Kolumbien 20.05.2015

Gewalt und Selbstzensur in Valle del Cauca

Gewalt in der Provinz Cauca: Leichen von der Farc getöteter Soldaten. © dpa

Reporter ohne Grenzen ist besorgt über das Klima der Gewalt gegen Journalisten in der kolumbianischen Provinz Valle del Cauca. Medienschaffende sind dort ständigen Drohungen und Anschlägen von Guerillagruppen sowie Paramilitärs ausgesetzt. Wirtschaftliche Zwänge tun ein Übriges, um viele zur Selbstzensur oder in die Flucht zu treiben. In einem aktuellen Hintergrundbericht beleuchtet ROG die Lage in Valle del Cauca im Detail.

„Der Kreislauf von Gewalt, Straflosigkeit und Selbstzensur wird sich nur durchbrechen lassen, wenn die Behörden in Valle del Cauca endlich glaubwürdig gegen die Urheber der vielen Drohungen und Anschläge vorgehen“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Nötig sind auch wirksame und koordinierte staatliche Schutzmaßnahmen für bedrohte Journalisten.“

Die Provinz Valle del Cauca ist aufgrund ihrer Lage an der Pazifikküste von strategischer Bedeutung für die meisten Konfliktparteien in Kolumbien, weil sie den Zugang zu wichtigen Exportrouten für das Drogengeschäft sichert. Seit 1980 wurden dort 29 Journalisten ermordet, davon allein zwölf in der Provinzhauptstadt Cali.

Das bislang letzte Opfer war der Journalist Edgar Quintero vom Radiosender Radio Luna, der am 2. März in der Stadt Palmira ermordet wurde. Sein Tod gab den Anstoß für ROG und den Kolumbianischen Journalistenverband (Federación Colombiana de Periodistas, kurz Fecolper), die aktuelle Lage der Journalisten in der Provinz zu dokumentieren. Dazu führten Vertreter beider Organisationen vom 13. bis 15. März in den Städten Buenaventura und Palmira Gespräche mit mehr als 50 Journalisten, Regierungsvertretern sowie Vertretern von Journalistenvereinigungen und Zivilgesellschaft.

Verbrecherbanden verfolgen Journalisten und hören ihre Telefone ab

Viele der befragten Journalisten berichten, dass sie sich aus Angst vor Drohungen und Mordanschlägen selbst zensieren. Die örtlichen Verbrecherbanden wüssten, welche Journalisten an welchen Themen arbeiteten. Sie folgten Reportern und hörten ihre Telefone ab. Als Journalist habe man bei der Arbeit stets die Situation akut bedrohter Kollegen als warnende Beispiele vor Augen. Zu den vielen Tabuthemen in Valle del Cauca gehören etwa Korruption in der Verwaltung, die Geschäfte der Drogenkartelle und die Aktivitäten paramilitärischer Gruppen.

Ein Problem für die Medienfreiheit in der Provinz ist auch die willkürliche und ungleiche Verteilung der Werbebudgets staatlicher Stellen, die für viele Medien eine wichtige Einnahmequelle sind: Behörden und öffentliche Unternehmen buchen lukrative Anzeigen oder Werbespots oft als Belohnung oder Anreiz für genehme Berichterstattung – oder verweigern sie, um unbotmäßige Redaktionen abzustrafen.

In diesem Jahr schon zwei Morde an Journalisten in Kolumbien

Der im März ermordete Edgar Quintero hatte schon vor fast elf Jahren Drohungen vom damaligen Bürgermeister von Palmira erhalten, nachdem er über Korruptionsvorwürfe berichtet hatte. Neben ihm wurde dieses Jahr auch Luis Peralta ermordet, der Gründer des unabhängigen  Radiosenders Linda Stéreo in El Doncello in der Provinz Caquéta. Peralta hatte wiederholt über Themen wie Korruption berichtet und mehrfach Angriffen und Bedrohungen erhalten.

Seit dem Jahr 2000 wurden landesweit mindestens 58 Journalisten wegen ihrer journalistischen Arbeit ermordet. Mit Drohungen und Gewalt muss etwa rechnen, wer unliebsame Informationen über mächtige Lokalpolitiker veröffentlicht. Paramilitärische Gruppen wie Los Urabeños oder Aguilas Negras haben Journalisten wiederholt zu „militärischen Zielen“ erklärt.

In vielen Fällen Gewalt gegen Medienschaffende schließen die Behörden allzu schnell aus, dass die journalistische Arbeit der Opfer das Motiv für die Täter sein könnte. Nur selten zieht die Justiz die Verantwortlichen zur Rechenschaft. Ein staatliches Schutzprogramm stellt rund 80 bedrohten Journalisten Leibwächter zur Seite, hat sich aber als unzureichend erwiesen.

Anlass zur Hoffnung haben kolumbianische Gerichte jüngst zumindest bei der Aufarbeitung früherer Repressionen gegen Journalisten gegeben: Im März ließ die Generalstaatsanwaltschaft nach sieben Jahren ihre Anschuldigungen gegen William Parra fallen. Die Behörde hatte den Fernsehreporter fälschlich der Unterstützung der Rebellengruppe Farc beschuldigt und zeitweise mit internationalem Haftbefehl gesucht.

Ende Februar sprach Kolumbiens Oberstes Gericht zwei ranghohe frühere Regierungsbeamte wegen ihrer Rolle bei einem illegalen Abhörprogramm gegen Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, Oppositionelle und Richter schuldig.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Kolumbien auf Platz 128 von 180 Staaten.



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