11.01.2002

11. September 2001 - 11. Januar 2002: 120 Tage Angriffe auf die unveräußerlichen Freiheiten Die Top 15 der freiheitsbeschränkenden Staaten

Seit dem 11. September 2001 und den Anschlägen in New York und Washington haben die meisten Länder ihre Sicherheitsmaßnahmen verschärft. Dies ist eine absolut legitime Reaktion. Im Gegensatz zu den daraus resultierenden Übergriffen auf die kollektiven und individuellen Freiheiten.
120 Tage nach den terroristischen Attentaten erscheint es uns angemessen, eine erste Bilanz zu ziehen. Denn die Angriffe auf die Menschenrechte, die Pressefreiheit und Informationsfreiheit im Internet haben zugenommen.
Wir stellen also in der Folge die "Top 15" vor, die fünfzehn
Länder, die bei der Einschränkung der Freiheit führend sind. Es ist die
Hitparade der Staaten, in denen die häufigsten und nachhaltigsten
sicherheitspolitischen Ausschweifungen und ein Abgehen von der Normalität zu beobachten sind.

Zwei Arten von freiheitsbeschränkenden Staaten sind zu unterscheiden:
diejenigen, die in der Folge der Attentate in "Panik" gerieten und
zu Rechtsmitteln griffen, die die Freiheit beschränken, und die "opportunistischen" Staaten, die den Vorwand der Terrorbekämpfung
nutzen, um bisher unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen oder um Minderheiten und Gegner zu unterdrücken.
Die unschuldigen Opfer im World Trade Center und Pentagon, in den Städten und Dörfern Afghanistans sind unvergessen. Muss man dennoch Alles im Namen des Kampfes gegen den Terrorismus zulassen? Wir glauben nicht. Wir sind weiterhin "wachsam" und "stehen zusammen". Darum veröffentlichen wir diese Charts der freiheitsbeschränkenden Staaten.

Platz 1: Die USA

Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben?

So lautete der Titel eines Artikels über die Lage in den USA, den wir am
10. Dezember 2001 auf unserer Website publizierten. Es ist natürlich und
legitim, dass die Behörden nach den Anschlägen des 11. September mit
drakonischen Maßnahmen reagierten, denn es geht darum, sich vor neuen
Attentaten zu schützen. Doch ist festzustellen, dass die "Reaktion"
Maßnahmen beinhaltet, die die Freiheit beschränken. Es gibt frappierende
Angriffe auf die kollektiven und individuellen Freiheiten, die
Bürgerrechte, die Freiheit im Internet und in Bezug auf die
Unschuldsvermutung. Auch die "Anscheinsdelikte" sind wieder da.
Dies Alles ist zweifellos Folge der vom Kongress abgesegneten Maßnahmen der
Bush-Administration.

Die Abschreckungsstrategie - präventiv, massiv und ... exzessiv?

In der Folge des 11. September inszenierten die Behörden eine enorme
Menschenjagd. Die Theorie massiver, präventiver und (so die
Menschenrechtsorganisationen) exzessiver Festnahmen wurde von
Justizminister John Ashcroft verteidigt und vom FBI übernommen. Fast 1200 Personen wurden so ohne Urteil verhaftet. In den meisten Fällen konnten die Verhafteten (die im Wesentlichen aufgrund von Verstößen gegen Visabestimmungen festgenommen worden waren) keinen Anwalt sprechen oder Kontakt zu ihren Familien aufnehmen. Am 27. November 2001 bestätigte der Justizminister, dass sich noch sechshundert Personen ohne Verfahren in Haft befanden. Er weigerte sich kategorisch, eine Liste der Namen dieser sechshundert Personen heraus zu geben.

Verstöße gegen die Rechte der Gefangenen und die Unschuldsvermutung
Anfang Januar 2002 gaben Diplomaten anderer Staaten in den USA ihre
diplomatische Zurückhaltung auf und beschuldigten die amerikanischen
Behörden, "nicht die Grundrechte unserer Staatsangehörigen, die seit
den Attentaten vom 11. September in Haft genommen worden sind, zu
wahren". Auf Initiative des Generalkonsuls von Pakistan in New York
berichteten sie, dass "wir in den meisten Fällen weder die Identität
noch den Aufenthaltsort unserer Staatsangehörigen kennen. Man sollte uns
wenigstens ihre Namen geben. ... Die Behörden üben auch Druck auf sie aus,
so dass sie nicht das Recht haben, Kontakt zu ihren Konsulaten oder
Anwälten aufzunehmen. Das ist keinesfalls zulässig."

Im Moussaoui-Prozess wandte sich Francois Roux, einer der Anwälte des
Franzosen und Hauptbeschuldigten in der Ermittlung der Anschläge, dem die
Todesstrafe droht, Anfang Januar gegen die Missachtung der
Unschuldsvermutung gegenüber seinem Mandanten, wie dies auch in einigen
anderen Fällen geschieht. "Wir werden aus diesem Verfahren einen Kampf
um die Anerkennung des unveräußerlichen Rechts, dieser unveräußerlichen
Freiheit, die in der Unschuldsvermutung besteht, machen. In diesem Fall ist
dieses Recht eindeutig verletzt worden. Dies kann nicht hingenommen werden.
Niemand ist vor einem Verfahren schuldig zu sprechen", erklärte Roux.

Das USA Patriot Act: Auf dem Weg zum Polizeistaat

Am 26. Oktober 2001 unterzeichnete George W. Buch die Verordnung über die
Anwendung dieses sogenannten "patriotischen" Gesetzes, das eine
Antwort auf den Terrorismus darstellen möchte. Ausgearbeitet von John
Ashcroft, dem Justizminister, beinhaltet das Gesetz Bestimmungen, die die
Freiheiten drastisch einschränken.

Abhören von Mandantengesprächen: Rücknahme des Rechts

Am 2. November genehmigt der Justizminister das Abhören und Aufzeichnen von
Gesprächen zwischen den im Rahmen der Ermittlungen der Anschläge
verhafteten Verdächtigen und ihren Verteidigern. Dabei ist nach
amerikanischem Recht schon lange anerkannt, dass "einem Beschuldigten
nur dann ein gerechter Prozess gemacht werden kann, wenn dieser frei mit
seinem Anwalt sprechen darf".

