Sri Lanka 25.10.2018

ROG stellt Media Ownership Monitor Sri Lanka vor

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Hohe Medienkonzentration und mangelhafte Regulierung bedrohen Medienpluralismus – Reporter ohne Grenzen stellt Media Ownership Monitor Sri Lanka vor

25.10.2018 – Einige wenige Medienbesitzer mit meist politischen Verbindungen vereinen in Sri Lanka einen Großteil der Leser-, Hörer- und Zuschaueranteile auf sich. Auch der eingeschränkte Zugang zu Informationen über die Besitzstrukturen und eine mangelhafte Regulierung bedrohen den Medienpluralismus im Land.  Das zeigen die Ergebnisse viermonatiger Recherchen im Rahmen des weltweiten Projekts Media Ownership Monitor (MOM), die Reporter ohne Grenzen (ROG) und der Think Tank Verité Research heute (25. Oktober) in Colombo vorgestellt haben. Die Ergebnisse sind ab sofort unter www.sri-lanka.mom-rsf.org öffentlich zugänglich.

„Medien spielen eine entscheidende Rolle für eine informierte Öffentlichkeit. Ihre Berichterstattung muss daher frei sein von politischer Einflussnahme. Unsere Recherchen regen hoffentlich eine Debatte an über Transparenz in den Besitzstrukturen der Medien und den politischen Verbindungen ihrer Eigentümer“, sagte Deepanjalie Abeywardana, Leiterin der Abteilung Medienforschung bei Verité Research.

„In Sri Lanka sehen wir eine nahezu unregulierte Medienlandschaft. Was nach Freiheit klingt, bedeutet in der Praxis eine hohe Medienkonzentration in den Händen weniger Gruppen. Es mangelt an rechtsstaatlichen Absicherungen, die eine plurale Medienlandschaft garantieren“, sagte ROG-Vorstandsmitglied Martin Kaul in Colombo. „Dank unserer Recherchen können wir nun sehr genau zeigen, wem die wichtigsten Medien im Land gehören.“

Starke Medienkonzentration

Im Rahmen der MOM-Recherchen wurden 46 der reichweitenstärksten Medien Sri Lankas untersucht. Der Markt des südasiatischen Landes ist in verschiedenen Mediengattungen stark konzentriert. Auf dem Printmarkt vereinen die vier führenden Besitzer (die Familie Wijewardene, die Regierung, die Familie Welgama und die Familie Alles) rund 75 Prozent der Leseranteile auf sich. Bei den Printmedien ist der Abstand zwischen Marktführer und übrigen Eigentümern besonders groß: Die Familie Wijewardene erreicht fast die Hälfte aller Leser.

Auf dem Fernsehmarkt vereinen die vier führenden Besitzer (die Familie Rajamahendran, Dilith Jayaweera & Varuni Fernando, Rayynor Silva und die Regierung) 77 Prozent der Zuschaueranteile auf sich. Auch auf dem Radiomarkt ist die Publikumskonzentration hoch. Auf vier Eigentümer (Rayynor Silva, die Familie Rajamahendran, Dilith Jayaweera & Varuni Amunugama Fernando und Nihal Seneviratne Epa) entfallen 74 Prozent der Höreranteile. Die hohe Publikumskonzentration in allen Gattungen bedeutet ein hohes Risiko für den Medienpluralismus in Sri Lanka. Ein Grund dafür ist auch das Fehlen einer entsprechenden Gesetzgebung, die Medienkonzentration und Monopolbildung verhindert.

Zudem gibt es keine Gesetze, die medienübergreifende Besitzkonzentration verhindern. Drei der führenden Eigentümer auf dem Fernsehmarkt gehören gleichzeitig zu der Gruppe der führenden Medienbesitzer auf dem Radiomarkt. Als einzigem Medienbesitzer gehören der Regierung Medien in allen vier Mediengattungen, inklusive online.

Besitzer mit Verbindungen in die Politik

Wie in vielen anderen bislang im Rahmen des MOM-Projekts untersuchten Ländern offenbaren die Recherchen in Sri Lanka politische Verflechtungen vieler Medienbesitzer, was das Risiko für Einseitigkeit in der Berichterstattung und die Manipulation von Inhalten zugunsten politischer Interessen erhöht. Mehr als die Hälfte der untersuchten sri-lankischen Medien gehören Besitzern mit politischen Verbindungen. Diese Medien haben zum Teil erhebliche Reichweiten. Auf dem Printmarkt etwa vereinen sie fast 80 Prozent der Leseranteile auf sich.

Einige Beispiele: Ranjit Sujiva Wijewardene, Besitzer und Vorsitzender des Verlags Wijeya Newspapers, ist der Onkel des amtierenden Premierministers Ranil Wickremesinghe. Der Vater von Varuni Amunugama Fernando, Besitzerin der Betreibergesellschaft führender Fernseh- und Radiosender, hat einen Ministerposten inne. Der Bruder von Rayynor Silva, Vorsitzender des größten Radionetzwerks in Sri Lanka, ist ein ehemaliger Parlamentsabgeordneter.

