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Pakistan

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 152 von 180
Media Ownership Monitor 19.07.2019

Pakistan: Wenig Medienvielfalt und laxe Gesetze

© ROG

Die Medienvielfalt in Pakistan ist in hohem Maße gefährdet. Nur eine Handvoll Medien vereinen mehr als die Hälfte der Mediennutzerinnen und Mediennutzer auf sich. Eine laxe Gesetzgebung setzt der Medienkonzentration wenig Grenzen. Infolge dessen ist die Vielfalt der Nachrichtenquellen, aus denen sich die pakistanische Öffentlichkeit informieren kann, sowie die Vielfalt der vertretenen Weltanschauungen und Meinungen stark eingeschränkt. Das sind zentrale Ergebnisse des gemeinsamen Rechercheprojekts Media Ownership Monitor (MOM) Pakistan von Reporter ohne Grenzen (ROG) und dem pakistanischen Projektpartner Freedom Network, die am Donnerstag (18.07.) nach achtmonatiger Recherche in Islamabad vorgestellt wurden. Alle Ergebnisse sind auf Englisch und Urdu unter http://pakistan.mom-rsf.org abrufbar.

„Echte Pressefreiheit bedeutet mehr als die Abwesenheit staatlicher Repression. Nur in einer vielfältigen, pluralistischen Medienlandschaft und nur, wenn Journalistinnen und Journalisten komplett frei arbeiten können, können die Medien ihrer demokratischen Pflicht nachkommen, die Öffentlichkeit unabhängig zu informieren“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin. Aufgrund der strengen Visumsregelungen war es keinem Vertreter und keiner Vertreterin von ROG möglich, während des Forschungszeitraums oder zur Vorstellung der Ergebnisse nach Pakistan zu reisen.

„Die Ergebnisse zeigen, dass Pakistan mehr Vielfalt in der Medieneigentümerschaft braucht, damit es eine größere Vielfalt der Nachrichtenquellen gibt. Die MOM-Recherchen liefern eine einzigartige Grundlage für eine Debatte über dieses Thema“, ergänzte Iqbal Khattak, Geschäftsführer von Freedom Network.

„Hohes Risiko“ bei der Medienvielfalt

Für das MOM-Projekt wurden die jeweils zehn reichweitenstärksten Medien in den Sektoren Fernsehen, Radio, Zeitung und Online untersucht. Auf dieser Grundlage wurden, wie schon in den 20 MOM-Projekten zuvor, zehn Indikatoren berechnet, die über die Gefahren für den Medienpluralismus im Land Aufschluss geben. Nur ein Indikator (Aufsichtsrechtliche Sicherheitsmaßnahmen zur Eigentumstransparenz) zeigte ein geringes Risiko, zwei Indikatoren zeigten ein mittleres und sechs Indikatoren ein mittleres bis hohes oder hohes Risiko. Das Risiko für Marktkonzentration konnte aufgrund mangelnder Daten zu den Marktanteilen der einzelnen Medienunternehmen nicht ermittelt werden.

Das Risiko für Konzentration der Publikumsanteile ist unterdessen als hoch einzuschätzen: Nur vier Fernseh- und Radiosender sowie Zeitungen und Nachrichtenwebseiten vereinen mehr als die 50 Prozent der Mediennutzerinnen und Mediennutzer auf dem jeweiligen Markt auf sich.

Crossmediale Eigentumskonzentration, also die Konzentration von Eigentum in mehreren Mediensektoren, stellt in Pakistan ein mittleres Risiko dar. Die acht größten Akteure auf dem pakistanischen Medienmarkt (Jang, ARY, Express, die Regierung, Nawa-i-Waqt, Samaa, Dawn und Dunya) sind alle in nennenswertem Umfang in mehr als einem Sektor aktiv. Die Jang Group als größter crossmedialer Eigentümer vereint sektorenübergreifend mehr als ein Drittel der Publikumsanteile unter den 40 untersuchten Medien. Auch die Regierung zählt mit der Pakistan Television Company (PTV), der Pakistan Broadcasting Corporation (PBC) und den FM-101-Radiostationen zu den größten crossmedialen Medieneigentümern.

Zusammen erreichen die acht größten Akteure sektorenübergreifend mindestens 68 Prozent der Publikumsanteile – die Zahl ist vermutlich noch höher, da die Reichweiten kleinerer Medien in Eigentümerschaft dieser Gruppen nicht erhoben wurden.

Mangelnde Transparenz

Die Ergebnisse basieren auf Daten, die das MOM-Rechercheteam aus offiziellen und nichtoffiziellen Quellen zusammengetragen hat, darunter Regierungsstellen, Medienhäuser und deren Eigentümerinnen und Eigentümer. Zahlen zu Zuschauerquoten erwarb das Team beim Marktforschungsinstitut Gallup Pakistan. Öffentlich zugängliche Daten erhielt es nach Zahlung einer Gebühr an von den Handelsregistern in Islamabad, Karachi und Lahore.