Außerordentliche Militärgerichte: Es gibt Amerikaner ... und die Anderen
Am 13. November unterzeichnete Präsident Buch eine Ständige Verordnung zur
Überweisung der Fälle mit Terrorismusverdacht, bei denen es sich nicht um
amerikanische Staatsbürger handelt, an außerordentliche Militärgerichte.
Ursprünglich erlaubte das Präsidentialdekret:


  • die Durchführung von Geheimprozessen
  • keine Verpflichtung des Gerichts, die vorliegenden Beweise zu veröffentlichen
  • die Verhängung der Todesstrafe, wenn zwei Drittel der Geschworenen dafür
    sind.
    Unter dem Druck von Bürgerrechtsorganisationen, bekannten Juristen, einem
    Teil der Medien und der öffentlichen Meinung, schwächte die Regierung die
    Bestimmungen für diese Gerichte ab. Die Verwaltung teilte entsprechend mit:
  • Die Verhängung der Todesstrafe kann erfolgen, wenn die Geschworenen
    einstimmig zustimmen.
  • Nach dem Urteil prüft ein Ausschuss von drei Personen das Urteil und die
    Anträge der Verteidigung.

Diese Empfehlungen sind dem Verteidigungsminister übermittelt worden. Die
endgültige Entscheidung über das Urteil liegt bei Präsident Bush. Ein
weiterer Fortschritt: neben den von Amts wegen bestellten Militäranwälten
dürfen sich die Beschuldigten durch zivile Anwälte vertreten lassen.
Außerdem dürfen die Öffentlichkeit und Journalisten die Verfahren
verfolgen. Das Gericht tagt nur dann nicht öffentlich, wenn möglicherweise
"verteidigungsrelevante Geheimnisse" offen gelegt werden könnten.

Die Festnahme von fünftausend Personen ... aus dem Nahen Osten

Am 13. November forderte der Justizminister die Festnahme von fünftausend
Personen aus dem Nahen Osten, die legal mit einem Touristenvisum in die USA
eingereist waren. Das Ziel der Behörden: Auffinden möglicher Komplizen der
Urheber der Anschläge vom 11. September oder von "Schläfern" aus
dem al-Qaida-Netzwerk Osama bin Ladens. Diese Massenverhaftungen trugen zur
Stigmatisierung und Marginalisierung von Ausländern aus dem Nahen Osten,
von Arabern und Muslimen bei.

Diskriminierung: Der angekratzte "amerikanische Traum" der Araber
und Muslime

Die arabische und muslimische Community zahlt einen hohen Preis für die
Attentate des 11. September. Die Vertreter dieser Gemeinden haben zwar die
Attentate verurteilt, doch ist es seitdem zu zahlreichen gewalttätigen
Übergriffen bis hin zu Mordfällen, moralischem Druck oder nicht
gerechtfertigter Entlassung von Mitgliedern der Gemeinden gekommen. Das
Arabisch-Amerikanische Institut berichtet von 157 Beschwerden wegen der
Diskriminierung aufgrund von Rasse oder Religion. In einem jüngst von den
Behörden der Stadt Los Angeles veröffentlichten Bericht werden 92
rassistisch-motivierte Straftaten seit dem 11. September genannt - im
Vergleich zu nur zwölf vergleichbaren Fällen im Jahr 2000 insgesamt.
Der Alptraum muslimischer Amerikaner oder Amerikaner arabischer Herkunft
wurde nach dem Fall eines Agenten, der im nahen Umfeld der Sicherheitsleute
von Präsident Bush für den Geheimdienst arbeitete, massiv von den Medien
aufgegriffen. Dieser arabischstämmige Agent wurde, aufgrund seines
orientalischen Aussehens, vom Piloten von Bord eines Flugzeugs geschickt.

Denunziation: Zuckerbrot und Peitsche

Ende November verkündete der amerikanische Justizminister John Ashcroft,
dass Ausländer, auch Personen ohne Papiere, "an einem Programm
teilnehmen dürfen, durch das ihre Visa legalisiert bzw. ihre amerikanische
Einbürgerung beschleunigt werden, wenn sie den Behörden wertvolle
Informationen, die zur Festnahme von Terroristen führen, machen". Um
seinen guten Willen zu belegen, übermittelte John Ashcroft einen Text, in
dem die neuen Bestimmungen zusammen gefasst werden, an das FBI, die
Einwanderungs- und Einbürgerungsstellen sowie an die Strafjustizabteilung
der Justizverwaltung. Diese neue Anweisung ist von Menschenrechtsgruppen
massiv kritisiert worden, denn sie schafft ein Klima der allgemeinen
Denunziation zum Schaden Unschuldiger.

Die Identitätskarte vom Typ "Big Brother"

Die amerikanische Bundesregierung testet zur Zeit bei Angehörigen der
Streitkräfte und Beamten gefährdeter Ministerien ein neues Werkzeug im
Kampf gegen den Terrorismus: die Identitätskarte. Vor dem 11. September war
die Einführung einer bundesweit geltenden Identitätskarte als
"Kontrolle" ihres Privatlebens für Amerikaner undenkbar. Die Lage
hat sich jedoch geändert. Vier Millionen Identitätskarten werden in den
kommenden zwei Jahren ausgegeben werden. Noch in diesem Jahrzehnt wird die
gesamte Bevölkerung des Landes davon betroffen sein. Aus europäischer Sicht
gesehen ist die Identitätskarte oder der Personalausweis ein Klassiker, der
zunächst einmal keine Einschränkung der persönlichen Freiheit mit sich
bringt. In den USA sieht man das jedoch ganz anders. Die
Bürgerrechtsgruppen sind besorgt und sagen, hier würde wirklich "Big
Brother" in Stellung gebracht. Denn die amerikanische Version der
Identitätskarte ist eine schwindelerregende Verbindung von Technologie und
einem zweifelhaften Apparat, der nachvollziehen kann, was der Inhaber
dieses Ausweises macht. Mit zwei Fotos, zwei Balkencodes, digitalen
Fingerabdrücken und einem Magnetstreifen ermöglicht die Identitätskarte
jede Minute, in der jemand etwas macht, nachzuvollziehen, denn sie befindet
sich im Zentrum eines tentakelartigen Superdatenbanksystems.

