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Media Ownership Monitor Mexiko

Mexikos Medien werden weitgehend von einigen der reichsten Unternehmer der Welt kontrolliert. Obwohl die Branche boomt, bleiben die Journalisten dabei auf der Strecke: Viele werden so schlecht bezahlt, dass sie kaum von ihrer Arbeit leben können und umso schutzloser gegen Druck von allen Seiten sind. Damit verstärken die Besitzverhältnisse auf dem mexikanischen Medienmarkt die ohnehin existenziellen Gefahren in einem Land, das für Journalisten zu den gefährlichsten der Welt gehört. Die ungezügelte Konzentration von Medienmacht in den Händen weniger Unternehmer und Politiker ist auch eine Folge fehlgeschlagener staatlicher Regulierung. Das zeigen die Ergebnisse des Media Ownership Monitor Mexiko, die Reporter ohne Grenzen (ROG) und die mexikanische Nichtregierungsorganisation Cencos in Mexiko-Stadt vorgestellt haben.

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 121 von 180

Medienkonzentration und die “Fernseh-Fraktion”

Die Ergebnisse sind ab sofort unter mexico.mom-rsf.org auf Spanisch und Englisch öffentlich zugänglich.

„Nur wer um die Interessenverstrickungen der Eigentümer weiß, versteht das Verhalten vieler mexikanischer Medien, die ihre Beziehungen zu den politischen Eliten verschweigen und ihre redaktionelle Linie oft danach richten, wieviel Geld sie aus staatlichen Werbebudgets bekommen“, sagte Cencos-Geschäftsführerin Ixchel Cisnero. „Das Publikum muss diese Besitzverhältnisse kennen, damit es bewusst entscheiden kann, aus welchen Nachrichtenquellen es sich informieren will.“

„Es ist ein Skandal, dass eine wirtschaftlich so erfolgreiche Medienindustrie nicht imstande ist, die Sicherheit ihrer Journalisten zu gewährleisten“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr auch mit Blick auf den jüngsten Mordfall, die Tötung des Online-Journalisten Leobardo Vazquez Atzin am Mittwoch im Bundesstaat Veracruz.

„Die staatliche Regulierung ist auf dem mexikanischen Medienmarkt bislang völlig erfolglos geblieben. Deshalb besteht dringender politischer Handlungsbedarf.“

Die viermonatige Untersuchung ist Teil des weltweiten ROG-Projekts Media Ownership Monitor (MOM) und zielt darauf, Transparenz über die Besitzer der wichtigsten Nachrichtenmedien zu schaffen sowie deren wirtschaftliche und politische Verbindungen und Interessen offenzulegen. Im Einzelnen hat das Projekt in Mexiko die 42 reichweitenstärksten landesweiten Nachrichtenmedien untersucht, darunter acht Fernseh- und elf Radiosender, zehn Printmedien und 13 Onlineportale.

Medien und Politik - eine korrupte Beziehung

Die politischen Verbindungen der mexikanischen Medienbesitzer sind selten auf den ersten Blick ersichtlich, aber dennoch nicht zu leugnen: Die meisten der im Rahmen des MOM-Projekts in Mexiko untersuchten Medien werden – je nachdem, ob sie mit ihrer Berichterstattung anecken oder nicht – bei der Verteilung der enormen Werbebudgets der Regierung abgestraft oder belohnt. Insgesamt haben sich diese Werbeausgaben der Regierung zwischen 2013 und 2016 auf mehr als 36 Milliarden Peso (fast zwei Milliarden US-Dollar) summiert.

Zudem ist es in Mexiko nicht unüblich, dass die Inhaber von Sendelizenzen zugleich in den Parlamenten auf Bundes- und Staatsebene politisch aktiv sind. Besonders sichtbar ist dies bei den beiden dominierenden Fernsehunternehmen Televisa und Azteca, die durch eine ganze Anzahl hochrangiger Manager in den Parlamenten der mexikanischen Bundesstaaten vertreten werden. Eine Zeitlang gab es sowohl im Senat als auch im Unterhaus des mexikanischen Parlaments mehr solche Manager als Vertreter der kleinen Parteien. Aufgrund ihres großen Einflusses sind sie auch als „Telebancada“ geläufig – als „Fernseh-Fraktion“, die in den Parlamenten die Interessen der Medienunternehmer repräsentiert. 

