Nordmazedonien
21.10.2013
Kritischer Journalist zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt
Reporter ohne Grenzen (ROG) ist bestürzt über die Verurteilung des mazedonischen Journalisten Tomislav Kezarovski. Der Reporter aus Skopje wurde am Montag (21.10.) wegen eines Artikels aus dem Jahr 2008 zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. „Die harte Strafe gegen Kezarovski ist unbegründet. Sie dient dazu, kritische Journalisten in Mazedonien einzuschüchtern“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin. Reporter ohne Grenzen fordert die Europäische Union auf, den Schutz kritischer Journalisten zur Bedingung für einen EU-Beitritt Mazedoniens zu machen.
Tomislav Kezarovski, Journalist der in Skopje erscheinenden Tageszeitung Nova Makedonija, war am 28. Mai 2013 verhaftet worden und saß seither in Untersuchungshaft. Er habe, so die Anklage, 2008 in einem Artikel für die Zeitschrift Reporter 92 die Identität eines geschützten Zeugen in einem Strafprozess aufgedeckt. Der Betreffende befand sich jedoch seinerzeit noch gar nicht in einem Zeugenschutzprogramm und räumte im Februar ein, seinerzeit unter dem Druck der Polizei falsch ausgesagt zu haben. Vor seiner öffentlichkeitswirksam inszenierten Festnahme durch Spezialkräfte der Polizei hatte Kezarovski zum Tod von Nikola Mladenov recherchiert, dem im März unter ungeklärten Umständen bei einem Autounfall getöteten Verleger der unabhängigen mazedonischen Zeitung Fokus.
„Meine Texte decken den offenen Rechtsbruch im mazedonischen Gerichtswesen auf und kritisieren die Arbeit des Justizministeriums“, sagte Kezarovski dem Nachrichtenportal Balkan Insight zufolge während der Verhandlung. Seine Anwälte wollen das Urteil in der nächsthöheren Instanz anfechten. Trotz seiner Versicherung, das Land nicht zu verlassen, muss Kezarovski bis zum formellen Beginn seiner Gefängnisstrafe in Untersuchungshaft bleiben. Reporter ohne Grenzen und andere Organisationen haben die fadenscheinig begründete Verhaftung Kezarovskis und die unangemessen lange Untersuchungshaft mehrfach kritisiert.
Reporter ohne Grenzen fordert die Europäische Union auf, den Schutz kritischer Journalisten zur Bedingung für einen EU-Beitritt Mazedoniens zu machen und sich vehementer als bisher für Presse- und Meinungsfreiheit in dem Balkanstaat einzusetzen. In ihrem jährlichen Fortschrittsbericht vom 16. Oktober 2013 kritisiert die Union zwar in allgemeiner Form die Polarisierung der mazdeonischen Medienlandschaft und das Fehlen ausgewogener Berichterstattung und beklagt Selbstzensur sowie wachsenden ökonomischen Druck auf Medienbesitzer. Auf einzelne Fälle verfolgter Journalisten geht sie jedoch nicht ein.
Auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit steht Mazedonien auf Platz 116 von 179 Ländern. Es ist damit das Schlusslicht unter den Balkanstaaten, in denen oft halblegale oder kriminellen Gruppen die Medien kontrollieren und Gewalt gegen Journalisten kaum verfolgt wird.
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