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Polen

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 47 von 180
Gastbeitrag 19.11.2020

SLAPP-Klagen in der EU erschweren

Ein Journalist steht mit einer Kamera auf der Schulter vor einem geschlossenen Gerichtssaal
© picture alliance / dpa / dpa-Zentralbild / Patrick Pleul

Bevor die maltesische Investigativjournalistin Daphne Caruana Galizia im Oktober 2017 durch eine Autobombe ermordet wurde, hatten einflussreiche Gegner schon auf anderem Wege versucht, diese mundtot zu machen: Sie überzogen sie mit Klagen wegen angeblicher Verleumdung. Ein inzwischen leider allzu gebräuchliches Mittel, um missliebige Stimmen zum Schweigen zu bringen.

Als eine Gruppe zivilgesellschaftlicher Organisationen sehen wir den Fall der ermordeten Journalistin Daphne Caruana Galizia als eine der schwerwiegendsten SLAPPs der jüngeren Geschichte. SLAPP steht in diesem Kontext für „Strategic Lawsuit against Public Participation" und bedeutet auf Deutsch so viel wie „Strategische Klage gegen öffentliche Beteiligung”. Darunter werden Klagen zusammengefasst, die kritische Stimmen von Medienschaffenden und der Zivilgesellschaft verhindern sollen. Diese Form der Klage wird meist von Unternehmen, gelegentlich aber auch von vermögenden Privatpersonen oder Behörden bemüht und dient dazu, durch langwierige Gerichtsverfahren das öffentliche Interesse an einer bestimmten Sache zu minimieren.

Die Kontrolle durch unabhängige Dritte wie Medienschaffende ist jedoch essenziell für ein funktionierendes demokratisches System. Dieser Grundsatz wurde in der Vergangenheit durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sowie durch verschiedene nationale und regionale Gerichte der Europäischen Union bestätigt. Dennoch ermöglichen es Gesetzeslücken weiterhin, die SLAPP-Methode anzuwenden.

So erhielt die zweitgrößte polnische Zeitung Gazeta Wyborcza bereits über 55 SLAPPs von verschiedenen Akteurinnen und Akteuren, darunter auch von der polnischen Regierungspartei PiS. Der französische Geschäftsmann Vincent Bolloré reichte Verleumdungsklagen gegen Nichtregierungsorganisationen und Medienschaffende ein, um von seinen fragwürdigen Geschäften auf dem afrikanischen Kontinent abzulenken. Und in Spanien verlangte der Fleischproduzent Coren eine Millionen Euro Schadenersatz von einem Umweltjournalisten, weil dieser die Abfallwirtschaft des Unternehmens kritisiert hatte.

SLAPP-Klagen sind nicht nur kostspielige und ermüdende Verfahren für die betroffenen Journalistinnen und Journalisten, sondern vor allem auch eine Gefahr, weil sie die Möglichkeit einschränken, dass sich Bürgerinnen und Bürger unabhängig informieren können. Denn während Medienschaffende durch die Gerichtsprozesse von ihrer Arbeit abgehalten werden, tragen dann eben andere Institutionen oder Privatpersonen zur öffentlichen Meinungsbildung bei.

Innerhalb der letzten Jahre hat sich eine beängstigende Entwicklung herausgebildet: SLAPP-Klagen werden zunehmend auch von Regierungsvertreterinnen und Auftraggebern großer öffentlicher Projekte genutzt. Ähnlich wie andere vermögende Privatpersonen wollen auch sie sich dem öffentlichen Interesse entziehen, das ihre jeweilige Position oder ihre finanzielle Verbindung zu politischen Akteuren und Regierungen hervorrufen könnte.

Inzwischen ist auch die Europäische Union aufgewacht und nimmt die Bedrohung ins Visier, welche SLAPPs für die europäischen Demokratien darstellen. So versprach die Vizepräsidentin der europäischen Kommission, Věra Jourová, „alle möglichen Optionen zu prüfen“. Um dieses Ziel tatsächlich zu erreichen, sollten EU-weite Gesetze erlassen werden. Dafür muss es möglich sein, SLAPP-Klagen bereits in einem frühen Stadium der Gerichtsverhandlungen abzuweisen. Außerdem sollten Personen, die SLAPPs missbräuchlich einsetzen, sanktioniert werden können. Opfer von SLAPPs sollten Mittel an die Hand bekommen, um sich selbst verteidigen zu können.

Auf jeden Reporter, auf jede Journalistin, dem oder der in der EU mit Gewalt gedroht wird, kommen Hunderte, die durch Klageschriften zum Schweigen gebracht werden. SLAPPs sind nicht annähernd so barbarisch wie eine Autobombe, aber ihre zerstörerische Wirkung ist oft ähnlich groß.

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