Malta
22.07.2020
Kronzeuge lebensgefährlich verletzt
Reporter ohne Grenzen (RSF) ist in höchstem Maße beunruhigt über die neuesten Entwicklungen im Mordfall Daphne Caruana Galizia. Der Kronzeuge und mutmaßliche Mittelsmann Melvin Theuma wurde am Dienstagabend mit schweren Stichverletzungen an Hals und Rumpf in seiner Wohnung aufgefunden und befindet sich in kritischem Zustand im Krankenhaus. Am Mittwoch sollte die Beweisführung gegen den Geschäftsmann Yorgen Fenech, den Theuma als Drahtzieher beschuldigt, fortgesetzt werden. RSF beobachtet die Ermittlungen vor Ort. Am Freitag soll RSF zudem in der sogenannten öffentlichen Untersuchung angehört werden, die zum Ziel hat, die Hintergründe aufzuklären, die zu dem Mord führten.
„Dass der Hauptbelastungszeuge gestern lebensgefährlich verletzt aufgefunden wurde, ist eine weitere unglaubliche Entwicklung im einem Fall, der von Anfang an von Unregelmäßigkeiten und rechtsstaatlichen Verstößen geprägt war“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Wir erwarten, dass die maltesischen Behörden diesen verstörenden Vorfall ebenso restlos aufklären wie den Mord an Daphne Caruana Galizia. Alle, die an dem schrecklichen Mord an einer mutigen Journalistin beteiligt waren, müssen in einem transparenten rechtsstaatlichen Verfahren zur Rechenschaft gezogen werden.“
Melvin Theuma, ein Taxifahrer, wurde laut Medienberichten am Dienstagabend (21. Juli) gegen 21 Uhr mit aufgeschlitzter Kehle und einer großen Bauchwunde von Polizeikräften aufgefunden, die zu seinem Schutz vor Theumas Wohngebäude positioniert waren. Die Polizei erklärte, dass es sich um einen Suizidversuch handelte. Diese rasche Festlegung wurde umgehend von verschiedenen Seiten kritisiert.
Bei einem für Mittwoch (22. Juli) angesetzten Gerichtstermin des mutmaßlichen Drahtziehers im Mordfall Daphne Caruana Galizia, Yorgen Fenech, sollte es unter anderem um die präsidentielle Begnadigung gehen, die Theuma im Gegenzug für sein Geständnis und seine Aussagen unter anderem gegen Fenech erhalten hat. Die Direktorin für internationale Kampagnen bei RSF, Rebecca Vincent, ist auf Malta und beobachtet die Beweisführung bei Gericht.
Die Sprecherin des internationalen Sekretariats von RSF, Pauline Adès-Mével, soll am Freitag (24. Juli) als erste Vertreterin einer internationalen NGO im Rahmen der öffentlichen Untersuchung aussagen. Adès-Mével wird unter anderem über die Lage der Pressefreiheit auf Malta vor der Ermordung der Investigativjournalistin Daphne Caruana Galizia am 16. Oktober 2017 berichten. RSF und andere Presse- und Meinungsfreiheitsorganisationen haben sich nach dem Mord für die Einsetzung einer öffentlichen Untersuchung durch eine unabhängige Kommission eingesetzt, da bei den strafrechtlichen Ermittlungen fast zwei Jahre lang keine Fortschritte erzielt wurden.
In einem knapp 50-seitigen Bericht hat RSF gemeinsam mit dem maltesischen Online-Medium The Shift News im vergangenen Oktober die umfangreichen Versäumnisse der maltesischen Behörden, die zahlreichen Ungereimtheiten in den Mordermittlungen, die ungestraft gebliebenen Bedrohungen gegen Caruana Galizia vor ihrem Tod sowie die anhaltenden Angriffe auf unabhängig arbeitende Medien in Malta dokumentiert. Weitere Missstände hat die öffentliche Untersuchung ans Licht gebracht, die im Dezember 2019 begonnen hat.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Malta auf Platz 81 von 180 Staaten. Seit 2016 hat sich das Land um 35 Plätze verschlechtert.
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