CIA: Dollars und Terroristen ... im Kampf gegen den Terrorismus

Mitte Dezember bekam die CIA, der große, zentrale Informationsdienst der
USA, von Präsident Bush und dem Kongress Alles, was sie wollte, um den
Terror zu bekämpfen. Ihr Etat (und das Budget anderer Ermittlungsbehörden)
wurde um fast 10% angehoben, damit "Maßnahmen der Korruption,
Rekrutierung von Personen mit dubiosem Profil und Mordaufträge im Ausland
finanziert werden können". Im Bereich Korruption erfolgte eine
Steigerung des CIA-Budgets um das Zehnfache, schreibt die Wochenzeitung
Newsweek. Dies ist Geld zur Bezahlung von "umgedrehten"
Verantwortlichen aus dem Ausland und von Informanten, u.a. von Terroristen,
die als Doppelagenten arbeiten. Was die Menschenrechtsgruppen jedoch vor
Allem alarmiert, ist die Tatsache, dass die CIA eine Kehrtwendung macht und
die eigene Geschichte dreißig Jahre zurück geht. Seit Anfang der siebziger
Jahre hatte diese amerikanische Institution nicht mehr das Recht, Morde im
Ausland zu organisieren und zu finanzieren. Der republikanische Senator
Richard Shelby bestätigte, dass "Präsident Bush die CIA aufgefordert
hat, sich kraft der ihr übertragenen Kompetenz von diesem Verbot zu
befreien".

Wieder auf der Tagesordnung: Die Folter

Ende Oktober wurden im FBI, in der Regierung aber auch in den Medien
Stimmen laut, die den Rückgriff auf "andere Methoden, als einfache
Vernehmungen", forderten, "damit wenig gesprächige Verdächtige,
deren Festnahme im Rahmen der Ermittlungen der Attentate des 11. September
erfolgt, zum Sprechen gebracht werden". Schnell redeten einige der
bundesweit zuständigen Instanzen wieder vom Einsatz des
"Wahrheitsserums" Penthotal, mit dem Geständnisse erzielt werden
können. Auch andere "Wege" wurden angedacht: psychischer und
physischer Druck, d.h. Ausweisung in Drittländer, in denen die Polizei
brutal vorgeht oder die Familien der Verdächtigen bedroht, um
Schuldbekenntnisse zu erreichen.

Ein Dämpfer für die Meinungsfreiheit

Seit dem 11. September ist bei öffentlichen Manifestation in Wort und Witz
Vorsicht geboten. Einige Nicht-Amerikaner haben bereits lernen müssen, dass
die Meinungsfreiheit beim Thema Attentate oder Terrorismus im Allgemeinen
aufhört. Im September wurde ein Iraner von einer Universität in Florida
verwiesen, weil er an der falschen Stelle Humor zeigte. Einem anderen
Iraner drohen bis zu zwanzig Jahren Gefängnis, weil er Anfang Dezember nach
einer verbalen Auseinandersetzung mit einer Stewardess im Flugzeug die USA
bedrohte. Ende Dezember erklärte ein wütender Japaner, dem die Abfertigung
am Flughafen Seattle zu lange dauerte, einer Stewardess gegenüber:
"Wenn ich Terrorist wäre, würde ich dieses Flugzeug in die Luft
jagen." Ihm drohen fünf Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe in Höhe von
zehntausend Dollar.

Die Pressefreiheit: Zensur im Weißen Haus

Im Bruch mit der Tradition amerikanischer Institutionen hat die Exekutive
Anfang Oktober eine Art Zensur für die Presse eingeführt. Condoleeza Rice,
die nationale Sicherheitsberaterin des Präsidenten, rief die wichtigsten
Herausgeber zusammen, um sie an ihre "Verantwortung" bei der
Information in Krisenzeiten zu erinnern. Beunruhigender ist, dass Präsident
George Bush unter Berufung auf Gründe der nationalen Sicherheit, den
wichtigsten Mitgliedern seines Kabinetts am 5. Oktober 2001 Anweisung
erteilte, den Parlamentariern bestimmte für die Ausübung ihres Mandats
unerlässliche Informationen nicht mehr zu geben. Der Grund für diese
Maßnahme ist die Angst davor, dass etwas an die Presse
"durchsickert".

Freiheit im Internet: Amerika organisiert, als neuer weltweiter Justiziar
des Internet, die Treibjagd im Netz

Im Rahmen des Gesetzes über den Kampf gegen den Terrorismus hat sich das
US-Justizministerium das Recht, "Piraten" im Internet zu verfolgen,
erteilt, gleichgültig, ob diese amerikanische Staatsbürger sind oder nicht,
gleichgültig, ob sie auf amerikanischem Boden handeln oder jenseits des
nationalen Territoriums der USA. Die Begründung der Behörden ist simpel: in
dem Maß, in dem der überwiegende Teil der Internet-Kommunikation über die
USA läuft, ist jeder zu verfolgen, der im Internet gegen die Gesetze der
USA verstößt, denn die elektronischen "Delikte" laufen durch
amerikanische "Leitungen".

Die amerikanische Bundespolizei (FBI) hat sich zu diesem Zweck ein neues
Werkzeug zugelegt. Es nennt sich "Laterna Magica" und erlaubt die
Dekodierung und Dechiffrierung aller geschützen Daten auf einzelnen
Rechnern. Als wahrhaft "trojanisches Pferd" ist "Laterna
Magica" eine Software, die das FBI ferngesteuert installieren kann.
Nach der Installation erlaubt das Programm den Behörden den Blick auf den
gesamten Inhalt des "gekaperten" Computers.

"Carnivore" (der "Fleischfresser"), eine andere Anwendung,
ermöglicht das Abfangen der e-Mails der Internet-Benutzer, um ihren Inhalt
zu entschlüsseln. Vor den Attentaten des 11. September hatte die Justiz das
FBI aufgefordert, "Carnivore" sparsam einzusetzen, und nur mit
zuvor erteilter richterlicher Erlaubnis. Im vergangenen Oktober genehmigte
Präsident Bush den Einsatz von "Carnivore" durch die Bundespolizei,
und zwar im eigenen Ermessen.

Platz 2: Großbritannien:

Das erste Land, das gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt
Bis zum 11. September galt das Vereinigte Königreich als zu milde gegenüber
religiösen Aktivisten, mit anderen Worten, als sicherer Ort für
vermutetliche Terroristen. Seitdem hat das Land eine völlige Kehrtwendung
gemacht. Das vom Parlament Mitte Dezember verabschiedete Antiterror-Gesetz
macht das Königreich Ihrer Majestät zur ersten Nation, die einseitig gegen
die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt, wobei das Internet
"der Kontrolle der Justiz" unterstellt wird.