Regierung bevorzugt Medieneliten bei Mittelvergabe

38 der 42 im Rahmen des MOM-Projekts untersuchten Medien erhalten beträchtliche Werbegelder aus Regierungstöpfen und sind damit finanziell von diesen abhängig. Obwohl insgesamt mehr als tausend Unternehmen um diese Gelder buhlen, geht die Hälfte davon an nur zehn der hier untersuchten Unternehmensgruppen. Allein die Televisa-Gruppe erhält 17 Prozent und TV Azteca 9,8 Prozent. Mit weitem Abstand folgen unter den Medienunternehmen die Zeitung El Universal (2,7 Prozent) und die Fórmula-Gruppe (2,7 Prozent). Insgesamt erhalten Fernsehunternehmen 35 Prozent der Werbebudgets der Regierung, Radiosender 19 Prozent, Printmedien 17 Prozent und Online-Medien sechs Prozent.

Dagegen fallen auffallend kleine Summen für reichweitenstarke Onlineportale wie Aristegui Noticias, Sin Embargo und Animal Político ab, die allesamt als regierungskritisch gelten. Im Laufe der vergangenen Jahre haben sich diese unabhängigen Neugründungen in die Gruppe der meistbesuchten Online-Nachrichtenquellen geschafft; auf jedes von ihnen wird mehr als zwei Millionen Mal im Monat zugegriffen. Dagegen stehen hinter den meisten der Online-Medien, die im Rahmen des MOM-Projekts untersucht wurden, etablierte traditionelle Medien.

Dass staatliche Gelder in einem solchen Ausmaß völlig intransparent verteilt werden, schafft wirtschaftliche Abhängigkeiten, fördert Selbstzensur und bedroht damit unmittelbar den Medienpluralismus. Ein Bündnis aus mittlerweile fast 100 zivilgesellschaftlichen Gruppen – darunter der mexikanische MOM-Partner Cencos – hat sich deshalb unter dem Namen #MediosLibres (freie Medien) zusammengefunden und fordert vom mexikanischen Parlament, eine faire und transparente Verteilung der Werbegelder der Regierung gesetzlich zu regeln. Mexikos oberstes Gericht hat dies im vergangenen November in einem Urteil gefordert und dem Parlament eine Frist bis April gesetzt. Dass bis dahin eine Einigung erzielt wird, erscheint zumal in einem Wahljahr aber unwahrscheinlich.

Kaum Zahlen zur Publikumskonzentration verfügbar

Als eines der größten Hindernisse bei den MOM-Recherchen stellte sich in Mexiko heraus, dass überraschend wenige verlässliche Zahlen zur Publikumskonzentration verfügbar sind: Die Markforschungsfirmen untersuchen nur diejenigen Medien, von denen sie beauftragt werden. Folglich bleiben die Ergebnisse bruchstückhaft und geben kein umfassendes Bild des Marktes ab. Überdies stellen die Institute die Zahlen nur ihren Kunden zur Verfügung.

Auch müssen die meisten Unternehmen in Mexiko keine Informationen über ihre Eigentumsstrukturen, geschweige denn Namen und Anteile der einzelnen Anteilseigner offenlegen. Lediglich börsennotierte Unternehmen sind dazu aufgrund der Finanzmarktvorschriften verpflichtet. Für den Fernseh- und Rundfunksektor gibt es zwar eine Berichtspflicht an das Bundesinstitut für Telekommunikation (IFT) als zuständige Aufsichtsbehörde, aber selbst diese Informationen sind so verstreut und so kompliziert aufbereitet, dass sie kaum Aufschluss über die Eigentümerstrukturen der entsprechenden Unternehmen geben.

