Pakistan
25.07.2019
Lage der Pressefreiheit verschlechtert sich
Ein Jahr nach den Parlamentswahlen in Pakistan blickt Reporter ohne Grenzen (ROG) mit großer Sorge auf die Lage der Pressefreiheit im Land. In den vergangenen Monaten wurden kritische Medien wiederholt zensiert und durch den Entzug staatlicher Werbeanzeigen eingeschüchtert. Mindestens drei Journalisten starben seit Jahresbeginn wegen ihrer Arbeit. Die Verantwortlichen für Verbrechen gegen Medienschaffende kommen oft straffrei davon.
„Die jüngste Zunahme der Zensur gefährdet nicht nur den Medienpluralismus in Pakistan, sondern verhindert, dass Informationen von öffentlichem Interesse bekannt werden. Die Regierung von Premierminister Imran Khan muss dafür sorgen, dass Medien uneingeschränkt berichten können,“ sagte ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske. „Wir fordern die Behörden zudem auf, die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten zu gewährleisten und Verbrechen gegen Medienschaffende lückenlos aufzuklären.“
Bei den Wahlen am 25. Juli 2018 wurde die Partei des ehemaligen Kricketstars Imran Khan stärkste Kraft. Khan galt als Wunschkandidat des Militärs und wurde knapp einen Monat später als neuer Premierminister vereidigt. Bereits im Vorfeld der Wahlen hatte ROG auf gravierende Einschränkungen der Pressefreiheit während des Wahlkampfes hingewiesen. Seitdem hat sich die Situation noch einmal verschlechtert. Auf der neuen Rangliste der Pressefreiheit ist Pakistan drei Plätze gefallen und steht nun auf Rang 142 von 180 Staaten.
Medien geraten vor allem ins Visier des „Staats im Staate“ – ein Euphemismus für das mächtige Militär und die Geheimdienste des Landes. ROG zählt Pakistans militärischen Geheimdienst Inter-Services Intelligence (ISI) zu den größten Feinden der Pressefreiheit weltweit. Journalistinnen und Journalisten, die mit ihrer Berichterstattung die vom Militär gezogenen roten Linien überschreiten, droht Vergeltung. Zu den heiklen Themen gehören die – auch nur indirekte – Kritik an Militär und Regierung, der Verweis auf Bewegungen, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzen, und die Nennung des inhaftierten ehemaligen Premierministers Nawaz Sharif.
Kritische Medien werden zensiert und finanziell unter Druck gesetzt
Wenige Stunden bevor Premierminister Imran Khan am vergangenen Wochenende für Gespräche in Washington eintreffen sollte, konnte der Fernsehsender Geo News in weiten Teilen Pakistans plötzlich nicht mehr empfangen werden. Geo News ist einer der führenden Nachrichtensender des Landes und wurde in der Vergangenheit immer wieder zensiert.
Als der Sender Anfang Juli ein Interview mit dem ehemaligen Präsidenten Asif Ali Zardari übertragen wollte, wurden wenige Minuten später die Bildschirme plötzlich schwarz. Im April vergangenen Jahres hatten Kabelnetzbetreiber in weiten Teilen Pakistans zwischenzeitlich keinen der fünf Sender des Netzwerks Geo TV mehr übertragen, darunter auch Geo News. Laut Angaben des CEOs Ibrahim Rahman waren die Sender in 80 Prozent des Landes nicht mehr zu empfangen. Geo TV hatte zuvor dem ehemaligen Ministerpräsidenten Sharif Sendezeit gewidmet. Sowohl die Regierung als auch die Regulierungsbehörde PEMRA wiesen damals die Verantwortung für die Unterbrechung von sich.
Am 8. Juli 2019 wurden die drei Nachrichtensender AbbTakk TV, 24 News und Capital TV vorübergehend vom Kabelnetz genommen. Zuschauerinnen und Zuschauer lasen auf ihren Bildschirmen, dass der Sender wegen eines technischen Problems derzeit nicht verfügbar sei. Die drei Sender hatten zuvor eine Pressekonferenz der Oppositionspolitikerin und Tochter von Nawaz Sharif, Maryam Nawaz, übertragen.