Das Team versuchte auch, bei der nationalen Regierung sowie bei vier Provinzregierungen Daten über die Tarife und den Umfang staatlicher Werbung bei den untersuchten Medien zu erhalten. Eine Antwort kam lediglich von der Provinzregierung in Khyber Pakhtunkhwa, die von der Partei Tehreek-e-Insaf – der Partei des pakistanischen Premiers Imran Khan – regiert wird. Aber auch von dort kamen nur unvollständige Daten. Die nationale Regierung verweigerte zudem Informationen zu Eigentümerstruktur, Einkünften und Nettogewinn der staatlichen Medien Pakistan Television, Radio Pakistan und FM 101.

Auch von den angefragten Medien kam nur wenig Feedback: Nur eine Zeitungsgruppe, ein Fernsehsender, zwei private Radiosender und eine Webseite stellten zumindest unvollständige Informationen zur Verfügung.

Fehlender Rechtsrahmen

Analysiert wurden auch die rechtlichen Rahmenbedingungen, vor allem in Bezug auf Konzentrationskontrolle und Netzneutralität. Es stellte sich heraus, dass die Behörden zwar sehr aktiv in die Inhalte von Berichterstattung eingreifen, aber kaum als Moderatoren des Marktes, Wächter über die Einhaltung professioneller Standards oder Schützer der Rechte von Mediennutzerinnen und Mediennutzern in Erscheinung treten. In Folge dessen werden der Medienkonzentration kaum Grenzen gesetzt. Es gibt keine gesetzlichen Vorgaben zur Sicherung der Medienvielfalt, weder in Bezug auf Publikumsanteile noch in Bezug auf Auflage, Gewinn, Grundkapital oder Stimmrechte.

Zudem hinkt der Rechtsrahmen den aktuellen Entwicklungen auf dem Medienmarkt hinterher. So fehlen etwa Gesetze zur Sicherstellung von Netzneutralität. Das ist insofern problematisch, als ohne Netzneutralität die Medienvielfalt im Netz ebenso wenig sichergestellt werden kann wie die gleichen Möglichkeiten zur Nutzung und Verbreitung von Informationen für alle Nutzerinnen und Nutzer sowie alle Online-Journalistinnen und Online-Journalisten.

Der pakistanische Medienmarkt: Ernüchterung nach dem Boom

Nach der Jahrtausendwende ist der pakistanische Medienmarkt geradezu explosionsartig gewachsen. Bevor im Jahr 2002 der Rundfunkmarkt für private Unternehmen geöffnet wurde, gab es nur einen staatlichen Fernsehsender und einen staatlichen Radiosender. Aktuell gibt es nach Angaben der pakistanischen Regulierungsbehörde für elektronische Medien (PEMRA) 88 Fernseh- und 209 Radiosender. Die Zahl der Journalistinnen und Journalisten wuchs in diesem Zeitraum von rund 2.000 auf rund 20.000, die Zahl aller Beschäftigten im Medienbereich auf rund 250.000. Das Wachstum auf dem Medienmarkt ging einher mit einem generellen Wirtschaftswachstum, einem höheren Pro-Kopf-Einkommen verbunden mit höheren Konsumausgaben und einem wachsenden Werbemarkt. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Associated Press of Pakistan (APP) wurden im Land zwischen 2002 und 2017 vier Milliarden US-Dollar in den Markt der elektronischen Medien investiert.

Seit Mitte 2018 allerdings befindet sich die pakistanische Medienlandschaft in einer Krise. 2.000 Medienschaffende wurden entlassen, mehrere Publikationen wurden eingestellt. Die Ursachen sind zum einen in der Wirtschaftskrise und den damit verbundenen sinkenden Werbeeinnahmen zu suchen, zum anderen in den Wahlen vom Juli 2018 und den anschließenden Kürzungen bei staatlichen Fördermitteln. Allein der Marktführer Jang Group kündigte an nur einem Tag 1.400 Beschäftigten. Die Express Media Group und die Dunya Media Group (das dritt- und viertgrößte Medienunternehmen des Landes) entließen 200 Journalistinnen und Journalisten und kürzten die Gehälter der verbleibenden Beschäftigten um 15 bis 35 Prozent.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit liegt Pakistan auf Platz 142 von 180 Staaten.

Media Ownership Monitor - ein globales Rechercheinstrument

Der Media Ownership Monitor ist ein internationales Projekt von Reporter ohne Grenzen, das mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) umgesetzt wird. Gemeinsam mit lokalen Partnerorganisationen wurde er seit 2015 in Ägypten, Albanien, Argentinien, Brasilien, Ghana, Indien, Kambodscha, Kolumbien, Marokko, Mexiko, Pakistan, Peru, Serbien, Sri Lanka, Tansania, Tunesien, auf den Philippinen, im Libanon, in der Mongolei, der Türkei und der Ukraine durchgeführt.

 



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