Das Antiterror-Gesetz: Haft ohne strafrechtliche Untersuchung und Anklage
Der hartnäckige Widerstand des Oberhauses des britischen Parlaments blieb
erfolglos: die Abgeordneten stimmten dem von Tony Blairs Regierung
ausgearbeiteten "Gesetz zum Kampf gegen den Terrorismus" zu.
Kritisiert werden insbesondere zwei Maßnahmen: die Möglichkeit, Ausländer
ohne Untersuchungsbeschluss in Haft zu nehmen und die erhöhte Kompetenz der
Polizei in Bezug auf die Überwachung des Internet, von e-Mails und das
Abhören von Telefongesprächen. Ersteres macht aus Großbritannien das erste
und einzige Land der Alten Welt, das gravierend und deutlich gegen die
Europäische Menschenrechtskonvention verstößt. Artikel 5 dieser Konvention
bestimmt, dass jede längere Haft über den strikten Rahmen einer
richterlichen Anordnung hinaus verboten ist. Im Übrigen hat die Regierung
erst im letzten Augenblick und angesichts einmütiger Kritik das "Delikt
des Aufrufs zum religiösen Hass" aus dem Gesetzestext gestrichen.
Pressefreiheit: Aufforderung an die Medien, "wahr und falsch zu
unterscheiden"

Die britische Regierung, verlässlicher Unterstützer der Vereinigten Staaten
im Krieg gegen den Terrorismus und bei der militärischen Operation in
Afghanistan, hat sich für ein Lager entschieden. Die Mannschaft des
britischen Premierministers Tony Blair rief die Medien auf, ebenfalls zu
wählen, zu wem sie stehen. Sie sollten das Gleiche tun, wie die Regierung,
im Klima der heiligen Allianz. Der Sprecher Tony Blairs rief die Medien
Anfang November und in Bezug auf ihren Umgang mit den Informationen zum
Afghanistankrieg trocken zur Ordnung. "Unterscheiden Sie, was wahr und
was falsch ist!" forderte der Pressechef Tony Blairs sie auf. "Die
Medien dürfen nicht die Lügengespinste der Taliban und die Erklärungen des
Bündnisses in einen Topf werfen oder als gleichwertig betrachten."

Freiheit im Internet: Internet-Spionage im Namen des Antiterrorkampfes -
unter Anderem<
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Nach den USA, Kanada und Frankreich begann auch Großbritannien mit einer
intensiven Überwachung des Web. Dem Beispiel aus Paris folgend verlängerte
London den Zeitraum der Speicherung der Daten von Internet-Usern durch die
Zugangs-Provider. Der Innenminister verkündete überdies, dass er davon
ausginge, dass er das Recht habe, "Online erfolgende
Finanztransaktionen anzusehen oder private e-Mails zu kontrollieren".
Konkret entlässt das neue Gesetz die Polizei weitgehend aus der Pflicht,
Maßnahmen durch einen Richter autorisieren zu lassen. Zum Handeln genügt
das grüne Licht durch das Innenministerium oder einen höheren Beamten
desselben. Derart drastische Maßnahmen provozieren Protest: die
Zugangsprovider beabsichtigen die Verlagerung ihrer Server aus
Großbritannien.

Platz 3: Kanada:

Das Land, in dem es nicht mehr gut ist, Ausländer oder Journalist zu sein
Das Gesetz C-36 gegen den Terrorismus, das am 24. Dezember 2001 in Kraft
trat, ist alles Andere als ein Weihnachtsgeschenk. Es beinhaltet die
Einführung von "präventiven" (und damit potenziell willkürlichen)
Festnahmen von Personen, die unter Terrorismusverdacht stehen, und viele
weitere Bestimmungen, die eine Gefahr für die Pressefreiheit oder die
Freiheit im Web darstellen. Allgemein gesagt markiert es den Rückzug dieses
- einst? - offenen Landes auf sich selbst.

Antiterrorgesetz(e): Umfassende Vollmachten für Polizei und Staat

Das erste Antiterrorgesetz trat am 24. Dezember 2001 in Kraft. Es trägt den
Titel C-36 und ermöglicht insbesondere die bis zu 72 Stunden dauernde
Präventivhaft bei Personen, die unter dem Verdacht der Vorbereitung
terroristischen Straftaten stehen. Für polizeiliches Handeln gilt ein
einfacher Verdacht. Im Übrigen gibt das Gesetz C-36 den Behörden mehr
Kompetenzen bei der Überwachung des Internet, von e-Mails und beim Abhören
von Telefongesprächen. Eine Änderung des Gesetzes über die nationale
Verteidigung ermöglicht dem Verteidigungsminister, das Zentrum für die
Sicherheit der Telekommunikation CST zu ermächtigen, Privatgespräche
zwischen Kanada und dem Ausland zu belauschen, um Informationen über
"internationale Angelegenheiten, Fragen der Verteidigung oder
Sicherheit" zu bekommen."

Die Verabschiedung dieses Gesetzes bedeutet jedoch auch, dass sich Kanada
gegenüber Anderen abschottet. So wurden durch das Gesetz die
Einwanderungsbestimmungen und die Grenzkontrollen verschärft.
Ein zweiter Gesetzentwurf, der dem Parlament zur Beschlussfassung vorliegt,
autorisiert vor Allem die Minister, einseitig und geheim zu handeln, womit
dem Parlament faktisch seine Aufgabe genommen wird.

