Aserbaidschan 29.01.2025

Medienschaffende vor Gericht

Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew geht gegen unabhängige Medien vor.
Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew geht seit November 2023 verstärkt gegen unabhängige Medien vor. © picture alliance/ Associated Press | Uncredited

Auch im neuen Jahr geht Aserbaidschan mit unverminderter Härte gegen unabhängigen Journalismus vor: Am 21. Januar 2025 fand die dritte Anhörung im Verfahren gegen das Investigativmedium Abzas Media statt. Es handelt sich um den ersten Prozess seit Beginn einer anhaltenden Verhaftungswelle aserbaidschanischer Medienschaffender im November 2023. Insgesamt sechs Mitarbeitenden von Abzas Media werden Devisenschmuggel und sieben weitere Wirtschaftsdelikte vorgeworfen. Ihnen drohen bis zu zwölf Jahre Haft.

 „Mit dem Prozess gegen Abzas Media eskaliert der seit mehr als einem Jahr anhaltende Feldzug gegen Aserbaidschans unabhängige Medienschaffende weiter“, sagt Anja Osterhaus, Geschäftsführerin von Reporter ohne Grenzen (RSF). „Das Verfahren ist Teil einer umfassenden Strategie, um die verbliebenen kritischen Medien mundtot zu machen. Die Journalistinnen und Journalisten von Abzas Media müssen unverzüglich freigelassen werden!“

Verfolgt wegen kritischer Berichterstattung

Abzas-Media-Geschäftsführer Ulvi Hasanli wies die Anschuldigungen vor Gericht zurück. Die Medienschaffenden seien unschuldig. Abzas Media werde aufgrund seiner kritischen Berichterstattung über Korruption und Menschenrechtsverletzungen in Aserbaidschan verfolgt. Bei der Anhörung waren zum ersten Mal Prozessberichterstattende zugelassen. Bei vorangegangenen Gerichtsterminen im Dezember 2024 war ihnen der Zugang verwehrt worden. Der nächste Verhandlungstag ist auf den 11. Februar 2025 angesetzt.

Die Repressionen gegen Abzas Media begannen mit der Festnahme von sechs Mitarbeitenden zwischen November 2023 und Januar 2024. Betroffen sind neben Geschäftsführer Ulvi Hasanli, Projektkoordinator Mahammad Kekalov und Chefredakteurin Sevinj Vagifgizi, die sich im Jahr 2021 vier Monate lang mit einem Auszeit-Stipendium von Reporter ohne Grenzen (RSF) in Berlin aufhielt. Außerdem wurden die Reporterinnen Nargiz Absalamova und Elnara Gasimova sowie der freie Mitarbeiter Hafiz Babali festgenommen.

Der Vorwurf: Devisenschmuggel von 40.000 Euro. Diese Summe sei während einer Razzia in der Redaktion gefunden worden. Die Medienschaffenden streiten das ab. Das Geld sei von der Polizei platziert worden. Im August 2024 wurden sieben weitere Anklagen gegen die Medienschaffenden erhoben, darunter Wirtschaftsdelikte wie Steuerhinterziehung und Geldwäsche. Im Falle einer Verurteilung drohen ihnen bis zu zwölf Jahre Haft.

Die Inhaftierten klagen über Gewalt und Willkür in der Untersuchungshaft: So soll unter anderem Geschäftsführer Ulvi Hasanli bedroht und von einem Polizisten geschlagen worden sein. Ein Beamter habe Chefredakteurin Sevinj Vagifgizi am Arm verletzt. Treffen mit Angehörigen der Medienschaffenden wurden zum Teil untersagt, waren nur unter Aufsicht oder erschwerten Bedingungen möglich.

Investigativmedium macht im Exil weiter

Abzas Media wurde im Jahr 2016 gegründet und erlangte mit Berichten über die grassierende Korruption unter Präsident Ilham Alijew Bekanntheit. Die Nachrichtenseite zählt zu Aserbaidschans einflussreichsten unabhängigen Medien. Nach den Festnahmen im November 2023 stellte Abzas Media seine Arbeit in Aserbaidschan aus Sicherheitsgründen ein. Die Redaktion ist seitdem dezentral in mehreren Exilländern tätig. Im Februar 2023 setzte die inhaftierte Geschäftsführung die in Deutschland lebende Journalistin Leyla Mustafayeva als vorübergehende Chefredakteurin ein.

Mit dem Schlag gegen Abzas Media im November 2023 begann eine bis heute anhaltende Repressionswelle gegen Aserbaidschans unabhängige Medienszene. Insgesamt 20 Journalisten und Journalistinnen kamen seitdem in Untersuchungshaft – zumeist wegen angeblichem Devisenschmuggel. Betroffen sind Mitarbeitende von Toplum TV, OC-Media, Kanal 11, Kanal 13 und dem aserbaidschanischen Dienst des US-finanzierten Radio Free Europe/ Radio Liberty (RFE/RL). Unter den Festgenommenen befindet sich auch der Gründer des Medienportals Meclis.info Imran Aliyev, der wiederholt für den deutschen Fernsehsender ZDF arbeitete.

Schlag gegen Exilmedium aus Berlin

Im Dezember 2024  wurden sechs aserbaidschanische Mitarbeitende des in Deutschland ansässigen Exilmediums Meydan TV festgenommen. Am 17. Dezember 2025 wurden sechs neue Anklagen gegen bereits in  Untersuchungshaft sitzende Mitarbeitende von Toplum TV erhoben. Der für das Medium arbeitende Journalist Farid Ismailov kam am selben Tag für drei Monate in Untersuchungshaft. Am Vortag wurde Ulviyya Ali im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen Meydan TV vernommen. Gegen die Journalistin des aserbaidschanischen Dienstes des US-amerikanischen Auslandssenders Voice of America wurde eine Ausreisesperre verhängt.

Aserbaidschan rangiert in der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 164 von 180 Ländern.



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