Themenbericht
08.12.2015
Tödliche Gefahren für Umweltjournalisten
Anlässlich des Weltklimagipfels in Paris macht Reporter ohne Grenzen auf die zunehmenden Gefahren für Umweltjournalisten aufmerksam. Seit 2010 wurden nach Recherchen der Organisation zehn Umweltjournalisten ermordet, acht davon in Südostasien und Indien. In vielen Ländern nehmen Repressalien, Drohungen und Gewalt gegen Reporter zu, die etwa über illegale Rodungen, Umweltverschmutzung oder die Folgen von illegalem Rohstoffabbau berichten. In dem Bericht „Feindseliges Klima für Umweltjournalisten“ schildert ROG detailliert, mit welchen Schwierigkeiten Umweltjournalisten weltweit zu kämpfen haben.
„In vielen Ländern gehen Journalisten große Risiken ein, um auf Umweltzerstörung und ihre Folgen für die betroffenen Menschen aufmerksam zu machen“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Mit dieser mühsamen und gefährlichen Arbeit leisten sie einen unverzichtbaren Beitrag, um mehr Bewusstsein für die Gefahren von Ressourcenverschwendung und Klimawandel zu schaffen.“
Allein in diesem Jahr wurden zwei Umweltreporter in Indien wegen ihrer Arbeit getötet. Jagendra Singh hatte einem Minister des nordindischen Bundesstaats Uttar Pradesh wiederholt Korruption im Zusammenhang mit illegalem Bergbau und Beschlagnahmen von Land vorgeworfen. Zur Veröffentlichung seiner Beweise kam Singh nicht mehr, weil er bei einer Polizeirazzia in seiner Wohnung am 1. Juni so schwere Verbrennungen erlitt, dass er acht Tage später daran starb. Sandeep Kothari hatte im benachbarten Madhya Pradesh über illegalen Bergbau berichtet, bevor er am 19. Juni ermordet wurde. Die Täter entführten ihn und ließen seinen verbrannten Leichnam auf einem Bauernhof zurück.
Auch in Indonesien, Kambodscha, den Philippinen und Russland wurden jeweils zwei Umweltjournalisten ermordet, seit ROG 2010 den letzten Bericht über Umweltberichterstattung und Pressefreiheit veröffentlichte.
Mit Drohungen, Haft und Zensur gegen unerwünschte Umwelt-Recherchen
In anderen Ländern werden Journalisten wegen ihrer Berichte über Umweltthemen bedroht, angegriffen oder verhaftet. In Peru etwa wurden im vergangenen Frühjahr während Protesten gegen einen geplanten Kupfererz-Tagebau mindestens sechs Journalisten beschimpft und verprügelt. In Usbekistan sitzt seit mehr als sieben Jahren der freie Journalist Salijon Abdurakhmanow wegen dubioser Drogenvorwürfe hinter Gittern. Er schrieb unter anderem über die sozialen und gesundheitlichen Folgen der Austrocknung des Aralsees. ROG setzt sich mit einer Protestmail-Aktion für seine bedingungslose Freilassung ein.
Manche Regierungen reagieren mit Zensur, wenn Journalisten sie für Umweltprobleme verantwortlich machen. So hatten die chinesischen Behörden im vergangenen Februar zunächst die Online-Veröffentlichung eines Dokumentarfilms erlaubt, in dem die ehemalige Fernsehmoderatorin Chai Jing Ursachen und Folgen der Luftverschmutzung in Chinas Großstädten benannte. Nachdem der Film innerhalb eines Wochenendes mehr als 155 Millionen Mal angeschaut wurde und heftige Diskussionen in den sozialen Medien auslöste, machte die Regierung jedoch eine Kehrtwende und ließ den Film von den wichtigsten Videoportalen des Landes entfernen.
Gesetze und Akkreditierungsregeln verhindern kritische Berichte
In Ecuador hindern drakonische Gesetze Journalisten daran, kritisch über den heftig umstrittenen Plan einer Erdölförderung im Yasuni-Nationalpark zu berichten, der als eine der artenreichsten Regionen der Erde gilt. In Kanada erließ die Regierung so komplizierte Akkreditierungsregeln für Wissenschaftler in Behördendiensten, dass die Zahl der Berichte über die Klimafolgen des umstrittenen Ölsandabbaus laut einer Studie um 80 Prozent zurückging.
Mitunter versuchen auch Unternehmen, kritische Journalisten durch Bestechung zum Schweigen über die Umweltfolgen ihrer Projekte zu bringen. So haben Journalisten in der Demokratischen Republik Kongo von Bestechungsversuchen einer britischen Firma berichtet, die mögliche Ölvorkommen unter dem Virunga-Nationalpark erkunden wollte. Dem kanadischen Reporter Stephen Leahy bot ein Bergbauunternehmen Geld, um seine Recherchen über die Umweltfolgen des Silberabbaus in Mexiko zu stoppen.
Als Antwort auf solche Gefahren und Behinderungen schließen sich immer mehr Umweltjournalisten zu Verbänden zusammen – um die Qualität der Berichterstattung zu fördern, aber auch um für mehr Schutz bei ihren Recherchen zu sorgen. Seit der Gründung der Society of Environmental Journalists (SEJ) 1990 in den USA sind in etwa 20 Ländern ähnliche Verbände entstanden. Das seit 2004 bestehende Earth Journalism Network etwa zählt mittlerweile 8000 Mitglieder vor allem in Südostasien.
nach oben
Folgen Sie uns!