Pressefreiheit: Der Angriff auf die Vertraulichkeit der Quellen

Die Änderung der Bestimmungen im Gesetz über die nationale Verteidigung
beinhaltet die Erlaubnis, Privatgespräche zwischen Kanada und dem Ausland
abzuhören, um Erkenntnisse zu erlangen. Damit ist die Vertraulichkeit des
Gesprächs zwischen Journalist/Journalistin und dem Kontakt im Ausland nicht
länger gewährleistet. Durch das neue Gesetz ist es auch möglich, dass
jemand, bei dem es "vernünftige Gründe zur Annahme, er oder sie habe
direkte Informationen über eine terroristische Straftat", vor einen
Richter bestellt wird, um diese Informationen offen zu legen. Personen, die
dieser richterlichen Vorladung nicht folgen oder die Fragen des Richters
nicht beantworten wollen, können mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft
werden. Schließlich bestraft das Gesetz über Amtsgeheimnisse unter dem
neuen Titel Gesetz über den Schutz der Information nunmehr "mit
unbegrenzter Haft" die Weitergabe sensibler Informationen "an eine
ausländische Stelle oder terroristische Gruppe". Nach Artikel 16
handelt es sich bei diesen Informationen um Informationen, "in Bezug
auf die die Bundesregierung oder eine Provinzregierung Schutzmaßnahmen
ergreift", ohne dass dies näher präzisiert würde. Artikel 17
sanktioniert die Weitergabe von "speziellen operativen
Informationen". Zu letzteren zählen Informationen von öffentlichem
Interesse, entsprechend den "Grenzen oder Linien" der von der
Bundesregierung verfolgten Informationspolitik. Journalisten geraten durch
diese gesetzlichen Bestimmungen potenziell in den Bereich der Illegalität.
Freiheit im Internet: Straffreiheit bei der Überwachung des Internet
Die intensive Überwachung von Internet und elektronischer Post ist ein
Eckstein des Antiterrorgesetzes. Vor der Verkündung dieses Gesetzes mussten
die Behörden die Bürger und Bürgerinnen informieren, wenn oder dass diese
überwacht wurden oder werden. Heute brauchen Polizei und
Informationsdienste keine richterliche Genehmigung mehr für eine derartige
Maßnahme und müssen sich auch den Bürgern gegenüber nicht mehr
diesbezüglich verantworten.

Platz 4: Frankreich

Das Gesetz über die Sicherheit im Alltag schwächt die Meinungsfreiheit
Am 15. November 2001 verabschiedete Frankreich in aller Eile und ohne
wirkliche Diskussion ein Antiterrorgesetz, das an einen juristischen
Rundumschlag erinnert und Terrorismus und Kriminalität miteinander
verquickt. Dieses, für verfassungswidrig erachtete, Gesetz über die
Sicherheit im Alltag (LSQ - Loi sur la sécurité quotidienne) schränkt die
Meinungsfreiheit im Internet drastisch ein.

Das Gesetz über die Sicherheit im Alltag: Das Internet aufs Korn genommen
Nach den Attentaten vom 11. September war die Regierung bemüht, schnell zu
reagieren, und legte den Abgeordneten des Parlaments ein Maßnahmenpaket im
Kampf gegen den Terrorismus vor. Dieses war nicht
"maßgeschneidert", um auch die nebulösen Formen der terroristischen
Bedrohung zu umfassen. Neue Bestimmungen ergänzten, hastig formuliert,
einen bestehenden Gesetzestext, nämlich das Gesetz über die
Informationsgesellschaft LSI (Loi sur la société de l'information).
Das LSQ ist ein Rundumschlag geworden und umfasst zur gleichzeitigen
Umsetzung dreizehn sogenannte "Antiterror"-Gesetzesänderungen.
Weiterhin bietet es die Möglichkeit, jemanden anonym zu beschuldigen, ohne
dass sich die beschuldigte Person von Angesicht zu Angesicht mit dem so
geschaffenen "anonymen Zeugen" auseinander setzen könnte; es
ermöglicht den genetischen Fingerabdruck jeder Person, die des einfachen
Diebstahls beschuldigt wird; die Durchsuchung von Fahrzeugen;
Hausdurchsuchung ohne richterliche Prüfung und in Abwesenheit des/der
Betroffenen; die Möglichkeit des Verbots von Versammlungen in
Gebäudehallen; die Übertragung polizeilicher Befugnisse auf private
Sicherheitsdienste; und es beinhaltet Sicherheitsmaßnahmen im Rahmen der
Einführung des Euro.

Neben den freiheitsbeschränkenden Maßnahmen dieser gesetzlichen
Bestimmungen kritisieren die Gegner das Gesetz auch, weil es gemeines Recht
und Antiterrorkampf miteinander verquickt. Die Kritik wird durch das Fehlen
einer wirklichen Diskussion über seine Umsetzung genährt. Der Text
passierte den Senat und die Nationalversammlung wie ein Brief auf dem
Postweg. Kein Abgeordneter hatte den Mut, den Verfassungsrat anzurufen (was
die Regel ist, wenn es um Gesetze mit verfassungsmäßig sensiblen
Bestimmungen geht), damit sich dieser zur Rechtmäßigkeit des LSQ äußern
könnte.

Pressefreiheit: Ordnungsruf an die Adresse der Medien

Nach den Empfehlungen des Höchsten Rates für Audiovision CSA (Conseil
supérieur de l'audiovisuel) an die Adresse von Radio und Fernsehen und dem
Ordnungsruf für den Nachrichtensender Al-Jazira forderten die
Organisationen zur Verteidigung der Presse- und Meinungsfreiheit den CSA
auf, darüber zu wachen, dass es nicht wieder zu einer Kontrolle der
Information in Frankreich zu Gunsten des internationalen Kontexts käme.
Diese Organisationen äußerten ihre Besorgnis angesichts der jüngsten
Empfehlungen des CSA zum Umgang mit Informationen über den
Afghanistankonflikt und zur Erinnerung des in Qatar ansässigen
Nachrichtensenders Al-Jazira an seine Pflichten. Das Fehlen jeglicher
Kontrolle des Inhalts von Nachrichten ist in Frankreich eine grundlegende
Errungenschaft der audiovisuellen Medien in den letzten zwanzig Jahren
gewesen.

Freiheit im Internet: Das Internet im Griff französischer Richter

Das LSQ erlaubt die Speicherung von Daten bei den Zugangsprovidern für das
Internet für einen Zeitraum für ein Jahr. Richter sind befugt, unter
Rückgriff auf "staatliche Instrumente, die der Geheimhaltung im
Interesse der nationalen Verteidigung unterliegen", Mitteilungen zu
entschlüsseln. Die Anbieter von Verschlüsselungstechniken sind
verpflichtet, den Behörden ihre Protokolle zur Verfügung zu stellen, damit
diese Botschaften dechiffrieren können. Damit steht das Internet erneut
unter strikter Überwachung und die Verschlüsselung wird kriminalisiert.