Aufgrund dieser eingeschränkten Datengrundlage war es in Mexiko als einzigem der bislang 14 MOM-Projektländer nicht möglich, entsprechend der standardisierten MOM-Methodik Zahlen zur Publikumskonzentration zu berechnen. Qualitative Methoden erbrachten dennoch ausreichende Hinweise auf ein hohes Risiko in diesem Bereich.

Dies gilt besonders für das Fernsehen, das in Mexiko von einem Duopol der Konzerne Televisa und Azteca beherrscht wird. Die jüngsten hierzu verfügbaren Daten stammen von 2011; damals beherrschten beide Gruppen insgesamt mehr als 90 Prozent der Einschaltquoten. Da sie nach wie vor die meisten kommerziellen Fernsehlizenzen und landesweiten Senderketten kontrollieren, dürften diese Zahlen nach wie vor in etwa zutreffen. 

Unzureichender Regulierungsrahmen und schwache Aufsicht

Der regulatorische Rahmen der Medienbranche hat sich in Mexiko als unzureichend erwiesen, um eine übermäßige Besitzkonzentration zu verhindern. Dies gilt sowohl innerhalb der einzelnen Mediengattungen als auch für die medienübergreifende Verflechtung. So kam das IFT zwei Mal zu der Einschätzung, die Televisa-Gruppe werde keine beträchtliche Marktmacht erlangen, obwohl die Ermittlungen des Instituts selbst Hinweise darauf ergaben, dass Televisa in der Lage sei, den Wettbewerb zu behindern.

Die Auflagen der Aufsichtsbehörde reichten nicht aus, um die Marktkontrolle der größten Medienkonzerne zu verringern oder auch nur zu beschränken. In Teilbereichen wie dem Bezahlfernsehmarkt hat die Konzentration sogar zugenommen. So hatte Televisa mit seinen Kabel- und Satellitenfernsehangeboten 2014 noch 53 Prozent Marktanteil; bis 2017 stieg noch einmal um 13 Prozentpunkte.

Obwohl Hunderte terrestrische Radio- und Fernsehfrequenzen neu ausgeschrieben wurden, blieben die meisten davon in den Händen der etablierten Konzerne, und nur relativ wenige gingen an neue Bewerber. Die Reformen im Telekommunikationsbereich haben bislang vor allem der Televisa-Gruppe von Emilio Azcárraga Jean genützt und den Expansionsplänen von Carlos Slims América Móvil Grenzen gesetzt, der zeitweise als reichster Mann der Erde galt. 

Reiche Eigentümer, prekär bezahlte Journalisten

Frappierend bei der Untersuchung der wichtigsten Medien in Mexiko war die Beobachtung, dass sich die meisten ihrer Eigentümer als Milliardäre, Oligarchen, Mächtige und Influencer beschreiben lassen. Wie reich sie tatsächlich sind, ist meist unbekannt, weil ein Großteil ihrer Vermögen in Steuerparadiesen oder dubiosen Stiftungen verborgen ist. Doch ihre Namen tauchen immer wieder in Businessmagazinen auf, die ihre Aktivitäten verfolgen. Auf der diesjährigen Forbes-Liste der reichsten Mexikaner tauchen innerhalb der ersten 16 Plätze allein drei Namen von Eigentümern oder Anteilseignern wichtiger Medien auf: Carlos Slim (UnoTV), Ricardo Salinas Pliego (TV Azteca) und Emilio Azcárraga Jean (Televisa).

Trotz ihres persönlichen Reichtums zahlen die mexikanischen Medienbesitzer prekäre Löhne: Auf einer kürzlich veröffentlichten Gehaltliste schätzte das Jobportal Indeed das durchschnittliche Einkommen eines mexikanischen Reporters auf der Grundlage von 835 Stellenangeboten auf 4560 Peso (245 Dollar) im Monat – bei einem allgemeinen Durchschnittseinkommen von 390 Dollar.

Zugleich gehört Mexiko für Journalisten zu den gefährlichsten Ländern der Welt. Allein 2017 wurden dort mindestens elf Journalisten in direktem Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit ermordet. Auch 2018 gab es schon mindestens drei Morde an Journalisten. Am (heutigen) Freitag jährt sich zum ersten Mal der Mord an Miroslava Breach in Chihuahua.