Die Gesetzgebung in Sri Lanka hat politische Verbindungen von Medieneigentümern und damit mögliche Interessenkonflikte bisher offenbar nicht als Problem identifiziert. Es gibt keine gesetzliche Regelung, die es Parlamentsabgeordneten oder ihren Verwandten verbietet, Anteile an Medienorganisation zu halten. Medienbesitzer müssen mögliche politische Verbindungen im Unternehmensregister ROC nicht offenlegen.

Doppelrolle des Staates: Medien besitzen und Medien regulieren

Die MOM-Ergebnisse offenbaren zudem eine Schlüsselrolle des Staates im sri-lankischen Medienmarkt und einen Interessenkonflikt. Der Staat ist einer der führenden Medienbesitzer, der gleichzeitig als zentrale Regulierungsbehörde für Medien fungiert. Er betreibt vier Fernsehsender mittels zweier Unternehmen. Eines dieser Unternehmen, die Sri Lanka Rupavahini Corporation (SLRC), reguliert im Auftrag des Ministeriums für Finanzen und Massenmedien private Fernsehsender – und damit die Wettbewerber -  indem es die Lizenzen ausstellt. Die gleiche Aufgabe übernimmt das zweite Unternehmen, die Sri Lanka Broadcasting Corporation (SLBC), auf dem Radiomarkt. Grundlage dafür sind zwei Gesetze aus den Jahren 1982 und 1966. Eine unabhängige Regulierungsbehörde für Medien gibt es nicht.

Terrestrische Frequenzen für audiovisuelle Medien werden von der Telekommunikationsbehörde (TRC) verteilt. Sie steht unter direkter Aufsicht des sri-lankischen Präsidenten Maithripala Sirisena. Der amtierende Vorsitzende der TRC ist gleichzeitig ein enger Mitarbeiter des Präsidenten.

Informationen über Medienbesitzer veraltet oder unvollständig

Eine der größten Herausforderungen der MOM-Recherchen in Sri Lanka war der Zugang zu Informationen über Eigentümer. Medien sind nicht verpflichtet, ihre Besitzstrukturen etwa in ihren Zeitungen oder auf ihren Webseiten offenzulegen.

Zentrale Anlaufstelle während der Recherchen war das Unternehmensregister ROC, in dem Medienunternehmen registriert werden müssen. Zwar sind Informationen zur Besitzstruktur der Medienunternehmen hier zugänglich, die Daten einzusehen und zu ordnen hat jedoch viel Geld und Zeit gekostet. Viele der Unterlagen sind zudem unvollständig, nicht auf dem neuesten Stand und werden unter schlechten Bedingungen aufbewahrt. Das führt dazu, dass die zum Teil jahrzehntealten Dokumente, von denen es keine Kopien gibt, dem Verfall ausgesetzt sind.

Gewalt gegen Journalisten

Auf der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit hat sich Sri Lanka im Vergleich zum Vorjahr um 10 Plätze verbessert und steht nun auf Rang 131 von 180 Staaten. Nach den Präsidentschaftswahlen im Januar 2015 kam eine neue Regierung an die Macht und löste Präsident Mahinda Rajapaksa ab, den Reporter ohne Grenzen auf die Liste der größten Feinde der Pressefreiheit weltweit gesetzt hatte. Während seiner Amtszeit war Gewalt gegen Journalisten weit verbreitet. Zwischen 2004 und 2015 wurden mehr als 20 Medienschaffende wegen ihrer Arbeit getötet. Seit dem Machtwechsel 2015 sind die gewalttätigen Übergriffe gegen Journalisten zurückgegangen, jedoch sind viele der früheren Journalistenmorde bisher ungestraft geblieben.

Der Media Ownership Monitor – Ein globales Rechercheinstrument

Der Media Ownership Monitor ist ein internationales Projekt von Reporter ohne Grenzen, das mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung umgesetzt wird. Gemeinsam mit lokalen Partnerorganisationen wurde er seit 2015 in Albanien, Brasilien, Ghana, Kambodscha, Kolumbien, Marokko, Mexiko, Peru, Serbien, Tunesien, auf den Philippinen, in der Mongolei, der Türkei und der Ukraine durchgeführt. Neben Sri Lanka werden in diesem Jahr auch die Medienbesitzstrukturen in Ägypten, Libanon, Pakistan und Tansania untersucht. Die ROG-Partnerorganisation im Sri Lanka, Verité Research, ist ein unabhängiger Think Tank, der strategische Analysen in den Bereichen Wirtschaft, Medien, Recht und Politik in ganz Asien durchführt. 



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