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Syrien

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 179 von 180
Syrien 29.08.2013

Schon mehr als 100 Journalisten getötet

© AP Images

Im syrischen Bürgerkrieg sind inzwischen mehr als 100 Journalisten wegen ihrer Arbeit getötet worden. Zu diesem Ergebnis kommt Reporter ohne Grenzen (ROG) nach einer detaillierten Auswertung zahlreicher Übergriffe in den vergangenen Monaten. Demnach wurden seit Beginn der Proteste gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad im März 2011 insgesamt 25 professionelle Journalisten und rund 70 Bürgerjournalisten getötet. Sechs von ihnen waren Ausländer. Syrien ist damit das derzeit gefährlichste Land der Welt für Journalisten und Medienaktivisten.

Momentan werden zudem 14 ausländische und mehr als 60 syrische Medienschaffende von unterschiedlichen Konfliktparteien festgehalten oder gelten als vermisst. Unter ihnen ist der deutsche Journalist Armin Wertz, der Anfang Mai in Aleppo in Polizeihaft geriet.

„Freie, unabhängige Informationen sind ein Menschenrecht und gerade in einer Kriegssituation wie in Syrien von entscheidender Bedeutung für alle Beteiligten“, mahnte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Das Völkerrecht gilt für alle Konfliktparteien und stellt Journalisten unter den gleichen Schutz wie alle anderen Zivilisten. Gezielte Gewalt und willkürliche Festnahmen oder Verschleppungen sind damit unvereinbar.“

ROG berücksichtigt bei seinen Fallzahlen ausschließlich Übergriffe, die in direktem Zusammenhang mit der journalistischen Arbeit der Betroffenen stehen. Fälle, in denen Journalisten aus anderen Gründen verfolgt werden oder die wegen ungesicherter Informationen noch nicht eindeutig geklärt werden konnten, fließen nicht in die Statistik ein. Dies galt bis zur aktuellen Auswertung für viele Übergriffe auf syrische Bürgerjournalisten, zu deren Fällen die Recherche besonders aufwendig ist.

Einer der jüngsten Todesfälle ist der von Shahir Muaddamani, dem Leiter einer lokalen Pressestelle in Daraja vor den Toren von Damaskus. Er wurde am 16. August bei einer Granatenexplosion tödlich verletzt, als er auf dem Weg zu einer nahen Front war, um über die Kämpfe zu berichten. Wiederholt sind Korrespondenten des oppositionellen Fernsehsenders Orient TV verletzt worden: Pesheng Alo wurde in Aleppo von einem Scharfschützen getroffen, Hadi Al-Menjed bei einem Armeeangriff auf Rebellen der Freien Syrischen Armee in Ghazlania verletzt und Ammar Dendech in der Provinz Idlib bei einem Bombardement der Armee von Granatsplittern getroffen.

Mit größter Sorge beobachtet ROG, dass bewaffnete Rebellen und vor allem militante Islamisten immer öfter Journalisten festnehmen oder entführen. Für die größte Zahl solcher Übergriffe war in den vergangenen Monaten die Al-Qaida nahestehende Gruppe Islamischer Staat im Irak und Syrien (ISIS) verantwortlich. Eine wichtige Rolle spielt weiterhin die ebenfalls Al-Qaida-nahe Al-Nusra-Front. ROG zählt diese Gruppe ebenso wie den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu den größten Feinden der Pressefreiheit weltweit.

Zu den Vermissten gehören Medienaktivisten wie Mohammed Nour Matar, der Bruder des in Deutschland im Exil lebenden Journalisten und Menschenrechtsaktivisten Amer Matar. Über seinen Verbleib gibt es keine Informationen, seit er am 13. August aus der nordsyrischen Stadt Raqqa über Gefechte zwischen rivalisierenden Rebellengruppen berichten wollte. Ein Sanitäter fand seine verkohlte Kamera am Ort eines von ISIS verübten Selbstmordattentats.

Nach wie vor vermisst wird auch Sami Jamal, ein freier Mitarbeiter des von ROG unterstützten unabhängigen Senders Radio Rozana. Er wurde am 14. August in Al-Atarib östlich von Aleppo von ISIS-Rebellen entführt. Der freie Journalist Mustapha Al-Ahmady wurde am 11. Juni in dem Grenzort Jarabulus von der Nusra-Front festgenommen und Berichten zufolge öffentlich gefoltert, bevor er nach fünf Tagen freikam. Al-Ahmady berichtet aus Jarabulus seit Beginn der Anti-Assad-Proteste für arabische Medien.

In Raqqa griffen ISIS-Rebellen am 8. Mai den Sitz der Nachrichtenagentur Free Syria News an und nahmen dabei zehn Mitarbeiter sowie drei Besucher fest. Die Mitarbeiter der Agentur, darunter ihr Leiter Jassem Awad sowie ihr Chefredakteur und Gründer Jameel Salou, wurden nach eigenen Angaben 25 Tage lang festgehalten, misshandelt und gefoltert.

Verstörend sind auch die zahlreichen Verhaftungen und Willkürurteile durch sogenannte Scharia-Gerichte in den Rebellengebieten. Ein solches Gericht ließ in Aleppo etwa den Fotografen Zaid Mohammed verhaften, weil er öffentlich zur Schaffung eines demokratischen und säkularen Staats in Syrien aufgerufen hatte. In einem anderen Fall ordnete ein Scharia-Gericht die Festnahme des Medienaktivisten Abdullah Maraai an, nachdem sich ein Rebellenkommandeur über einen kritischen Artikel in einer Wochenzeitung beschwert hatte.

Auch die Sicherheitskräfte Al-Assads gehen mit unverminderter Härte gegen Medienschaffende vor. Einer der Gründer von Orient TV, der Videotechniker Abdurrahman Rya, wurde unter unbekannten Vorwürfen am 7. Juni in seinem Büro in Damaskus festgenommen. Die Journalistin Shaza Al-Maddad (Al-Khabar, Baladna) kam nach ihrer Verhaftung am 2. November 2012 erst am 10. Juli auf Kaution frei und wartet nun auf ihren Prozess vor einem Anti-Terror-Tribunal. Am 12. Juni verurteilte ein Militärgericht in Damaskus den Journalisten Bilal Ahmed Bilal vom Fernsehsender Falesteen Al-Youm zu 15 Jahren Haft.

Am 21. August wurde auch der Prozess gegen Mazen Darwish fortgesetzt, den Gründer des Syrischen Zentrums für Medien und Meinungsfreiheit (SCM). Darwish – von ROG 2012 als Journalist des Jahres geehrt – sowie seine Mitarbeiter Hussein Gharir und Hani Zaitani wurden am 6. Februar 2012 verhaftet. Sie sind ausdrücklich wegen ihrer Arbeit für das SCM angeklagt. Gemäß einem 2012 erlassenen Anti-Terror-Gesetz drohen ihnen 15 Jahre Haft sowie Zwangsarbeit. Der Prozess gegen zwei weitere SCM-Aktivisten wurde zuletzt mehrfach vertagt und soll nun am 2. Oktober fortgesetzt werden.

Auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit steht Syrien auf Platz 176 von 179 Ländern – noch schlimmer ist die Lage nur in Turkmenistan, Nordkorea und Eritrea. Aktuelle Meldungen zur Situation von Journalisten und Medien in Syrien finden Sie hier.

 

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