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Tunesien

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 118 von 180
Tunesien 14.01.2011

Gewalttätige Ausschreitungen: EU und UNO müssen Druck auf tunesische Regierung erhöhen

Gemeinsam mit vier weiteren Menschenrechtsorganisationen verurteilt Reporter ohne Grenzen (ROG) die Niederschlagung der Protestbewegung in Tunesien. Gleichzeitig fordern ROG, das Euro-Mediterranean Human Rights Network (EMHRN), die International Federation for Human Rights (FIDH), die World Organisation Against Torture (OMCT) und das Cairo Institute for Human Rights Studies (CIHRS) die Europäische Union und die Vereinten Nationen zu einer nachdrücklichen Reaktion auf die Gewalt auf.

Die dramatische Entwicklung in dem nordafrikanischen Land sei höchst besorgniserregend, so die Nichtregierungsorganisationen. Dort fände eine gewalttätige und blindwütige Unterdrückung einer breiten Protestbewegung statt, die soziale Ungerechtigkeit, Korruption sowie die Verweigerung von Grundfreiheiten anprangert. In einem Forderungskatalog verlangt das NGO-Bündnis unter anderem die Aussetzung der derzeitigen Verhandlungen der EU mit Tunesien über eine Ausweitung der gemeinsamen Partnerschaft im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP).
 
Die Organisationen verurteilen mit großer Entschiedenheit die schweren, unverhältnismäßigen und systematischen Verstöße gegen die Menschenrechte bei der Unterdrückung der Proteste. Die Gruppe kritisiert insbesondere die Anwendung von Waffengewalt durch Polizeieinheiten gegen unbewaffnete Zivilisten. Mindestens 23 Menschen sind bei den Zusammenstößen ums Leben gekommen, Hunderte Demonstranten, Aktivisten und Berichterstatter wurden willkürlich verhaftet, inhaftierte politische Häftlinge wurden misshandelt und gefoltert.

Seit den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Oktober 2009 in Tunesien beobachten die fünf Organisationen eine deutliche Verschlechterung der Menschenrechtssituation in dem nordafrikanischen Land. Die tunesische Regierung weigert sich, ihre internationalen Verpflichtungen, namentlich bei der Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, einzuhalten.

Das Organisationenbündnis fordert die Europäische Union und die Vereinten Nationen mit Nachdruck auf, Konsequenzen aus der abwehrenden Haltung der Regierung unter Präsident Zine el Abidine Ben Ali zu ziehen. „Wir fordern die internationale Gemeinschaft insbesondere die UNO und EU auf, eine geschlossene Position gegenüber der tunesischen Regierung einzunehmen.“ Deren Rechtsverstöße müssten verurteilt und konkrete Maßnahmen und Schritte von den tunesischen Verhandlungspartnern eingefordert werden.

Die Organisationen appellieren an die internationale Staatengemeinschaft, folgende Forderungen an die tunesische Regierung zu stellen:

• Die Achtung der Versammlungsfreiheit, vor allem das sofortige Ende der Gewalt und des Schusswaffengebrauchs von Ordnungskräften gegen Demonstranten.
• Die Einhaltung der Grundsätze der Meinungsfreiheit.
• Die umgehende und bedingungslose Freilassung aller Personen, insbesondere von Menschenrechtsverteidigern, Anwälten, Journalisten, Bloggern, Gewerkschaftern und politischen Persönlichkeiten, die während der Protestbewegung willkürlich festgenommen wurden sowie ein Ende von Folterpraktiken und anderer Misshandlungen.
• Die Einsetzung einer nationalen Untersuchungskommission – unabhängig und unparteilich – mit dem Auftrag, die begangenen Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen (einschließlich der Fälle von außergerichtlichen Exekutionen und willkürlichen Verhaftungen).
• Die Einrichtung einer internationalen unabhängigen Kommission unter der Ägide der Vereinten Nationen.
• Die Identifizierung der Verantwortlichen für die Verbrechen und die Überführung der Täter an die Justiz.  
• Die Bewilligung von Schadensersatzzahlungen an die Opfer der Verbrechen und/oder an ihre Familien.
• Die Aufhebung der Blockade der Berichterstattung tunesischer und ausländischer Medien, die über die Unruhen informieren möchten.
• Die Aussetzung der Verhandlungen der EU mit Tunesien über die Bewilligung eines „fortgeschrittenen Status“ im Rahmen der ENP, solange keine konkreten Fortschritte bei der Einhaltung der Menschenrechte im Land erreicht werden – insbesondere die Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsrecht betreffend.
• Die Garantie der politischen und gewerkschaftlichen Vielfalt, die Achtung der Eigenständigkeit zivilgesellschaftlicher Organisationen, der Unabhängigkeit des Gerichtssystems, die Aufhebung der Internetzensur und Freilassung von politischen Häftlingen.  

„Es ist lebenswichtig, dass der tunesische Staat die Menschenrechte und Grundfreiheiten respektiert und auf Maßnahmen verzichtet, die die Gewalt schüren könnten“, warnen die Organisationen. Andernfalls werde es keine Lösung für die aktuelle Krise in Tunesien geben.

Lesen Sie hier eine ROG-Pressemitteilung vom 13.1.2011 zu den aktuellen Repressionen gegen Medienschaffende in Tunesien.

 

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