PETITION:
Ausländische Journalisten vor Überwachung durch den BND schützen
Reporter ohne Grenzen fordert den Deutschen Bundestag gemeinsam mit zahlreichen nationalen und internationalen Medien, Verbänden und Menschenrechtsorganisationen auf, den Entwurf des BND-Gesetzes umgehend zu überarbeiten und ausländische Journalisten vor Überwachung zu schützen.
Nach dem Willen der Großen Koalition soll der Bundesnachrichtendienst ausdrücklich das Recht erhalten, ausländische Journalisten außerhalb der EU praktisch schrankenlos zu überwachen, wenn es den politischen Interessen Deutschlands dienen könnte. Die beteiligten Medien und Organisationen halten die globale Massenüberwachung des BND für einen Verstoß gegen die Menschenrechte und sehen in der Überwachung von Journalisten einen schwerwiegenden Eingriff in die Pressefreiheit.
Das Bündnis fordert den deutschen Bundestag auf, in den bevorstehenden parlamentarischen Beratungen den Schutz von Journalisten vor Überwachung in den Gesetzestext aufzunehmen.
Im September werden wir den Fraktionsvorsitzenden von CDU/CSU und SPD unsere gemeinsame Petition überreichen.
Details zum Gesetzesentwurf und unseren Forderungen
Warum wird der BND reformiert?
Im Zuge der Snowden-Enthüllungen hat der deutsche Bundestag den sogenannten NSA-Untersuchungsausschuss eingesetzt, um unter anderem die Verstrickungen des deutschen Auslandsnachrichtendienstes BND in die Abhörpraktiken der amerikanischen NSA aufzuklären. Es kam ans Licht, dass der BND in fragwürdige Überwachungsprogramme verwickelt ist und es an einigen Stellen an einer rechtlichen Grundlage dafür fehlt. Die Bundesregierung kündigte daher an, die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes besser zu kontrollieren und ihre rechtliche Grundlage zu überarbeiten. Ende Juni hat sie einen Gesetzentwurf vorgelegt. Die Pläne für ein neues BND-Gesetzes sind allerdings ein Schock für alle, die Presse- und Medienfreiheit weltweit für ein schützenswertes Grundrecht halten. Reporter ohne Grenzen hat im Jahr 2015 eine Klage eingereicht, weil die Organisation befürchtet, in der Kommunikation mit ausländischen Journalisten vom BND überwacht worden zu sein. Der Gesetzesentwurf legt nahe, dass solche Praktiken nun legalisiert werden sollen.
Was plant die Bundesregierung?
Die Bundesregierung möchte künftig ausländische Journalisten ausspionieren lassen, um an Informationen zu kommen. Bisher regelte vor allem das G 10-Gesetz, unter welchen Umständen der Bundesnachrichtendienst in das Recht auf private Kommunikation eingreifen darf. Im G 10-Gesetz ist festgehalten, dass der BND Journalisten und andere Berufsgeheimnisträger wie Ärzte, Anwälte und Seelsorger nur im Einzelfall unter hohen rechtlichen Hürden überwachen darf.
Die Bundesregierung will dem BND nun im Zuge einer Massenüberwachung ausdrücklich erlauben, ausländische Journalisten auszuspionieren; insbesondere, wenn sie keine EU-Bürger sind und sich in einem nicht-EU-Land aufhalten. Der BND könnte etwa jedes Gespräch der New York Times abhören, wenn damit die „Handlungsfähigkeit“ Deutschland gewahrt würde.
Warum sollten ausgerechnet Journalisten Sonderrechte genießen?
Es steht außer Frage, dass anlasslose Massenüberwachung gegen die Grundrechte aller Menschen weltweit verstößt. Das Recht auf Privatsphäre ist ein universelles Menschenrecht und rechtfertigt Eingriffe in Freiheitsrechte nur, wenn sie nicht willkürlich sind. Der BND soll jedoch schrankenlos globale Kommunikation filtern dürfen, wenn es für die Interessen Deutschlands bedeutsam sein könnte. Wir halten die Pläne der Bundesregierung daher für einen Verstoß gegen Artikel 12 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der das Recht auf Privatsphäre schützt.
Journalisten tragen in einer demokratischen Gesellschaft eine besondere Verantwortung, weil sie den Staat durch kritische Nachfragen und investigative Recherchen kontrollieren. Sie dienen damit der Gesellschaft und helfen, Missstände aufzudecken. Daher genießen sie bestimmte Schutzrechte: Sie müssen beispielsweise vor Gericht nicht ihre Informanten verraten. Wenn der Staat jedoch die Kommunikation von Journalisten abhört und weiß, was Journalisten über ihn recherchieren, können diese ihre Arbeit nicht mehr wirksam ausfüllen. Das schränkt ihre Handlungsfähigkeit ein und macht Informanten Angst, sich ihnen anzuvertrauen. Kritische Berichterstattung wird dadurch langfristig erschwert. Spionage gegen Journalisten – egal wo auf der Welt – ist damit ein Angriff auf die Pressefreiheit. Dass die deutsche Bundesregierung das legalisieren will, ist ein Skandal.
Was soll mit der Petition erreicht werden?
Die Petition soll im September den Fraktionsvorsitzenden der Regierungsparteien CDU/CSU und SPD überreicht werden. Wir fordern, dass der deutsche Bundestag Schutzpflichten für Journalisten und andere Berufsgeheimnisträger gemäß § 53 der Strafprozessordnung ins neue BND-Gesetz aufnimmt. Damit dürfte der BND nur im Ausnahmefall Journalisten überwachen – und zwar in den engen rechtlichen Grenzen, wie sie das Bundesverfassungsgericht mehrfach gebilligt hat. Kein Journalist der Welt sollte Angst haben müssen, vom deutschen Auslandsgeheimdienst überwacht zu werden.
Ist es realistisch, das Gesetzgebungsverfahren noch zu beeinflussen?
Ja! Aber die Zeit drängt und je mehr Menschen unsere Petition unterzeichnen, desto stärker ist unsere Stimme gegenüber dem Bundestag. Nach der ersten Lesung am 8. Juli läuft nun die Phase, in der am ehesten Änderungen am Entwurf vorgenommen werden können. Für die zweite Septemberhälfte ist eine Expertenanhörung im Bundestag geplant. Hier unsere Forderungen mit Nachdruck vortragen zu können, könnte dazu führen, dass der Bundestag den Gesetzesentwurf nochmals überdenkt und Schutzrechte für Journalisten aufnimmt. Im Oktober oder November soll das Gesetz verabschiedet werden und bereits am 1. Januar 2017 in Kraft treten.
Warum konzentriert sich die Kampagne nur auf Deutschland?
Deutschland ist eines der wenigen Länder der Welt, in denen die Veröffentlichungen des NSA-Whistleblowers Edward Snowden ernsthafte politische Konsequenzen nach sich gezogen haben. Dass die deutsche Bundesregierung die Geheimdienste reformieren und in die Sphäre des Rechtsstaates zurückholen will, ist grundsätzlich begrüßenswert. Dieser Prozess wird im Ausland intensiv verfolgt. Umso wichtiger ist es, hier nun menschenrechtskonforme Gesetze zu erlassen. Geschieht das nicht, würde Deutschland einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen. Andere Länder könnten sich bei ihren Reformen dann an den deutschen Einschränkungen der Grundrechte von Bürgern und Journalisten orientieren. Andererseits: Gelingt es mit unserer Kampagne, Schutzrechte von Journalisten in das BND-Gesetz zu schreiben, würde das die Glaubwürdigkeit deutscher Kritik an Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern stärken.
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