Platz 5: Deutschland

Ein "katastrophales" Antiterrorgesetz

Die Vereinigungen, die sich für Bürgerrechte und Datenschutz einsetzen,
halten das von Innenminister Otto Schily vorgelegte und vom Bundestag
verabschiedete Antiterrorgesetz für eine "Katastrophe". Die am
stärksten die Freiheiten einschränkenden Bestimmungen dieses Gesetzes sind:


  • Der Verdacht der Gefährdung der demokratischen und liberalen Grundordnung
    ist ein Grund für die Verweigerung oder Nichtverlängerung einer
    Aufenthaltsgenehmigung. Für in Deutschland lebende Ausländer kann dies auch
    Ausweisungsgrund sein. Dazu kommt die unmittelbare Durchführung der
    Abschiebung.
  • Die Trennung zwischen Geheimdienst und Polizei wird aufgehoben. Die
    Geheimdienste haben unbegrenzten Zugriff auf die gemeinsame Datenbank der
    Polizei INPOL und des MAD, BND, Bundesgrenzschutz und Verfassungsschutz
    werden in die Verfahren zur Ausstellung von Visa einbezogen.
  • Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist die
    Zuständigkeit des Verfassungsschutzes vergleichbar mit der der Polizei.
  • Das Gesetz über das Ausländerregister wird geändert, damit Polizei und
    Geheimdienste automatischen Zugriff auf alle Daten haben.
  • Es ist geplant, auch Auszüge über den Unterhalt, mit denen die Identität
    von Ausländern und Asylbewerbern belegt wird, zu speichern, um das
    "tatsächliche" Herkunftsland zu belegen und ihre Ausweisung zu
    erleichtern.
  • Die digitalen Fingerabdrücke und "andere Identitätsnachweise"
    aller Asylantragsteller müssen zehn Jahre lang aufbewahrt und sollen
    systematisch mit Polizeiangaben über Tatorte von Verbrechen abgeglichen
    werden. Sie werden vom BKA gespeichert.
  • Das Verbot aller Vereine von Ausländern, deren Ziele oder Aktivitäten den
    grundlegenden Interessen der Bundesrepublik Deutschland schaden oder Gefahr
    für sie bergen.
  • Das Recht auf den Zugriff auf Telekommunikationsdaten, die elektronisch
    gespeichert werden können: wer kommuniziert elektronisch mit wem?, wer
    telefoniert mit wem?, Daten zur Lokalisierung; globale Archivierung der
    Inhalte, die kommuniziert werden; neue Rechte beim Zugriff auf die Daten
    der Telekommunikationsunternehmen und die Verwaltung von Post und Banken
    für die Informationsdienste. Die gewählten juristischen Konzepte sind
    ungenau und schwer zu bewerten. Ihre Auslegung erfolgt entsprechend der
    behördlichen Praxis. Wer bestimmt den Begriff der "Unterstützung des
    internationalen Terrorismus"? Wer definiert die Grenze zwischen
    "Terrorist" und "Freiheitskämpfer"? Die Änderungen des
    Gesetzes über Einreise und Aufenthalt von Ausländern in Deutschland und das
    Asylverfahrensgesetz sind nicht die geeigneten Mittel, um mehr Sicherheit
    zu erzielen. Sie fördern, im Gegenteil dazu, Vorurteile und Ressentiments
    in der Bevölkerung.

Platz 6: China

Unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung die Unterdrückung von Opposition und
Minderheiten

Ende Oktober 2001 ratifizierte das chinesische Parlament zwei
internationale Abkommen zur Terrorbekämpfung: die Internationale
Übereinkunft gegen Terrorakte und die Konvention von Schanghai über den
Kampf gegen den Terrorismus, Separatismus und Extremismus. Der
Ratifizierung folgte unmittelbar die massive Repression gegen die
muslimische Separatistenbewegung der Uighuren im Nordwesten der Region
Xinjiang sowie gegen mongolische Separatisten und die Anhänger der
Falungong-Bewegung.

Zum Jahresende 2001 verschärfte der Minister für innere Sicherheit diese
Maßnahmen noch: Er kündigte die Gründung eines Büros für die Koordination
der Terrorbekämpfung an. Dieses Büro verfügt über ein Sonderkommando der
Polizei und hat bereits den verbotenen Gruppen, die die Interessen der
Muslime in Xinjiang, der Mongolen und der Anhänger der Falungong
verteidigen, Ultimaten gesetzt. Sie haben ggf. bis zum Februar 2002 Zeit,
vor den Beamten des Koordinationsbüros zu erscheinen und "ihre
illegalen Handlungen zuzugeben". Im Gegenzug wird sich die Justiz ihnen
gegenüber als mild erweisen.

Ansonsten droht vermutlichen Terroristen und ihren Komplizen in China die
Todesstrafe. Die Volksrepublik arbeitet an einer Änderung des Strafrechts,
so dass Unterstützer von Terrorakten, Sympathisanten aber auch
Trittbrettfahrer, also Personen, die Falschinformationen mit
terroristischem Gehalt verbreiten, härter bestraft werden können. Das neue
Waffenarsenal Chinas im Kampf gegen den Terrorismus wird von den
Verteidigern der Freiheit kritisiert. Sie weisen darauf hin, dass in
Wirklichkeit "China uneingeschränkt die internationale
Antiterror-Koalition seit dem 11. September unterstützt, weil es dadurch
straflos eigene störende Minderheiten und die Opposition unterdrücken
kann".

Platz 7: Italien

Straflosigkeit der Geheimdienste

Im Kampf gegen den Terror hat die italienische Regierung ein neues Gesetz
auf den Weg gebracht, das auf eine Reform der Geheimdienste abzielt. Der
Entwurf sieht vor, dass die für den zivilen Geheimdienst SISDR und den
militärischen Geheimdienst SISMI Tätigen straflos Straftaten im Rahmen
ihrer Missionen begehen dürfen. Das Töten oder Verletzen von Personen ist
dabei allerdings ausgeschlossen. Diebstahl, illegale Beschlagnahmung,
Lauschangriffe, Beschattung, Eingriffe in die Privatsphäre sollen künftig
ohne richterliche Genehmigung erlaubt sein. Und es kommt noch besser: in
der Arbeit an ihren Fällen ist den Agenten sogar offiziell verboten,
Kontakt zur Justizbehörde zu haben. Über Maßnahmen und Missionen
entscheidet der Leiter des betreffenden Dienstes, in Absprache mit dem
zuständigen Minister. Die Maßnahmen sind vom Ratspräsidenten gedeckt.
Dokumente, die im Zusammenhang mit den Aufträgen und begangenen Straftaten
stehen, unterliegen für einen Zeitraum von fünfzehn Jahren dem
Staatsgeheimnis.

