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Myanmar

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 171 von 180
Myanmar 29.11.2016

Justiz muss führende Journalisten freilassen

Than Htut Aung, Geschäftsführer der Eleven Media Group. © picture alliance / AP Photo

Reporter ohne Grenzen fordert die myanmarischen Behörden auf, die Journalisten Than Htut Aung und Wai Phyo freizulassen. Der Geschäftsführer und der Chefredakteur der Eleven Media Group sitzen seit über zwei Wochen in Untersuchungshaft. Die Justiz wirft ihnen auf der Grundlage eines umstrittenen Telekommunikationsgesetzes Beleidigung vor, nachdem sie in einem Kommentar Korruptionsvorwürfe gegen einen Politiker der regierenden Nationalen Liga für Demokratie (NLD) erwähnt hatten. Am Mittwoch entscheidet das Gericht über eine Freilassung gegen Kaution.

„Es kann nicht sein, dass Journalisten wegen eines kritischen Kommentars wochenlang in Untersuchungshaft sitzen. Das stärkt die ohnehin schon weitverbreitete Selbstzensur“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die myanmarische Justiz muss die Anklage gegen die beiden Journalisten fallen lassen und das Telekommunikationsgesetz reformieren.“

Anfang November erwähnte die Zeitung Eleven Daily in einem Kommentar einen Politiker, der eine Luxus-Uhr im Wert von 100.000 Dollar von einem Geschäftsmann erhalten habe. Dieser sei kürzlich aus dem Gefängnis entlassen worden und habe einen Bauauftrag für die Region Yangon erhalten. Einen Tag später veröffentlichte Than Htut Aung, Autor des Kommentars, weitere Details auf seiner Facebook-Seite. Obwohl der Kommentar den Politiker nicht namentlich nannte, war deutlich, dass es sich um Phyo Min Thein handelt, den Ministerpräsidenten der Region Yangon.

Phyo Min Thein ist ehemaliger politischer Gefangener und Mitglied der NLD von Nobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, die bei den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr fast 80 Prozent der zur Wahl stehenden Sitze gewann. Phyo Min Thein kündigte auf einer Pressekonferenz am 9. November 2016 an, auf der Grundlage des Telekommunikationsgesetzes Klage gegen die beiden Journalisten einzureichen. Zwei Tage später wurden sie verhaftet. Am vergangenen Freitag begann der Prozess in der Hauptstadt Rangun.

Artikel 66(d) des Telekommunikationsgesetzes verbietet die Nutzung von Telekommunikationsnetzen zur Beleidigung anderer. Wer gegen das Gesetz verstößt, riskiert eine Haftstrafe von drei Jahren. Mit Phyo Min Thein klagt zum ersten Mal ein ranghoher NLD-Politiker auf Grundlage des Gesetzes.

Lage der Medienfreiheit bleibt besorgniserregend

Myanmar hatte zwischen 2011 und 2014 erhebliche Fortschritte bei der Pressefreiheit gemacht. Mit dem 2011 begonnenen Reformprozess haben die während der Militärdiktatur streng zensierten Medien mehr Freiheiten erhalten. Anfang 2012 hatte die Regierung neben mehreren hundert weiteren politischen Häftlingen auch 17 Journalisten freigelassen. Die Regierung schuf die Vorzensur für Zeitungen ab. Unabhängige Medien, die jahrzehntelang nur aus dem Exil berichten konnten, kehrten ins Land zurück. Mitarbeiter von Reporter ohne Grenzen durften 2012 zum ersten Mal seit 25 Jahren wieder nach Myanmar reisen, nachdem die Organisation von einer Liste mit mehr als 2000 Gruppen und Personen gestrichen wurde, denen die Einreise verboten war.

Im Juli 2014 verurteilte ein Gericht vier Reporter und den Geschäftsführer der Wochenzeitung Unity wegen des Verrats von Staatsgeheimnissen zu je zehn Jahren Gefängnis sowie harter Arbeit. Sie hatten über die Errichtung einer geheimen Chemiewaffenfabrik berichtet. Die Journalisten kamen im April dieses Jahres frei, nachdem der Präsident zahlreiche politische Gefangene begnadigt hatte. Im März explodierte eine Bombe beim Haus des Chefredakteurs der Root Investigative Agency im Rakhaing-Staat.

Im August 2015 trat ein neues Rundfunkgesetz in Kraft, das die Errichtung unabhängiger Radio- und Fernsehsender erlaubt. Jedoch  kann der Präsident die Mitglieder des Rundfunkrates ernennen oder entlassen. Zudem fungiert er als Berufungsinstanz etwa bei der Vergabe oder Erneuerung von Lizenzen.

Auch nach dem Regierungswechsel im vergangenen März werden Nutzer sozialer Medien weiterhin wegen Beleidigungsvorwürfen strafrechtlich verfolgt. Im September verurteilte die Justiz etwa einen Mann zu einer Haftstrafe, weil er den Präsidenten auf Facebook als „verrückt” bezeichnet haben soll.

Am 31. Oktober kündigte die Tageszeitung Myanmar Times ihrer Investigativreporterin Fiona MacGregor wegen eines Artikels über angebliche Vergewaltigungen von Frauen der muslimischen Minderheit Rohingya durch Soldaten. MacGregor habe mit diesem und weiteren Artikeln gegen die Firmenpolitik verstoßen, indem sie der „nationalen Versöhnung” und dem „Ansehen der Zeitung” geschadet hätten. Nach Informationen von Reporter ohne Grenzen kontaktierte die Personalabteilung der Myanmar Times nach der Kündigung MacGregors das Ministerium, um mitzuteilen, dass sie die Journalistin entlassen habe. Das Informationsministerium soll zuvor beim Management der Myanmar Times angerufen und seinen Unmut über den Artikel zum Ausdruck gebracht haben.

Auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit liegt Myanmar auf Platz 143 von 180 Staaten.

Die myanmarische Journalistin Nan Tin Htwe ist im Rahmen des zweimonatigen Stipendiums „Raum der digitalen Freiheit“ zurzeit bei Reporter ohne Grenzen zu Gast.



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