Pakistan
10.01.2008
Fünf Schlüsselprobleme für Wahlberichterstattung
„Auch wenn Präsident Pervez Musharraf immer wieder das Gegenteil versichert, die pakistanischen Medien sind alles andere als frei in ihrer Berichterstattung zu den anstehenden Wahlen Ende Februar. Ständige Drohungen mit Bußgeldern, Medienschließungen und Verhaftungen von Journalisten haben ein Klima der Selbstzensur in Pakistan geschaffen,“ teilte ROG heute mit.
Im Vorfeld der Wahlen hat die pakistanische Regierung eine Reihe von Bestimmungen erlassen, um den Rundfunk einzuschränken. Während des Ausnahmezustandes im November ließ sie den unabhängigsten und populärsten Fernsehsender „Geo News“ abschalten und seitdem nicht wieder auf Sendung. Parallel häufen sich Übergriffe auf Journalisten durch Sicherheitskräfte.
ROG sieht fünf Schlüsselprobleme für die Wahlberichterstattung:
1. Zensur von Presse und Rundfunk
Die pakistanische Regierung verfügte am 3.11.2007 eine Änderung des Presse- und Rundfunkrechts. Sie sieht für Delikte wie Beleidigung oder Bloßstellung des Präsidenten in den Medien bis zu drei Jahren Haft vor.
Zugleich setzte die Medienregulierungsbehörde PEMRA einen Verhaltenskodex in Kraft, der die Medienfreiheit einschränkt. Dutzende privater Fernseh- und Radiosender mussten den Kodex unterzeichnen, um ihre Tätigkeit nach den Ereignissen im November 2007 wieder aufnehmen zu können.
Zahlreiche Journalisten berichteten über Interventionen militärischer und ziviler Behörden bei Redakteuren und Geschäftsführern von Medien. In einem Schreiben vom 11.12.2007 untersagte PEMRA zahlreichen Rundfunksendern die Ausstrahlung von Nachrichtenprogrammen und live gesendeten Talk-Shows. Sendern, die in der Vorwahlzeit die Regierung kritisieren, drohen Geld- und Haftstrafen sowie ein Sendeverbot.
Reporter ohne Grenzen tritt für die Aufhebung der genannten Bestimmungen ein.
2. Das inakzeptable Verbot von GEO News
Der TV-Sender GEO News und der Sportkanal GEO Super können seit ihrem Verbot in Pakistan nicht mehr empfangen werden. Die Regierung will die populärste Sendergruppe dadurch zur Selbstzensur bewegen; kritische Journalisten sollten zum Schweigen gebracht, einzelne Sendungen abgeschafft werden. Einer Umfrage zufolge hat GEO TV eine Reichweite von 35 Prozent und liegt damit weit vor dem Regierungssender PTV. Im Jahr 2002 gelang es GEO TV dank eines Korrespondentennetzwerkes, das Wahlergebnis noch vor den Regierungssendern zu präsentieren.
Reporter ohne Grenzen setzt sich für die sofortige Aufhebung des Verbots von GEO News ein.
3. Gewalt und Einschüchterungen durch Polizei und Regierungsanhänger
2007 wurden in Pakistan mindestens 30 Journalisten schwer verletzt; mindestens 120 wurden verhaftet. Zwar belangte man im vergangenen Herbst drei Polizeioffiziere im Zusammenhang mit den gewalttätigen Übergriffen in Islamabad, in der Regel kommen die Täter aber straffrei davon.
Seit der Aufhebung des Ausnahmezustandes im Dezember vergangenen Jahres haben die Übergriffe auf Journalisten durch die Polizei zugenommen. Zunehmend müssen sie auch vorgeschobene Strafanzeigen und Prozesse gegen sich fürchten. In der südlich gelegenen Provinz Sindh wurden 34 Journalisten beschuldigt, an den Ausschreitungen nach Benazir Bhuttos Mord beteiligt gewesen zu sein.
„Sie stellten Strafanzeige gegen mich wegen meiner kritischen Artikel,“ sagte Javed Kalroo von der Zeitung „Tameer-e-Sindh“ zu ROG.“ Ich habe nichts mit den Ausschreitungen zu tun.“ Mindestens zehn der 34 angeklagten Journalisten sind bereits inhaftiert und müssen mit langen Haftstrafen rechnen.
Reporter ohne Grenzen fordert ein Ende der Gewalt und der Drohungen durch die Sicherheitskräfte.
4. Schwierige Sicherheitslage für Journalisten
Allein in 2007 wurden sechs Journalisten bei Selbstmordattentaten und Auftragsmorden getötet. Ein Journalist kam beim ersten Anschlag auf Benazir Bhutto, ein Kameramann bei der Stürmung der Roten Moschee in Islamabad ums Leben.
Diese Zahlen sind die höchsten der letzten zehn Jahre und machten Pakistan für Journalisten 2007 zum gefährlichsten Land Asiens.
Reporter ohne Grenzen verurteilt die Angriffe auf Zivilisten, zu denen auch Journalisten zählen, und ruft zur Untersuchung der Morde auf.
5. Unausgewogene Berichterstattung durch den Regierungssender PTV
Pakistans einziger nationaler, terrestrischer Fernsehsender PTV steht unter direktem Einfluss der Regierung und berichtet vor allem über Verlautbarungen und Aktivitäten des Präsidenten sowie der Regierungsmitglieder. Seine Berichterstattung über die Wahlen 2002 fiel stark zugunsten Musharrafs und seiner Anhänger aus.
Reporter ohne Grenzen fordert PTV auf, über den Wahlkampf aller politischen Parteien ausgewogen zu berichten.
„Die Wahlen in Pakistan werden nicht frei sein solange die pakistanische Regierung die Medieneinschränkungen beibehält,“ sagte Reporter ohne Grenzen. „ Inakzeptabel sind auch polizeiliche Gewalt und Einschüchterungsversuche durch den Nachrichtendienst. Es liegt an Präsident Musharraf, Maßnahmen zu ergreifen, um freie und faire Wahlen zu gewähren.“
Mindestens 45 private Fernsehsender durften seit dem 3. November letzten Jahres nicht mehr senden. Zwei private Radiostationen wurden geschlossen. Zwar haben die meisten dieser Fernsehsender den Sendebetrieb wieder aufgenommen, um die Sendelizenz jedoch zurückzuerlangen, mussten viele ihr Programm ändern, Journalisten entlassen oder aufhören, ausländische Sendungen auszustrahlen.
Benazir Bhutto hatte sich vor ihrer Ermordung sehr klar gegen die Einschränkung der Pressefreiheit durch die Regierung geäußert. Während einer Protestkundgebung in Islamabad am 10. November sagte sie: “ch bin hierher gekommen, um meine Solidarität zu demonstrieren. Ich lehne die Einschränkungen ab. Wir halten viel von der Redefreiheit. Unser Kampf gegen die Diktatur geht weiter, wir sind für Freiheit, wir sind für die Medien.“
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