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Polen

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 47 von 180
Polen 16.12.2015

Alarmierende Pläne der neuen Regierung

Starker Mann im Hintergrund: PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski. © picture alliance / AP photo

Reporter ohne Grenzen ist in höchstem Maße besorgt über die Pläne der neuen Regierung in Polen, die Medien unter ihren Einfluss zu bringen und die öffentliche Meinung in undemokratischer Weise zu kontrollieren. Noch vor Weihnachten will die mit absoluter Mehrheit regierende nationalkonservative PiS einen Gesetzentwurf vorgelegen, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu verstaatlichen.

Kritischen Journalisten drohen Minister offen damit, sie von ihren Posten zu entfernen. Eine TV-Moderatorin wurde wegen kritischer Äußerungen bereits zeitweise vom Dienst suspendiert, eine unbequeme Talkshow abgesetzt. Zudem soll der Anteil ausländischer Zeitungsverlage beschränkt werden. Dies richtet sich in erster Linie gegen deutsche Verlage, die in Polen sehr aktiv sind.

„Es ist alarmierend, wenn nach Ungarn nun auch in Polen eine rechtsnationale Regierung das Mediensystem von Grund auf umkrempelt und so ganz unverhohlen versucht, kritischen Journalismus zu verhindern und Reporter, die hartnäckig nachfragen, mundtot zu machen“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr.

Fernsehen soll verstaatlicht werden

Die öffentlich-rechtliche Struktur von Fernsehen, Radio und der Nachrichtenagentur PAP habe in der Vergangenheit zu Pathologien geführt, befand der neue Kulturminister Piotr Gliński bereits kurz nach seinem Amtsantritt Mitte November. Anstelle der bisherigen Aktiengesellschaften will er deshalb Kulturinstitute nach dem Vorbild der Nationaloper oder des Nationalmuseums schaffen, an deren Spitze jeweils ein von ihm ernannter Chef steht. Die Rundfunkgebühr soll nach dem Willen Glińskis abgeschafft und durch eine Steuer ersetzt werden.

Die nationalkonservative Partei PiS war bereits 2005 einmal in einer Koalitionsregierung an der Macht und brachte damals ein Mediengesetz auf den Weg, mit dessen Hilfe sie zentrale Stellen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit parteinahen Journalisten besetzte. Verantwortlich dafür war unter anderem Krzysztof Czabański, der von 2006 bis 2009 das öffentlich-rechtliche Radio leitete und dieses mit der Entlassung von mehr als 200 Journalisten auf Linie brachte. Als neuer Regierungsbevollmächtigter für die Umgestaltung der Staatsmedien soll Czabański auch die jetzigen Reformen umsetzen. Noch vor Weihnachten, kündigte  er an, werde ein Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht, der vorsieht, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in staatseigene Firmen umzuwandeln.

Moderatorin suspendiert

Aufsehen erregte bereits wenige Tage nach dem Amtsantritt der neuen Regierung die vorübergehende Suspendierung der Moderatorin Karolina Lewicka vom öffentlich-rechtlichen Nachrichtensender TVP Info. In ihrer Sendung wollte sie von Kulturminister Gliński wissen, auf welcher rechtlichen Grundlage dieser die Aufführung eines Theaterstücks von Elfriede Jelinek verbieten wolle und fragte mehrmals hartnäckig nach. Der Minister wurde ausfallend, nannte die Sendung ein Propaganda-Programm und drohte mit Konsequenzen. Unmittelbar danach wurde die Moderatorin wegen angeblicher „Abkehr von im öffentlichen Fernsehen gültigen Standards“ vom Dienst suspendiert, durfte nach Protesten ihrer Kollegen jedoch vorerst wieder auf den Bildschirm zurückkehren.

Regierung will Verlage von Ausländern zurück kaufen

Auch den Zeitungsmarkt will die neue Regierung umstrukturieren und nach den Worten von Kulturminister Gliński „die Medien von den ausländischen Eigentümern zurückkaufen“. Dies richtet sich vor allem gegen deutsche Verlage, die in Polen über starke Marktanteile verfügen.  Regierungssprecherin Elżbieta Kruk kritisierte die „Dominanz deutschen Kapitals in den Medien“ und kündigte eine „Repolonisierung“ der Medien an: Die Bauer Media Group zum Beispiel gibt in Polen mehr als 30 Print-Titel mit einer Verkaufsauflage von 300 Millionen Exemplaren pro Jahr heraus und erreicht über die Radiosender ihrer RMF Group täglich zehn Millionen Hörer. Sehr aktiv ist in Polen auch die Verlagsgruppe Passau, die 20 regionale Tageszeitungen mit einer Gesamtauflage von mehr als 810.000 Exemplaren pro Tag herausgibt.

Noch stärker im Blick haben die neuen Machthaber aber vermutlich die deutsch-schweizerische Ringier Axel Springer Media AG (RAS). Sie gibt nicht nur die auflagenstärkste polnische Tageszeitung heraus, das 2009 nach dem Vorbild der deutschen Bild-Zeitung gegründete Boulevardblatt Fakt, sondern mit Newsweek Polska auch eines der wichtigsten Nachrichtenmagazine im Land. Newsweek-Chefredakteur Tomasz Lis zählt zu den bekanntesten Journalisten Polens und ist ein scharfer Kritiker von PiS-Chef Jarosław Kaczyński. Er leitete lange eine politische Live-Diskussionssendung im öffentlich-rechtlichen TVP2, doch schon einen Tag nach der Amtsübernahme der PiS-Regierung verkündete der Sender das Aus für die Talkshow. Staatssekretär Czabański erklärte: „So wie Lis momentan auftritt, gibt es keinen Platz für ihn in den öffentlichen Medien. Er führt ein Progaganda-Programm.“

Zielscheibe multimediale Unternehmen

Die Beteiligung ausländischer Verlage gesetzlich zu beschränken wie in Russland, wo ausländische Unternehmen prinzipiell nicht mehr als 20 Prozent an einem Medium besitzen dürfen, wird in Polen schwierig, da sich das Land an EU-Recht halten muss. Die Regierung werde stattdessen Bedenken gegen Monopole vorbringen, erklärte Regierungssprecherin Kruk, die als Vorsitzende des Kulturausschusses im Parlament entsprechende Gesetze mit erarbeitet. Die meisten Verlage in Polen können sich aufgrund massiv gesunkener Auflagenzahlen keine bloße Präsenz im Printsektor mehr leisten, sondern betreiben zusätzlich Internetportale, Radio- und Fernsehsender, Fotoagenturen oder Buchverlage.

Dies trifft auch für die polnische Mediengruppe Agora zu, die unter anderem die linksliberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza herausgibt. Geleitet vom ehemaligen Solidarność-Bürgerrechtler Adam Michnik, kritisiert sie die neue Regierung heftig. Als PiS-Regierungschefin Beate Szydło versuchte, nicht genehme Erkenntnisse einer staatlichen Untersuchungskommission zum Flugzeugunglück in Smolensk aus dem Internet zu tilgen, stellte die Gazeta Wyborcza diese kurzerhand auf ihre Seite. Im Zuge des großangelegten Medienumbaus, den die Regierung nun plant, nannte Staatssekretär Czabański die Agora-Gruppe bereits als Beispiel für eines jener Medienmonopole, die schädlich für den öffentlichen Diskurs seien.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Polen momentan auf Platz 18 von 180 Staaten.



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