Platz 8: Indien

Kampf gegen den Terror, um die Rechnung mit Pakistan zu begleichen
Mitte November 2001 erlaubte die indische Regierung einen Blick in ihr
Antiterror-Waffenarsenal: die Verordnung zur Verhinderung von Terrorismus
(POTO). Premierminister Atal Beahri Vajpayee forderte die Unterstützung
anderer Staatschefs, denn der Vorschlag, den er, ohne die Zustimmung des
Parlaments abzuwarten, vorlegte, wurde heftig kritisiert. Die Opposition
sprach von einem "antidemokratischen, freiheitsbeschneidenden Werk, das
zu Missbrauch einlädt und schlicht nutzlos ist. Ein Verdächtiger kann
künftig dreißig Tage ohne behördliche Rechtfertigung eingesperrt werden.
Jeder, der Informationen über vermutliche Terroristen hat, auch ein
Journalist, muss die Behörden in Kenntnis setzen, sonst macht er sich
strafbar." Nach Meinung der Opposition hat die Verordnung "vor
Allem Minderheiten im Blick, und hier insbesondere die Muslime in Jammu und
Kaschmir, die das Inkrafttreten dieser Verordnung fürchten."
Die Regierungspartei BJP forderte Premierminister Atal Vajpayee sogar auf,
dem Beispiel der Militäraktion der USA in Afghanistan zu folgen, um den
Binnenterrorismus auszurotten. Mit anderen Worten: um Kaschmir von
bewaffneten Gruppen, die vom Erzfeind Pakistan unterstützt werden, zu
säubern. Diese Forderung erfolgte nach dem Anschlag auf das indische
Parlament am 13. Dezember.

Das Antiterrorgesetz hätte unter dem Druck der Abgeordneten und
Organisationen zur Verteidigung der Freiheit geändert werden müssen. Doch
es gilt, wenn auch nur für drei Jahre, nicht für fünf. Der Gesetzgeber hat
ebenfalls Kontrollmechanismen eingeführt, um Missbrauch zu verhindern.

Platz 9: Die Europäische Union

Die Harmonisierung der Terrorismusbekämpfung unter Schmerzen
Anfang November legte die EU-Kommission einen Vorschlag für einen
Entscheidungsrahmen zur Harmonisierung der Terrorismusbekämpfung in den
EU-Mitgliedstaaten vor. Ziel war eine Eingrenzung der Definition von
"Terrorismus" und eine Annäherung bei den drohenden Strafen. Die
ursprüngliche Formulierung "geeint im Terrorismus" ging hier zu
weit, denn sie "ließe sich auf jede Form gesellschaftlicher
Auseinandersetzung anwenden". Die illegale Aneignung von Infrastruktur
in der Absicht, den sozialen oder wirtschaftlichen Einrichtungen
gravierenden Schaden zuzufügen, "führt in das Feld des
"Terrorismus". Die Ermutigung zu derartigen Aktionen durch Einzelne
oder eine Gruppe ist eine Straftat, die mit bis zu sieben Jahren Haft
geahndet werden kann." Die Verteidiger der kollektiven und
individuellen Freiheiten kritisieren hier deutlich die "Rückkehr zum
Meinungsdelikt".

Mitte November einigten sich die fünfzehn EU-Staaten auf eine neue
Definition von terroristischen Akten. Schwierig war jedoch die
Verständigung über die Liste von Straftaten, die vom neuen europäischen
Haftbefehl abgedeckt werden. In Bezug auf die Terrorismusdefinition musste
die Europäische Union eine Formulierung wählen, die explizit das
Vereinsrecht, Versammlungsrecht, Demonstrationsrecht und die
Meinungsfreiheit sowie die Freiheit der Gewerkschaften garantiert. Beim
europäischen Haftbefehl verweigerten Italien und Irland die Erklärung der
Gültigkeit einer Liste von dreißig Gesetzesverstößen, die automatisch zur
Auslieferung führen. Italien widersetzte sich insbesondere der Aufnahme von
Steuer- und Geldwäschedelikten in die Liste. Luxemburg wollte eine
Gültigkeit des europäischen Mandats nur bei Personen, denen
Gefängnisstrafen von vier Jahren drohen, anstelle der ursprünglich
vorgesehenen einjährigen Haftstrafe.

Die Europäische Kommission wandte sich ihrerseits gegen "die
Einbeziehung politischer Organisationen in eine gemeinsame Liste von
vermutlichen Terroristen der 15 Mitgliedstaaten". "Meines Wissens
wird keine in einem Mitgliedstaat im Parlament vertretene politische
Organisation von ihrer Regierung als terroristische Vereinigung
angesehen," erklärte Leonello Gabrici, Sprecher der EU-Kommission.
Seine Äußerung war die Reaktion auf den Wunsch Spaniens, die Partei
Batasuna, der politische Flügel der baskischen Terrororganisation ETA, auf
die Liste zu setzen.

Platz 10: Spanien

Die ETA im Visier des Antiterrorkampfes

Zwar ließ die Regierung José Maria Aznar kein eigenes Antiterrorgesetz vom
Parlament verabschieden, doch der Regierungschef führte die Offensive auf
europäischer Front an. Und er konnte seine Meinung teilweise durchsetzen.
Sein Ziel war ein stärkerer Druck auf den Binnenterror, d.h. auf die ETA,
im Rahmen einer globalen Antiterrorkampagne. So erreichte er, dass sich die
15 auf die höchst kontroverse gemeinsame Definition von Terrorismus
verständigten und hinter seinem Vorschlag für den europäischen Haftbefehl
versammelten.

Platz 11: Pakistan

Muslimische Fundamentalisten unter Kontrolle

Pakistan, jahrelang Pate der wenig demokratischen Taliban in Afghanistan,
hat sich plötzlich zu einem der Vorsänger gemausert, die das Lied der
Terrorbekämpfung singen. Amerikanischer Druck und der Militärschlag des
Bündnisses in Afghanistan sind an diesem unerwarteten politischen Umschwung
nicht ganz unschuldig. Seit Herbst 2001 möchte man die Madrasen, die
fundamentalistischen Koranschulen, in denen die Taliban ausgebildet wurden
und die bisher wohlwollend geduldet waren, nicht mehr im Land. Zusammen mit
den Amerikanern wird ein Datenblatt erstellt, um Lehrer und Schüler zu
überwachen. Der Präsident Pakistans, General Muscharraf, hat seit Anfang
November die Verwendung der Lautsprecher auf den Moscheen eingeschränkt.
Erlaubt ist nur noch der Gebetsruf. Die Übertragung von Predigt und
politisch-religiösen Reden ist verboten. Nach Berichten der Zeitschrift
"Dawn" "möchten die Machthaber vermeiden, dass die Mullahs die
Minarette nutzen, um die Unterstützung der USA zu kritisieren".
Eine weitere Neuerung: General Muscharrafs Pakistan, das einzige Land, das
die Taliban-Regierung anerkannt und ihr eine diplomatische Bühne geboten
hatte, bat den Taliban-Botschafter und Sprecher von Mullah Omars Männern
nachdrücklich, während der militärischen Operationen in Afghanistan keine
Pressekonferenzen mehr zu geben. Anfang 2002 wurde er von den
pakistanischen Behörden verhaftet und dem amerikanischen Militär übergeben.