Vermutet wird, dass die Anweisung von der Regulierungsbehörde PEMRA kam, die unter dem Einfluss des Militärs steht. Diese hatte einen Tag zuvor in einem bürokratisch formulierten Tweet angekündigt, Fernsehsender zu benachrichtigen, die die Pressekonferenz von Maryam Nawaz unredigiert live übertragen. Der bekannte Journalist Najam Sethi, der oft für 24 News arbeitet, schrieb in einem Tweet, dass der Sendebetrieb wegen der Berichterstattung über die Pressekonferenz eingestellt wurde.
Ab Ende April entzogen die Behörden der renommierten Tageszeitung Dawn ohne Angabe von Gründen für mehrere Wochen die staatlichen Werbeanzeigen und gefährdeten damit das wirtschaftliche Überleben der Zeitung. Zwei Tage später war auch das Schwesterunternehmen DawnNews TV betroffen. Die 1941 gegründete und damit älteste Zeitung des Landes gilt als eine der letzten Bastionen der Pressefreiheit in Pakistan.
Proteste gegen Zensur und Stellenstreichungen
Angeführt vom pakistanischen Journalistenverband PFUJ haben Mitte Juli Journalistinnen und Journalisten landesweit gegen Medienzensur und Stellenstreichungen protestiert.
Seit Mitte 2018 befindet sich die pakistanische Medienlandschaft in einer Krise. 2.000 Medienschaffende wurden entlassen, mehrere Publikationen wurden eingestellt. Die Ursachen sind zum einen in der Wirtschaftskrise und den damit verbundenen sinkenden Werbeeinnahmen zu suchen, zum anderen in den Wahlen vom Juli 2018 und den anschließenden Kürzungen bei staatlichen Fördermitteln. Allein der Marktführer Jang Group kündigte an nur einem Tag 1.400 Beschäftigten. Die Express Media Group und die Dunya Media Group (das dritt- und viertgrößte Medienunternehmen des Landes) entließen 200 Journalistinnen und Journalisten und kürzten die Gehälter der verbleibenden Beschäftigten um 15 bis 35 Prozent.
ROG hat die pakistanische Medienlandschaft im Rahmen des Rechercheprojekts Media Ownership Monitor mit dem Projektpartner Freedom Network untersucht und die Ergebnisse vergangene Woche in Islamabad vorgestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass nur eine Handvoll Medien mehr als die Hälfte der Mediennutzerinnen und Mediennutzer auf sich vereinen.
Journalisten brutal erdmordet
Seit Anfang dieses Jahres wurden in Pakistan mindestens drei Medienschaffende wegen ihrer Arbeit ermordet. Mitte Juni erstachen Unbekannte den Blogger Muhammad Bilal Khan mit einem Dolch. Der 22-Jährige war zuvor mit einem Anruf in ein Wohnviertel am Stadtrand von Islamabad gelockt worden. Khan folgten zehntausende Menschen auf Twitter, Facebook und Youtube, wo er sich mit religiösen Themen befasste.
Ende April wurde der Journalist Malik Amanullah Khan in der Provinz Khyber-Pakhtunkhwa im Nordwesten des Landes erschossen. Er schrieb als Reporter für die Online-Tageszeitung Meezan-e-Adl und war Präsident des Presseclubs in der Stadt Parowa. In seinem letzten Artikel berichtete er über die angebliche politische Beeinflussung polizeilicher Ermittlungen gegen kriminelle Banden. Bis heute haben die Ermittlungen keine Fortschritte gemacht, ein Verdächtiger wurde bisher nicht identifiziert. Ein Journalist, der anonym bleiben wollte, erzählte ROG, dass er kürzlich aus Parowa geflohen sei, weil er sich nicht mehr sicher fühlte.
Vier Tage nach dem Mord an Khan wurde der Journalist Ali Sher Rajpar in der Provinz Sindh im Südosten Pakistans erschossen. Der Präsident des lokalen Presseclubs in der Stadt Padidan war bekannt für seine investigativen Recherchen über Korruption lokaler Behörden. Mitglieder des Vereins bestätigten ROG, dass sich Rajpar wegen seiner Arbeit bedroht gefühlt und drei Tage vor seiner Ermordung vergeblich Polizeischutz beantragt habe.
Mindestens zwei Medienschaffende sitzen in Pakistan derzeit wegen ihrer journalistischen Arbeit im Gefängnis.
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