe für Blasphemie und Unterstützung von Terrorismus beantragt. Die Richter folgten diesen Forderungen jedoch nicht.

Lebenslange Haftstrafen und Auftragsmorde

In China, einem von 54 Ländern, in denen es noch immer die Todesstrafe gibt und wo weltweit die meisten Todesurteile vollstreckt werden, war der letzte Journalist, der hingerichtet wurde, der Associated-Press-Korrespondent Yin-Chih Jao im Jahr 1951. Lange Gefängnisstrafen und lebenslange Haftstrafen, oft unter entsetzlichen Bedingungen und begleitet von Misshandlungen, laufen in Wirklichkeit jedoch ebenfalls auf Todesurteile hinaus. Im Jahr 2017 starben der Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo und der Blogger Yang Tongyan an den Folgen mangelnder medizinischer Versorgung im Gefängnis.

In Lateinamerika, wo die meisten Länder die Todesstrafe in den vergangenen Jahrzehnten ganz oder teilweise abgeschafft haben, wurde seit 50 Jahren keine Journalistin oder kein Journalist mehr zum Tode verurteilt. Die direkte oder indirekte Beteiligung von Regierungen an außergerichtlichen Hinrichtungen von Medienschaffenden durch Auftragsmörderinnen und -mörder oder kriminelle Banden ist jedoch in mehreren Ländern der Region, darunter Argentinien, Chile, Mexiko, Brasilien und Kolumbien, eine immer wiederkehrende traurige Realität.

Bedrohung durch nichtstaatliche Gruppen

Medienschaffende werden auch von nichtstaatlichen Akteuren mit dem Tode bedroht. So wurden in Syrien die US-amerikanischen Journalisten James Foley und Steven Sotloff im August 2014 vom Islamischen Staat als Vergeltung für die US-Intervention im Irak und in Syrien enthauptet.

In Afghanistan wurden seit 2001 ein Dutzend einheimischer Journalistinnen und Journalisten sowie Medienmitarbeiterinnen und -mitarbeiter von den Taliban hingerichtet. Unter ihnen war der BBC-Korrespondent Abdul Samad Rohani, der 2008 erschossen wurde. Ajmal Naqshbandi und Sayed Agha, die als Übersetzer bzw. Fahrer für den italienischen Journalisten Daniele Mastrogiacomo tätig waren, wurde die Kehle durchgeschnitten.

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