Platz 12: Jordanien

Verschärfte Zensur

Die jordanische Reaktion auf die Attentate vom 11. September war ein klarer
Rückschritt in Sachen Demokratie. Die vorgesehenen Wahlen wurden mit dem
Vorwand der internationalen Konjunktur und der brenzligen Lage im
Westjordanland auf unbestimmte Zeit verschoben. Schlimmer noch: Am 8.
Oktober 2001 erließ die Regierung zwei Gesetze. Das erste soll dem
"Kampf gegen den Terrorismus" dienen und basiert auf besonders weit
reichenden und vagen Definitionen und Konzepten. So ist "Alles, was der
Verfassung schadet, als terroristisch anzusehen". Die vorgesehenen
Strafen gehen von lebenslanger Haft bis zur Todesstrafe.
Die Änderung des Strafrechts und der die Presse betreffenden Paragrafen
verschärfen die bereits bestehende Zensur und Repression, unter der die
Journalisten leiden. Ihnen droht jetzt das Gefängnis, wenn sie der
öffentlichen Äußerung zu Themen, die "der nationalen Einheit schaden,
das Volk spalten oder das Bild und den Ruf des Staates schädigen",
schuldig gesprochen werden.

Platz 13: Russland

Trotz des afghanischen Baums sieht man den Wald des Machtmissbrauchs in
Tschetschenien

Ein gewaltiger Leichtsinn, ein wirkliches Brandschiff: Dies ist die Meinung
des ehemaligen russischen Dissidenten Sergej Kowalew, heute Ehrenpräsident
der Menschenrechtsorganisation Memorial zum Tschetschenienkonflikt. Kowalew
wählt klare Worte. Gebeten, das Schweigen über die Lage in Tschetschenien,
das sich seit dem Anschluss Russlands an die Antiterrorkoalition in der
Folge der Attentate vom 11. September breit gemacht hat, zu kommentieren,
kritisiert er heftig den Westen für dessen plötzliche Blindheit angesichts
der von russischen Soldaten verübten Taten. "Sie wollen Nichts
sehen", sagt er. "Anfangs musste der Europarat, der einen
Sonderbeauftragten ernannt hatte, über die Einhaltung der Menschenrechte in
Tschetschenien wachen. Letztlich verkaufte er sich."

Die wohlwollende Haltung des Westens gegenüber Wladimir Putin bringt Sergej
Kowalew auf die Palme. "Sie, die Westler, sind dumm. Sie schauen hin
und begreifen doch nicht, dass hinter Allem die Hand des KGB steckt. Der
Präsident ist aus dem KGB hervor gegangen, und er beruft seine Kollegen an
der Macht. Und Sie? Was tun Sie? Sie polieren diesem Versager noch die
Schuhe."

Ende November änderte die NATO ihre Meinung und Position zum
Tschetschenienkonflikt seit den Attentaten des 11. September. George
Robertson, NATO-Generalsekretär, teilte dies anlässlich seines Besuchs in
Russland mit. "Jetzt verstehen Alle, dass es überall in der Welt
Terrorismus gibt, den wir gemeinsam bekämpfen müssen," erklärte er, und
bezog sich dabei auf Tschetschenien. "Ich bin nach Russland gekommen,
um mit der Führung dieses Landes eine sicherere Zukunft zu bauen."

Platz 14: Indonesien

Ein Entwurf für ein Antiterrorgesetz mit dem "Flair der Ära Suharto"
Die indonesische Presse ist gegen einige Maßnahmen, die der von der
Regierung vorgelegte Entwurf eines Antiterrorgesetzes vorsieht, auf die
Barrikaden gegangen. Die Tageszeitung Jakarta Post machte nicht viel
Federlesens: "Die Verquickungen und Ungenauigkeiten dieses
Gesetzestextes, die problemlos jede Form der Repression im Namen der
Terrorbekämpfung zulassen, erinnern die Indonesier an die dreißig düsteren
Jahre des Suharto-Regimes." Die Jakarta Post, wie andere Verteidiger
der Freiheit, kritisieren die viel zu vage Definition von Terrorakten im
Gesetzesvorschlag. Durch diese Definition können einfache Delikte zu
"Terrorakten" werden.

Platz 15: Simbabwe

Der Kampf gegen den Terror als Maulkorb für die Opposition

Der Präsident Simbabwes, Mugabe, und sein Team nutzen den Kampf gegen den
Terrorismus als Vorwand, um der Opposition einen Maulkorb zu verpassen. Ein
neues sogenanntes "Antiterror"-Gesetz droht jedem mit Todes- oder
Gefängnisstrafe, der sich "aufständischen Handlungen, Banditentum, der
Sabotage oder des Terrorismus" schuldig macht. Lange Haftstrafen gibt
es auch bei Journalisten, Bürgern Simbabwes und Ausländern, die "die
Autorität des Präsidenten unterminieren". Dieses Gesetz weckt die
Besorgnis derjenigen, die die Menschenrechte und die Pressefreiheit
verteidigen, da Präsident Mugabe alle die als "Terroristen"
betrachtet, die seine Macht kritisieren.

Die Behörden in Simbabwe haben im Übrigen eine neue Phase eingeläutet, in
der im Land arbeitende ausländische Journalisten mit "Terroristen"
gleich gesetzt werden. Unter Bezugnahme auf die amerikanische Position seit
dem 11. September veröffentlichte die Regierung eine Liste mit den Namen
ausländischer Journalisten, denen vorgeworfen wird, sie "unterstützten
terroristische Aktivitäten im Land". Über die Liste und die
Beschuldigungen berichtete die Regierungszeitung Herald. "Die
betroffenen Journalisten müssen wissen, dass wir Präsident Bush zustimmen,
wenn er sagt, dass derjenige, der Terroristen finanziert, schützt oder
verteidigt selbst Terrorist ist", präzisierte der Regierungssprecher.

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